In Sachen Rassismus bleibt die SVP unbelehrbar. Umso unverständlicher ist es da, dass die Basler Bürgerlichen für die anstehenden Wahlen ein Zweckbündnis mit der Volkspartei eingehen.
Zuerst die gute Nachricht: Das Berner Obergericht bestätigte am Dienstag das Urteil einer Berner Einzelrichterin, wonach ein vom SVP-Generalsekretariat zu verantwortendes Inserat rassistisch sei beziehungsweise den Antirassismus-Artikel 261bis verletzt habe. Mit dem Inserat war 2011 gross und fett die Botschaft verbreitet worden: «Kosovaren schlitzen Schweizer auf.» Damit wurde, wie jetzt bestätigt, die in der Schweiz lebende Ethnie der Kosovaren kollektiv diffamiert.
Formal bestand das Delikt aus dem Verwenden des Plurals. Denn im Singular «Kosovare» hätte die Aussage einem realen und verurteilenswerten Einzelfall entsprochen. Dem Präsens «schlitzen» kommt ebenfalls eine gewisse Bedeutung zu: Er wirkt wie eine Aussage zu einem Dauerzustand und nicht wie eine Beschreibung eines Einzelfalls, der sich leider zugetragen hat.
Auf der schweizerischen Seite ist das Generalisierende in der Aussage weniger offensichtlich, weil da Plural und Singular identisch sind – «Schweizer». Sonderbar wirkt jedoch in der Berichterstattung mancher Medien die Präzisierung, dass es sich beim Opfer des zitierten Falls um einen Kranzschwinger handelte, was diesen zu einem Urschweizer und offenbar zu einem besonders beklagenswerten Opfer machte.
Echte Empörung oder empörende Genugtuung?
Kein Zweifel, dass die Schweizerische Volkspartei mit dem Inserat in hetzerischer Weise eine generalisierende Aussage gemacht hat. Zweifeln könnte man höchstens, ob damit echte Empörung verbunden war oder ob nicht vielmehr die Genugtuung darüber stärker war, die tragische Geschichte im Wahljahr und in der Propaganda für die unselige Masseneinwanderungs-Initiative politisch bewirtschaften zu können.
Es geht nicht um private Gefühle, sondern um öffentliche Kampagnen. Diesen Unterschied haben die Funktionäre der Partei offenbar nicht kapiert.
Die beiden Beschuldigten, Generalsekretär Martin Baltisser und seine Stellvertreterin Silvia Bär, mussten für die Partei die Köpfe hinhalten, da der Präsident – Brunner Toni – dies nicht tun konnte. Das Parlament verweigerte dem Nationalrat die Aufhebung der Immunität. Die Aussage der beiden, dass sie «nie im Leben irgendwelche rassistischen Gefühle gehabt» hätten, ist aus der Gerichtssituation verständlich. Möglicherweise ist sie aber auch ein Indiz für die Unfähigkeit zur Selbstkritik. Es geht aber nicht um private Gefühle, sondern um öffentliche Kampagnen. Diesen Unterschied haben die Funktionäre der Partei offenbar nicht kapiert.
Das Basler SVP-Blatt ist in seinem Kommentar zum Gerichtsentscheid zu keinem Gedanken darüber fähig, inwiefern solche Hass-Inserate den gesellschaftlichen Frieden angreifen. Es beklagt dagegen die «richterlich ausgehöhlte Meinungsäusserungsfreiheit». Es wäre auch verwunderlich gewesen, ausgerechnet von dieser Seite zu hören, dass eine Partei, die mit schwer fassbaren Plakaten oft im Grenzbereich agiert, in diesem Fall die rote Linie überschritten hat.
Bei Rassismus ist die SVP dann doch für Täterschutz
Die Verurteilten erwägen den Gang nach Lausanne, ans Bundesgericht. Dort werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nochmals eine Abfuhr einkassieren. Nicht auszuschliessen wäre dann, dass sie nach Strassburg weiterziehen, um die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) anzurufen, die sie zu Hause mit ihrer Landesrecht-Initiative bekämpfen. Verständlicherweise möchten die Beklagten freigesprochen werden. Werden sie dies nicht, bleibt ihnen der doppelte Nutzen, auch in dieser Sache im Gespräch zu bleiben und sogar Märtyrer «totalitärer Justiz» (BaZ) zu sein.
Kleiner Szenenwechsel, gleiches Personal: Den Gegnern der am 28. Februar zurückgewiesenen Durchsetzungsinitiative wurde vorgeworfen, sie seien für Täter- und nicht für Opferschutz. Im Fall des Rassismus ist es aber die SVP, die ganz entschieden für Täterschutz ist. Wenn es nach ihr ginge, müsste der 1994 vom Volk gutgeheissene Strafgesetzartikel 261bis aufgehoben und die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) abgeschafft werden.
Das hat ein SVP-Vertreter gerade kürzlich wieder versucht: Am 3. März 2016 hat der Nationalrat eine entsprechende Motion des SVP-Hardliners Gregor Rutz mit 126 gegen 63 jedoch wuchtig abgelehnt. Nur einer Zeitung war dies eine Nachricht wert – es brauchte bezeichnenderweise das jüdische Wochenblatt «Tachles», um die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen. In den Medien werden allgemein vor allem SVP-Siege registriert, nicht aber ihre doch recht häufigen Niederlagen. Die Partei ist in Fragen des Rassismus leider unbelehrbar, da bleibt eben nur, die rote Linie zu markieren oder die rote Karte zu zücken.
Paktieren Basler Bürgerliche im Kampf gegen den Teufel mit dem Beelzebub?
Jetzt die schlechte Nachricht: Die Zeiten, da Basels bürgerliche Parteien die Auffassung vertraten, dass man mit der unbürgerlichen SVP keinen gemeinsamen Auftritt haben könne, sind offenbar vorbei. Ist die SVP in den letzten vier Jahren näher an die Positionen der bürgerlichen Parteien gerückt? Ist das alles bloss Wahltaktik oder kommt es den inneren Neigungen der Bürgerlichen entgegen, die inzwischen mehr nach rechts gerückt sind? Oder haben sich die doch ziemlich bürgerlich politisierenden Rot-Grünen derart unmöglich aufgeführt, dass man im Kampf gegen diesen «Teufel» mit dem «Beelzebub» paktieren muss?
Es hat einmal eine Zeit gegeben, da waren die Basler Bürgerlichen ohne die nichtbürgerliche Populistenpartei stark genug, um eine Regierungsmehrheit zu stellen. Der Versuch, mit der SVP zu Stärke zu kommen, könnte sie sogar schwächen. Denn: Abgesehen davon, dass trotz gemeinsamem Auftritt der Kampf jeden gegen jeden stattfinden wird, könnte das Viererticket wegen seiner problematischen Zusammensetzung mehr Ablehnung als Unterstützung finden.
Auch wenn man keine Bedenken hat, mit einer zu Rassismus oder zu dessen Verharmlosung neigenden Partei gemeinsam aufzutreten, sollte man doch wegen deren wirtschaftsschädigender Haltung davon absehen. Die Basler SVP-Filiale hat die für den Grenzkanton besonders nachteilige Masseneinwanderungs-Initiative mitunterstützt und die Bilateralen und das Grenzgängerregime gefährdet. Sie hat die Durchsetzungsinitiative gutgeheissen, die von Basel mit dem gesamtschweizerisch höchsten Nein-Stimmen-Anteil abgelehnt worden war, und sie wird die bevorstehende Anti-EMRK-Initiative brav mittragen.
Politik hat noch immer etwas mit Inhalten und nicht einzig mit Zahlen zu tun.
In Basel soll nun der kantonale Ableger unter Mitwirkung der bürgerlichen Parteien wenigstens theoretisch in die Regierung einziehen dürfen. LDP und FDP haben dabei eine besonders unwürdige Haltung eingenommen, indem sie einem SVP-Platz auf dem Viererticket zugestimmt haben, bevor sie den Kandidaten dieser Partei überhaupt kannten. Von LDP-Seite konnte man allerdings hören, dass dies doch keine Rolle spiele, weil in jedem Fall ein Nonvaleur aufgestellt würde. Die CVP hat immerhin zugewartet, bis sie den Namen des SVP-Mannes kannte.
Die negative Wirkung dieses gemeinsamen Auftritts wird unterschätzt. Für BS kann die BL-«Büza» (Bürgerliche Zusammenarbeit) kein Vorbild sein. Sie dürfte jedenfalls kaum mehr Stimmen bringen, als sie Stimmende davon abhält, das Quartett in globo zu unterstützen.
Es hat einmal eine Zeit gegeben, da hat der abtretende liberale Regierungsrat Christoph Eymann frohlockt, dass Basel SVP-frei sei. Gewiss, die Fraktion dieser Partei ist grösser als es diejenigen der FDP, LDP oder CVP sind. Politik hat aber noch immer etwas mit Inhalten und nicht einzig mit Zahlen zu tun. Womit lässt sich jenseits der Zahlen die Anerkennung der «Regierungsfähigkeit» der SVP rechtfertigen?
Nationalrat Eymann erwartet «gesunde Distanz»
Offenbar gelten auf kantonaler Ebene andere Regeln als auf nationaler. Doch selbst Eymann, der von der praktischen Arbeit der LDP bezeichnenderweise eine «gesunde Distanz zur SVP» erwartet, wies – jetzt in seiner neuen Eigenschaft als Nationalrat – seine Partei auf die grossen Differenzen hin, die in «Bern» zwischen der SVP und den bürgerlichen Mitteparteien bestehen.
Die kantonalen Sektionen sind Zahnrädchen in der grossen SVP-Maschine. Schon deswegen dürfte – trotz des verständlichen Wunsches, der Rot-Grün-Mehrheit etwas entgegenzustellen – die wenig charakterstarke Bereitschaft zur Verbandelung etwas geringer sein. Die überrissene und realitätsfremde Fünferliste der Linken kann für das Zusammengehen jedenfalls keine Rechtfertigung sein.