Wochenendlich in Istanbul

Ach, lebten wir doch alle am schönen Bosporus.

Gehen ist schneller. Tram auf der Istiklal Caddesi in Beyoğlu. (Bild: Philipp Loser)

Ach, lebten wir doch alle am schönen Bosporus.

Was wurde uns nicht alles über Istanbul erzählt. Die Liebste schwärmte von Hamams und Moscheen und Raki-Orgien, der Kulturchef, selten um einen träfen Vergleich verlegen, meinte: «Istanbul? Das neue Barcelona!» Und jener Kollege, der während einer (schlimmen) Mittelmeerkreuzfahrt im Bosporus anlegte, der lächelte nur selig, als wir ihm von unseren Plänen erzählten.

So viel Schwärmerei macht misstrauisch. Als uns dann im Flugzeug noch die Sitznachbarin, eine entzückende türkische Ärztin aus Belp, auf unserem Stadtplan mit wilden Strichen das und das und das anstrich, was wir unbedingt nicht verpassen dürften, da war es schon zu viel des Guten. So aufregend und spannend und lebendig, wie uns dieses Istanbul noch vor der Landung geschildert wurde, so kann keine Stadt sein. 48 Stunden später luden wir unsere Köfferchen am gleichen Flughafen, dreissig Kilometer östlich der Stadt, wieder aus dem Taxi und wussten: Auch wir sind Gläubige. Wir waren in Stockholm, wir waren in Warschau, wir waren in Dublin, München und Kopenhagen, ja, wir waren sogar in Barcelona. Aber Istanbul schlägt sie alle. Grossartig!

Und dabei präsentierte sich die Stadt an diesem Wochenende im Oktober nicht von ihrer besten Seite. Temperaturen im knapp zweistelligen Bereich, Nebel und Regen – grauslig wars. Aber selbst das Wetter ist in Istanbul verzeihlich – hält man sich eben an die überdachten Orte der Stadt. Beispielsweise an die Hagia Sophia. Mannomann. Was für ein Gebäude. Von aussen eher schäbig und unscheinbar, nimmt einem die Kirche im Innern den Atem. Beinahe 1500 Jahre ist dieser Ort alt, nur sechs Jahre dauerte es nach dem Spatenstich, bis Kaiser Justinian die Kirche unter dem Jubel der Byzantiner eröffnete. Die Kuppel, die Mosaike, der aus Stein gehauene Aufgang zur Galerie, der Krönungsort der alten Kaiser – ein von Menschenhand geschaffenes Wunder. Und die Kirche ist nur ein Bruchteil davon, was Istanbul so faszinierend macht. Alleine die Galatabrücke zwischen dem europäischen Viertel Beyoğlu und der Altstadt wäre der Beschreibung mit vielen schönen Worten würdig. Die Aussicht auf die tonnenschweren Frachter, die Fischer auf der Brücke, die rumpelnden Trams und die Menschen erst, diese unglaublich freundlichen und offenen Menschen, die man nicht nur auf der Brücke, sondern auch überall sonst in der Stadt antrifft. Am besten übrigens, wenn es Abend wird, irgendwo im Umkreis der İstiklal Caddesi, eine der bekanntesten Strassen im Ausgehviertel Beyoğlu. In hundert Gassen sitzen die Menschen an kleinen Tischchen und trinken abwechselnd eiskaltes Efes und trüben Raki. Sie tanzen zu türkischem Pop und türkischen Volksliedern und feiern bar jeder Vernunft. Wir feierten mit. Und wir kommen wieder. Wo so viel Schönes ist, muss es noch mehr davon geben.

  • Anzapfen: Überall in Beyoğlu, die Bars (auf der Strasse und auf den Terrassen des Viertels) sind kaum zu zählen. Wärmstens empfohlen wurde uns das Babylon, Sehbender Sokak 3. Getestet wird der Club beim nächsten Mal.
  • Anschauen: Die Hagia Sophia und die Blaue Moschee in der Altstadt. Bei gutem Wetter: Unbedingt das Fährschiff zwischen asiatischem und europäischem Teil besteigen.
  • Anfliegen: Zum Beispiel mit Pegasus-Air (der türkischen EasyJet) ab Basel. www.flypgs.com

Ausspannen: Das Arch-ist Hostel ist eine gute Wahl. Zentral, günstig, mit Dachterrasse.40 Istiklal Caddesi (Stadtteil Beyoğlu) www.archisthostel.com

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 03/11/11

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