Wochenendlich in Marseille

Marseille wird Kulturhauptstadt Europas 2013. Ein Besuch in der südfranzösischen Hafenstadt lohnt sich, kann man hier doch auch im Winter den Frühling geniessen.

Tor zum Süden: Der «vieux port» von Marseille. (Bild: zVg)

Marseille wird Kulturhauptstadt Europas 2013. Ein Besuch in der südfranzösischen Hafenstadt lohnt sich, kann man hier doch auch im Winter den Frühling geniessen.

Wenn der Winter kommt mit Kälte, Matsch und grauen Tagen, dann ist der Frühling nur fünfeinhalb Stunden entfernt. Solange etwa braucht der TGV von Basel nach Marseille. Schon vom Bahnhof Saint-Charles öffnet sich der Blick über die Stadt hinaus aufs Meer und auf die Bucht, in die Marseille eingebettet ist, gerahmt von steilen Kalkfelsen. Die Luft ist weich, klar und voller Düfte: Meersalz, Früchte und Gewürze aus dem nahen arabisch-­afrikanisch geprägten Quartier Belsunce und Grossstadtgerüche vermischen sich.

Der Weg hinunter zum alten Hafen führt durch die Rue Longue des Capucins, gestopft mit Marktständen und Läden wie in einem orientalischen Souk: Es gibt Nüsse in allen Variationen, Honig und kandierte Früchte, ein Helfer wiegt mit gros-ser Kelle Curry, Kurkuma, Piment in allen möglichen Rottönen ab, daneben stapeln sich kistenweise unbekannte Tee- und ­Kaffeesorten. Allein hier lässt sich locker ein halber Tag schnuppern und probieren.

Die Canebière, die Prachtstrasse Marseilles, in deren engster Umgebung alle grossen Modeketten ihre Filialen haben, mündet in den Quai des Belges, wo normalerweise die Fischer ihren morgendlichen Fang verkaufen. Zurzeit aber ist dort eine einzige grosse Baustelle – Marseille putzt sich heraus für 2013. Ein Jahr lang kann die Stadt sich dann als Kulturhauptstadt Europas präsentieren.

Den richtigen Frühling finden wir am östlichen Stadtrand, der Bus Nummer 19 nach Madrague de Montredon bringt uns hin. Hier geht die Grossstadt nahtlos in kleine Fischersiedlungen wie Saména und Les Goudes über, die sich in die schmalen Felsbuchten ducken. In Callelongue ist ­die Stadt zu Ende, hier beginnen die ­Calanques, ein Gewirr von engen Schluchten und steilen Felswänden, die scheinbar senkrecht ins Meer fallen. Der Duft von Thymian und Wacholder dringt in die Nase, der Maquis blüht, Pinien und Kiefern wiegen sich im Wind. Dieser kann allerdings an der Küste mitunter recht heftig blasen. Doch die Felswände bieten meistens genug Windschatten, um die ­Calanques auch bei stärkeren Böen genies-sen zu können. Bläst der Mistral nicht, kann man selbst im Dezember und Januar in Shorts und T-Shirt wandern.

Farbig markierte Pfade durchziehen das ganze Gebiet, das seit April 2012 Nationalpark ist. Schwindelfrei und trittsicher sollte man sein, die Wege sind manchmal recht ausgesetzt. Etwa 28 Kilometer sind es von Callelongue nach Cassis – an einem Tag ist der Weg nur für gut trainierte Wanderer zu schaffen, zumal man noch alles mittragen muss, es gibt keine Quelle unterwegs. Man kann den Weg aber gut in Abschnitte einteilen oder Rundwege gehen. Eine kürzere Strecke empfiehlt sich ohnehin. Denn der Blick von den bis zu 320 Meter hohen Felswänden direkt hinunter ins Meer ist so atemberaubend, dass man gerne immer wieder eine Pause einlegt, um zu schauen und zu staunen.

  • Ausspannen: La Maison du Petit Canard, 2, Impasse Sainte-Francoise;
    Vertigo Hostel, Rue des Petites Maries.
  • Anbeissen: Am Quai des Belges reihen sich die Restaurants mit Blick von den Terrassen auf die Altstadt mit der über allem thronenden Kirche Notre Dame de la Garde, ein Teller gegrillte Meeresfrüchte ist hier für zwölf Euro zu haben.
  • Anschauen: La Friche la Belle de Mai, 41, Rue Jobin, ein alternatives Kulturzentrum, noch in der Entwicklung; Centre d´Information d´Euroméditerranée, Les Docks, Atrium 10.3, 10, Place de la Juliette, hier stellt die Stadt Marseille ihre Visionen für 2025 vor.
  • Anlesen: Jean-Claude Izzo: Die Marseille-Trilogie (für Hartgesottene);
    Marcel Pagnol: Eine Kindheit in der Provence (für Nostalgiker)

 


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Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 23.11.12

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