«Wohlstand, Bildung, Freiheit für alle!» in Lörrach

Am Tag der Demokratie erinnerte Lörrach an die kurzlebige deutsche Republik von 1848 und an Revoluzzer Gustav Struve.

Da gehts lang: Gustav Struve weist den Weg.

(Bild: Martin Stohler)

Am Montag, dem 21. September 2015, führte die Stadt Lörrach erstmals einen Tag der Demokratie durch. Dabei wurde auch an die kurzlebige deutsche Republik von 1848 erinnert.

Der Tag der Demokratie begann mit einem kleinen historischen Spektakel. Kurz vor 11 Uhr morgens formierten sich beim Bahnhof Stetten rund 1500 Lörracher Schülerinnen und Schüler zu einem «Revolutionszug». Hier in Stetten war es auch gewesen, wo der deutsche Republikaner Gustav Struve am 21. September 1848, aus seinem kurzen Basler Exil kommend, vom Bürgerwehr-Hauptman Markus Pflüger und weiteren Anhängern erwartet wurde und wo er erstmals die kurzlebige deutsche Republik ausrief.

So war es naheliegend, dass auch der Tag der Demokratie in Stetten mit kurzen Ansprachen «Struves» und «Pflügers» begann, in denen den Schülerinnen und Schülern die Losung der Revoluzzer in Erinnerung gerufen wurden: «Wohlstand, Bildung, Freiheit für alle!» Dann gings im geordneten Revolutionsmarsch nach Lörrach zum alten Marktplatz.

Dort trat nochmals Gustav Struve in Aktion. Die Lörracher Stadtregierung wurde für abgesetzt erklärt, das weitere Vorgehen zur Ausweitung der Revolution auf ganz Baden dargelegt und der Menge Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle in Aussicht gestellt.

So oder ähnlich mag es am 21. September 1848 in Lörrach getönt haben, als Gustav Struve – allerdings aus einem Fenster des Rathauses – zur Menge sprach. Angemerkt sei, dass Struve zur Finanzierung der staatlichen Aufgaben eine progressive Reichtumssteuer im Programm hatte.

Anschliessend gehörte die Bühne beim Marktplatz den beiden Kabarettisten Volkmar Staub und Florian Schroeder, deren Vorgabe es war, die Losung von 1848 für die heutige Zeit zu aktualisieren, was beide wortgewaltig taten.

Der Auftritt der Kabarettisten

Volkmar Staub zeigte dabei keine Berührungsängste zu Kalauern. So bemerkte er etwa zum Bild der «Schere, die zwischen arm und reich immer mehr aufgeht»: «Die Schere geht nicht von alleine auf – nein, dafür sorgen die Scher-Holder.» Oder er sprach von der «präservativen Demokratie», die uns vor der Demokratie schützen soll. Staub machte solche Sprüche nicht um des Blödelns willen, sondern offenbar um inaktive Bürgerinnen und Bürger aufzurütteln, damit sie sich engagieren.

Jung-dynamisch gab sich Staubs Kollege Florian Schroeder. Er begann seinen Auftritt mit einem Selfie und wandte sich direkt an die Schülerinnen und Schüler. Dabei waren auch die sozialen Medien ein Thema, die uns die digitale Revolution beschert hat und die ihrerseits unser Leben revolutionieren. Hier bekam auch Facebook sein Fett ab, auf dem sich zwar Neonazis tummeln und gegen Flüchtlinge hetzen dürfen, «das aber euren Account sperrt, wenn ihr ein Selfie postet, auf dem man eure Tittis sieht».

Nichtsdestotrotz ermunterte Schroeder die Jungen, diese Medien zu nutzen: «Geht zu Facebook und zu Twitter. Sucht euch Freunde, sucht euch Quellen, wo ihr etwas lernen könnt. Wenn ihr den Leuten folgt, deren Überzeugung ihr nicht teilt, werdet ihr mehr lernen als in anderen Institutionen, in denen Kritik längst überhaupt kein Thema mehr ist.»

Zum Schluss der Platzkundgebung ergriff Oberbürgermeister Jörg Lutz das Wort. Er setzte die von Struve abgesetzten Stadträte wieder in ihr Amt ein. Zudem betonte er, dass die Demokratie keine Selbstverständlichkeit sei und dass es sich lohne, für sie zu streiten.

Am Nachmittag standen diverse Führungen in der Stadt und dem Dreiländermuseum auf dem Programm, am Abend eine Podiumsdiskussion zum Thema «Mehr Politik wagen?!».

Ziel dieses erstmals in Lörrach durchgeführten Tages der Demokratie war es, den Schülerinnen und Schülern Demokratiegeschichte durch erlebbare Momente näherzubringen, die Verbundenheit der Bevölkerung – insbesondere der Neubürger – mit ihrer Heimatstadt zu stärken und auf Lörrachs Lage an der «Strasse der Demokratie» hinzuweisen.

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