Wochenendlich in Wien

Die österreichische Hauptstadt ist trotz Kälte das perfekte Ziel in der Vorweihnachtszeit.

Das Kaffeehaus Prückel: charmant, schäbig, zentral. (Bild: Karen N. Gerig)

Die österreichische Hauptstadt ist trotz Kälte das perfekte Ziel in der Vorweihnachtszeit.

Drei Dinge braucht der Mensch, wenn er im Winter nach Wien reist: Mütze, Handschuhe und ein Buch. Erstere zwei Utensilien sind nötig, um sich in der Eiseskälte bewegen zu können, Letzteres, um für zahlreiche, dem Aufwärmen zuträgliche Kaffeehaus-Stopps gerüstet zu sein. Natürlich kann man die drei Dinge auch vor Ort besorgen. Denn weil auch die Wiener wissen, dass es im Winter selten kuschelig warm ist in ihrer Stadt, findet man fast an jeder Ecke ein Geschäft, das sich auf Handschuhe und sogenannte «Hauben» spezialisiert hat. Und Buchhandlungen, ja, die gibts da wie Sand am Meer.

Kurz nach meiner Ankunft in Wien-Mitte nehme ich jeweils den kurzen Fussmarsch über den Fluss Wien, vorbei am Museum für Angewandte Kunst, in Richtung Stubentor in Angriff. Dort liegt nämlich das «Prückel», eines von vielen traditionsreichen Kaffeehäusern. In den 1950er-Jahren wurde es letztmals umgebaut, und den Stil jener Epoche hat man bis heute bewahrt. Nicht das Jugendstil-Kaffeehaus-Flair, das man von Wien sonst kennt, erwartet einen hier, sondern ein sympathisch schäbiges, aber mit einer grossartigen Kuchentheke und den für Wien typisch unfreundlichen, aber aufmerksamen Kellnern.

Beim Eintreten ins «Prückel» fallen übrigens gleich die Rauchschwaden ins Auge, die unter der Decke hängen. Doch keine Angst, man hat in Wien nicht vergessen, dass in Österreich ein allgemeines Rauchverbot herrscht. Nein, die Wiener gehen damit (wie die Basler) nur etwas grosszügiger um – statt Raucherräume kennen sie Nichtraucherräume. Auch das «Prückel» hat einen solchen im hinteren Teil.

Ein wochenendfüllendes Programm

Frisch gestärkt kann man nun die Koffer ins Hotel bringen. Meins, das «Levante Parliament», befindet sich direkt hinter dem Rathaus, nur wenige Schritte vom Museumsquartier entfernt. Für den Weg dorthin setze ich mich in die Strassenbahn Nummer 2. Damit habe ich auch gleich das erste Sightseeing hinter mich gebracht, denn das Tram fährt den ganzen Ring entlang, der die Innenstadt einschliesst – vorbei an Stadtpark, Karlskirche, Oper, Hofburg mit Heldenplatz, Kunsthistorischem und Naturhistorischem Museum, Parlament, Rathaus.

Ist man das erste Mal in Wien, so verbringt man locker das ganze Wochenende damit, diese Orte abzuklappern. Da ich mal in Wien studiert habe, spare ich mir das und konzentriere mich voll und ganz auf das aktuelle Programm; ich schaue, was in den unzähligen Theatern und Museen so läuft. Im Leopold Museum wird gerade der Jugendstil mit Egon Schiele gefeiert. Gustav Klimt muss für einmal hintenanstehen – der Maler kommt dann nächstes Jahr zu seinem 150. Geburtstag gross raus. Der Gang zum Museumsquartier ist sowieso immer ein Muss, auch wegen des Museums für Moderne Kunst, das in einer Ausstellung gerade Wünsche für seine Sammlung formuliert.
Im Anschluss schlendere ich über einen der vielen Weihnachtsmärkte, am liebsten abends, wenn die Lichter so herrlich leuchten. Am Samstag geh ich auf den Naschmarkt stöbern, das muss sein. Dann schau ich im angrenzenden Quartier Wieden, abseits der Touristenströme, noch in den diversen kleinen Läden vorbei. Und zwischendurch, da setz ich mich immer wieder in ein Kaffeehaus, trink einen Melange und lese in meinem Buch. Bis Füsse und Hände wieder warm geworden sind.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 25/11/11

Nächster Artikel