Wolfgang Schäuble: «Die Flüchtlingskrise wird uns noch lange beschäftigen»

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hielt am Dienstag einen Vortrag an der Universität Basel. Es wurde ein Abend mit nachdenklichen Momenten.

Wolfgang Schäuble wurde bei einem Attentat verletzt. Seither sitzt er im Rollstuhl.

(Bild: Nils Fisch)

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hielt am Dienstag einen Vortrag an der Universität Basel. Es wurde ein Abend mit nachdenklichen Momenten.

Bis vor dem Gebäude warteten die Studenten und Gäste. Sie standen im Regen für ihren Politstar, den deutschen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Die Universität Basel und die Handelskammer beider Basel luden zum Themenabend mit dem Titel «Wie weiter mit der Europäischen Union?»

Die Titelfrage mochte den Gast nicht verunsichern. Schäuble ist quasi die Verkörperung der deutsch-europäischen Integration. Kaum ein noch amtierender europäischer Politiker hat die EU derart mitgestaltet wie er. Schäuble war in den 1980er-Jahren Chef des Kanzleramtes, in den 1990ern deutscher Innen- und seit 2009 Finanzminister.

So versprühte er nicht nur viel Charme, sondern auch eine Art Zweckoptimismus gegenüber Europa – zwischen Mühsal und Zuversicht. In einer Stunde erklärte er, wo es in der Europäischen Union zwickt und beisst – und warum am Ende alles gut wird: «Wie es mit Europa weitergeht? So wie bisher: mühsam, kompliziert, schwerfällig. Aber immer weiter, Schritt für Schritt voran.»

Die Flüchtlingskrise würde Europa noch lange beschäftigen. «Was wir da erleben, ist eigentlich ein Rendezvous mit der Globalisierung. Jetzt lernen wir, was Globalisierung wirklich heisst.»

Aber auch diese Krise bringe Europa letzten Endes weiter. Schäuble sprach nicht darüber, wie die Flüchtlingskrise die europäischen Länder spaltet. Er sieht darin vielmehr eine Chance.

Auch Zweifel an der europäischen Austeritätspolitik überging Schäuble. «Strukturelle Reformen – in jeder internationalen Erklärung immer das Wichtigste. Aber in der Realität kommt es immer an letzter Stelle.» 

Demokratisch gewählte Regime würden hingegen meist kurzfristige und einfache Lösungen wählen. «Wir müssen also darauf achten, dass wir das Ausmass an Fehlanreizen in der Union begrenzen.»

Zum Ende der Veranstaltung kam Schäuble nochmals auf die Flüchtlinge zu sprechen und liess dabei Selbstzweifel durchblicken. «Wenn ich in den letzten Wochen Bilder vom Flüchtlingslager in Idomeni gesehen habe mit den Kindern, wo man bei jedem Bild weinen möchte, dann ist man in der Versuchung, zu sagen: Herrschaftssecher, diese 30’000, komm wir nehmen sie.»

Dennoch habe er der Kanzlerin nicht geraten, diese Flüchtlinge nach Deutschland zu holen. «Weil mittlerweile jeder sieht, dass es nicht unendlich ist, was wir geben können.» Das sei das, was Max Weber mit Verantwortungsethik umschreibe.

Europa im 21. Jahrhundert müsse etwas gutmachen davon, was es in der Kolonialzeit verbrochen hat. Mit diesen Worten beendete Schäuble den Abend.

Die Schweiz und das angeschlagene Verhältnis zur EU blieben unerwähnt. Einzig meinte Schäuble scherzend, die Schweiz habe ja noch ein bisschen Zeit bis zum Beitritt.




Der Saal war bis zum letzten Platz gefüllt. Über 100 Gäste mussten draussen bleiben. (Bild: Nils Fisch)

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