Wollen wir Krieger als Freund und Helfer?

Die Kritik an der Militärübung Conex 15 tobte sich auf einem Nebenschauplatz aus. Statt über Inhalte wurde über ein fiktives Szenario diskutiert. Dabei gäbe es angesichts der anstehenden Armeereform viele offene Fragen.

Armee, familiengerecht: Luftballons und Abenteuerspielplatz.

(Bild: Jonas Grieder)

Die Kritik an der Militärübung Conex 15 tobte sich auf einem Nebenschauplatz aus. Statt über Inhalte wurde über ein fiktives Szenario diskutiert. Dabei gäbe es angesichts der anstehenden Armeereform viele offene Fragen.

Die Demonstranten, die am Freitag letzter Woche beim Umzug «No Conex – No Borders» mitmarschierten, hatten sich verschiedene Slogans auf die Fahnen geschrieben: Man war gegen Gefängnisse, gegen Zäune, gegen Grenzen und gegen die Armee. Die Vagheit der Botschaft stand in scharfem Kontrast zur Vehemenz des Protests. Es flogen Steine, Flaschen und Knallkörper.

Klarer formuliert und sachlicher vorgetragen hat die Kritik das Bündnis Grüne BastA!. In einer Medienmitteilung riefen die beiden Basler Linksparteien dazu auf, mit Peace-Fahnen ein Zeichen zu setzen gegen den «repressiven Charakter der Militärübung Conex 15». Ob militant oder zivilisiert, die Conex-Kritiker störten sich primär am fiktiven Übungsszenario hinter Conex 15. Demzufolge steht Europa vor dem Zusammenbruch, wirtschaftliche Nöte, Ressourcenknappheit und unkontrollierbare Flüchtlingsströme sind die Folge davon.

Nun kann man sich natürlich über ein Übungsszenario enervieren, gerade wenn es von der Aktualität eingeholt wird. Was ist die politische Signalwirkung einer Militärübung an der Grenze, wenn vielerorts in Europa die Armee eingesetzt wird, um Flüchtlinge vom eigenen Land fernzuhalten?

Subsidiäre Einsätze werden wichtiger

Substanzieller würde die Kritik jedoch, wenn sie sich um Inhalte drehen würde. Etwa darum, welchen Auftrag wir dem Militär geben wollen in einer Zeit, in der ein kriegerischer Konflikt gemäss Nachrichtendienst und Armeeführung «auf absehbare Zeit nicht wahrscheinlich» ist? In Bern beraten die Räte unter dem Titel «Weiterentwicklung der Armee» (WEA) über die nächste Armeereform. Das Ziel: eine Reduktion des Armeebestands auf 100’000 Soldaten und ein jährliches Kostendach von fünf Milliarden Franken.

Eine Übung wie Conex 15, in der die Armee stärker als sonst in die Öffentlichkeit tritt, wäre der ideale Zeitpunkt, um über diese Reform zu diskutieren. Die WEA sieht vor, dass die Armee in Krisenfällen künftig schneller einsatzbereit sein soll. Dank stärkerer regionaler Verankerung sollen die Kantone überdies einen direkteren Zugang zu ihrer Personalreserve bekommen. Zwar gehören die sogenannten subsidiären Einsätze schon länger zum Auftrag der Armee. In Basel war dies zuletzt während des OSZE-Gipfeltreffens der Fall. Mit der WEA bekommt dieser Leistungsauftrag jedoch neues Gewicht.

Die Armee hat sich als Dienstleistungserbringer für zivile Behörden also bereits etabliert, die subsidiären Einsätze bleiben jedoch umstritten. Auch in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates (SiK). Evi Allemann, Berner SP-Vertreterin und Mitglied der SiK, etwa schreibt auf Anfrage: «Zivile Aufgaben wie die Katastrophenhilfe und die innere Sicherheit sollen nicht militarisiert, sondern so weit als möglich von zivilen Kräften unter der Leitung ziviler Behörden gewährleistet werden.» Doch solange die Bundesverfassung vorsehe, dass das Militär die zivilen Behörden in besonderen Lagen unterstützen könne, sei es sicher sinnvoll, dies auch zu üben, sagt Allemann. «Dazu braucht es aber weder ein Defilée noch eine derart aggressive PR-Kampagne, wie dies bei Conex 15 der Fall ist.»

Weshalb muss die Armee weiter um Goodwill ringen, wenn sie sich doch als zuverlässiger Partner ziviler Behörden etablieren konnte?

Aus Sicht der Militärführung ist eine Übung wie Conex 15 eine einmalige Gelegenheit, sich der Öffentlichkeit als zuverlässiger Helfer in der Not zu präsentieren. Übungsleiter Divisionär Bölsterli, Kommandant der Territorialregion 2, lässt keine Gelegenheit aus, zu unterstreichen, wie reibungslos und konstruktiv die Zusammenarbeit in den einzelnen Teilübungen gelungen sei. An der Ausstellung in Muttenz durften sich Kind und Kegel von Hundeführern, Panzerfäusten und allerlei grimmigem Gefährt beeindrucken lassen. Conex 15 ist auch eine Charmeoffensive, ist auch ein Kampf um Legitimation.

Weshalb muss die Armee weiterhin um politischen Goodwill ringen, wenn sie sich doch in jahrelanger Erfahrung als zuverlässiger Partner etablieren konnte?

Der Nationalrat, Politikwissenschaftler und TagesWoche-Kolumnist Andreas Gross ist als Mitbegründer der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) ein vehementer Armeekritiker. Er sieht eine Unvereinbarkeit zwischen der Armee als Kampftruppe und der Armee als Katastrophenhelfer. «Die Armee steht für eine ganz bestimmte Form der Konfliktbearbeitung und -lösung, die wenig empathisch und rücksichtsvoll ist.»

In drei Übungstagen zur Praxistauglichkeit

Vielen Menschen graue deshalb vor dem Gedanken, Flüchtlinge durch Militärs betreuen zu lassen. Deshalb sei auch der Aufschrei über das Conex-Szenario derart laut gewesen, sagt Gross. Wer Probleme wie Ressourcenknappheit oder dynamische Flüchtlingsströme ernst nehme, «der weiss, dass die Armee bei deren Bewältigung mehr stört als hilft».

Die wirklich spannende Frage also ist, wie eine Armee aufgestellt sein soll, die sich sowohl für Kampfhandlungen als auch für Hilfsdienste bereit halten muss. Diese beiden Aufgaben unterscheiden sich stark, insbesondere in der Ausbildung. Reicht es aus, wenn die Armee in einer Notlage als reine Personalreserve bereitsteht? Oder müssten gewisse Aufgaben, wie zum Beispiel die Betreuung und Unterbringung von Flüchtlingen, nicht gezielt trainiert werden?

Ueli Maurer erklärte in einem Interview mit der «Ostschweiz am Sonntag», die Soldaten seien nach nur drei Tagen Ausbildung bereit, den Grenzwächtern zur Hand zu gehen.

Für einen Verteidigungsminister, der die Schweizer Truppe auch schon als «beste Armee der Welt» bezeichnete, mag eine solche Einschätzung realistisch wirken. Für alle anderen aber bleibt die Frage: Was wollen wir künftig von der Armee, die uns jedes Jahr fünf Milliarden Franken kostet?

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Der Roadtrip durchs Conex-Land: Die Karte führt durch die Stationen der Conex-Übung. Durch Klicken auf die orangen Punkte können Sie sich die Videos zu jeder Station ansehen.

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