Zehn Aufträge ans Parlament

 

 

Neu bestellt: Der Nationalrat. (Bild: admin.ch)

Gewählt zu werden war ein Klacks gegen das, was unsere Leser von den Parlamentariern verlangen. In der Region und ein bisschen darüber hinaus haben wir uns umgehört, was die Erwartungen an das neue Parlament vor der ersten Session sind.

Das neue Parlament ist bestellt, die erste Session steht bevor. Für die Parlamentarier fängt die Arbeit jetzt an. Wir wollten wissen, was zu tun ist. Die Antwort, die wir erhalten haben, war zunächst oft eine Frage: «Was soll denn neu sein?» Veränderungen traut der Schweizer Politik kaum einer zu.

Überdruss aber fanden wir nicht vor. Dafür unerfüllte Wünsche, Ernüchterung und auch ein wenig Hoffnung. Für neu gewählte, aber auch für alteingesessene zum Mitschreiben: Zehn Aufträge für eine bessere Schweiz. Nach technischen Problemen doch noch online.

 

Energie

Rita Häfelfinger (54)

Rita Häfelfinger

Rita Häfelfinger

wohnt in Riehen und arbeitet als Kauffrau. Sie hat rot-grün gewählt. Sie wollte ihr Elternhaus auf Minergie-Standard umrüsten. Wegen Einwänden, muss sie es abreissen lassen. Jetzt stellt sie ein Fertighaus aus Deutschland hin.

«Vom neuen Parlament verlange ich, dass es den Atomausstieg durchzieht. Und die Politik muss all die Menschen unterstützen, die mithelfen, dass die Energiewende gelingt. Ich und viele andere wollen investieren, doch die Bürokratie bremst diesen Elan. Solarstrom ist in Basel beim Umbau/Neubau schon fast Pflicht, aber mögliche Subventionen müssen mit einem Formularkrieg beantragt werden. Will ich in der Schweiz mein Haus umrüsten, oder gar neu bauen, muss ich unverschämte Preise bezahlen. Die Baumeister lassen sich ihre Dienste wegen der Auftragslage vergolden.»

 Petros Papadopoulos (23)

Petros Papadopoulos

Petros Papadopoulos

wohnt in Oberlunkhofen (AG). Er lässt sich an der ETH zum Nuklear-Ingenieur ausbilden. Petros ist Grieche. Dürfte er wählen, hätte er eine gemischte Liste zusammengestellt. SVP wegen der Energiepolitik, mitte-links bei sozialen und finanzpolitischen Fragen.

«Klar, ich bin enttäuscht, insbesondere von Doris Leuthard. Sie hat opportunistisch gehandelt. Der Ausstieg aus der Atomenergie war ein emotionaler Entscheid. Ein Kurzschluss. Ein reiner Ausstieg, kein Umstieg. Bar jeder Vernunft. Selbst meine Kollegen, die an alternativen Energien arbeiten, sagen mir: Der Wechsel kommt zu früh, wir brauchen noch eine Generation von Kernkraftwerken, bis die Entwicklung der alternativen Energien soweit ist. Woher soll denn der Strom für die klimafreundlichen Wärmepumpen kommen, die derzeit überall eingebaut werden? Aus deutscher Kohle oder aus französischem Atomstrom?»

 

Bildung

Lucia Übersax (28)

Lucia Übersax

Lucia Übersax (Bild: Renato Beck)

ist Redaktorin und Mutter zweier Kinder (6 Jahre und 9 Monate). Sie wohnt in Basel. Gewählt hat sie linksgrün und in den Ständerat Anita Fetz.

«Die Politik soll die Realität erkennen: Es ist üblich, dass heute beide Elternteile arbeiten. Dafür braucht es ein breites und flexibles Betreuungsangebot, das den verschiedenen Bedürfnissen gerecht wird. Doch nicht nur seitens der Betreuungsangebote muss sich was ändern, auch die Wirtschaft ist gefordert. Familienfreundliche Arbeitsbedingungen müssen geschaffen werden, damit Familie und Beruf unter einen Hut gebracht werden kann. Noch gibt es in vielen Berufssparten zu wenig Teilzeitarbeitsmöglichkeiten, was häufig dazu führt, dass sich die Mutter zwischen Kind und Beruf entscheiden muss.»

 Marcel Wittwer (32)

Marcel Wittwer

Marcel Wittwer

ist Musiker und Familienvater aus Strengelbach im Kanton Aargau. Wittwer hat EVP und SVP gewählt.

«Erwartungen hab ich keine mehr. Aber noch Hoffnungen. In der Politik gilt alles Alte als altmodisch. Werte, die über Jahrhunderte unser Leben bestimmten, wie Treue und Loyalität, zählen nichts mehr. Die Politiker sollen sich nicht vom Zeitgeist blenden lassen. Die Kernfamilie muss gestärkt gewerden. Eine Frau sollte sich nicht schämen müssen, Hausfrau zu sein. Eine mütterliche Erziehung bringt gesündere und stärkere Kinder hervor als die beste Kinderkrippe. Ich habe nichts dagegen, dass Krippen unterstützt werden, aber Priorität hat die Familie.»

 

Europa

Matthias Bertschinger (43)

Matthias Bertschinger

Matthias Bertschinger (Bild: Renato Beck)

ist Jurist und Inhaber eines Gartenbaugeschäfts. Er wohnt in Nunningen. Bertschinger ist Mitglied der neuen europäischen Bewegung Schweiz NEBS. Er hat links-grün gewählt.

 «Es ist nicht einfach, im Schwarzbubenland für den EU-Beitritt zu sein. Ich stehe mit meinen Überzeugungen entgegen dem Mainstream. Das braucht Mut. Ich wünsche mir auch von den Politikern mehr Mut. Die Beziehung zur EU ist in einer schwierigen Phase. Europa ist in einem kritischen Zustand, die EU hat Sorgen und wir stehen als Profiteure da, die keine Verantwortung übernehmen. Irgendwann wird die EU die Rechnung präsentieren. Parlament und Regierung müssen die Beziehung zur EU verbindlicher gestalten, statt sich aus opportunistischen Gründen zurückzuziehen. Der Status quo bringt uns in Schwierigkeiten. Wir müssen Souveränität abgeben, um sie nicht zu verlieren.»

Christian Plattner (26)

Christian Plattner

Christian Plattner

ist Werkstattleiter und wohnt in Reigoldswil. Plattner hat für die Zuwanderungs-Initiative der SVP Unterschriften gesammelt und SVP gewählt. Ein Parteimitglied ist er nicht.

«Ich stehe nicht immer auf der Seite der SVP. Aber ihr Programm ist das überzeugendste. Bei der Zuwanderung ist sie die einzige Partei, die vorausschaut. Noch haben wir keine gravierenden Probleme mit der Masseneinwanderung, aber die Unruhe in der Gesellschaft wird grösser. Die Konflikte nehmen zu.
Natürlich kann die Personenfreizügigkeit nachverhandelt werden, das muss getan werden. Ich erwarte vom neuen Parlament, dass es den bilateralen Weg weitergeht. Wir dürfen im Gespräch mit der EU selbstbewusst sein. Wir müssen selber bestimmen, was für die Schweiz am besten ist.»

 

Verkehr

Yasmine Simon (16)

Yasmine Simon

Yasmine Simon (Bild: Renato Beck)

fährt jeden Tag mit dem Bus von ihrem Wohnort Bubendorf nach Liestal an die Fachhochschule. Wäre sie volljährig, hätte sie Mitte-Links gewählt.

«Komme ich zu spät zur Schule gibt’s einen Rüffel. Kommt der Bus zu spät, passiert nichts. Dabei kommt er jeden Tag zu spät. Manchmal zwei Minuten, manchmal zehn, aber wenn ich nach Basel will, verpasse ich den Anschluss. Zu den Stosszeiten ist es noch ärgerlicher, dann ist der 70er so überfüllt, dass ich froh bin, ein Stehplatz zu bekommen. Und trotzdem machen sie Billetkontrollen und verlangen einen Nachtzuschlag. Ich zahle mein U-Abo, ich stehe jeden Morgen pünktlich an der Bushaltestelle, ich habe einen Tagesplan, den ich einhalten will. Die SBB und die Busgesellschaften sollen uns das Leben erleichtern und nicht erschweren.»

Eugen Keller (68) 

Eugen Keller

Eugen Keller

aus Metzerlen ist pensionierter Logistiker und Sektionspräsident des Nutzfahrzeugverbands. Er ist in der FDP, die SVP ist ihm zu radikal, die BDP hält er für überflüssig.

«In der Verkehrspolitik, im Bereich Strasse geht alles viel zu langsam. Die brennenden Probleme werden seit Jahren diskutiert und zerredet. Dabei läuft so vieles falsch: Die jährlichen Einnahmen von 1,5 Milliarden Franken aus der Schwerverkehrsabgabe werden für vieles eingesetzt, aber kaum für den Strassenverkehr. Zudem werden falsche Prioritäten gesetzt: Jetzt streitet man über die Sanierung des Gotthardtunnels, aber dort gibt es nur an 35 Tagen im Jahr Stau – in der Region Basel an 100 Tagen. Ich verstehe auch nicht, wieso die Vignette im Vergleich zur Nutzung von Autobahnen im Ausland so günstig ist. Weshalb subventionieren wir den Durchreiseverkehr bei der Komplexität unserer Autobahnen durch die Alpen?»


Sozialwerke

Christian Vontobel (66)

Christian Vontobel

Christian Vontobel

ist pensionierter Informatiker aus der Basler Verwaltung. Er hat „auch aus Tradition“, wie er sagt, linksgrün gewählt.

«Die Politik muss schnell das Problem mit der Finanzindustrie lösen. Die Bankenfrage ist der Knackpunkt. Die Banken bedrohen unseren Wohlstand. Sie gefährden auch die Altersvorsorge, denn unsere Wirtschaft ist eigentlich stark genug, um die zunehmende Alterung der Bevölkerung zu verkraften und finanzieren. 65 Jahre ist für mich die Obergrenze, um in Pension zu gehen. Für Männer und Frauen. Allerdings sollte es flexible Lösungen geben. Von der Linken bis zur sogenannt Neuen Mitte erwarte ich da Taten. Von den Stimmen, die den Kollaps unseres Rentensystems voraussagen, lasse ich mich nicht beunruhigen. Leistungskürzungen kommen nicht infrage.»

Urs Hasler (63)

Urs Hasler

Urs Hasler

führt ein Malergeschäft in Basel. Zudem ist er im Basler Gewerbeverband engagiert. Gewählt hat er LDP und FDP.

«Die Sicherung der Sozialwerke wird in Bern durch allerlei Lobbyisten blockiert. Es gibt Lösungen. Aber die liegen abseits der gängigen Vorstellungen. Bauarbeiter und Handwerker sind beim besten Willen nicht bis 65 arbeitsfähig. Wer sich mit 60 pensionieren lassen will, sollte bis 65 eine verminderte Rente bekommen, von diesem Zeitpunkt an aber den vollen Satz. Und gegen diesen Abzug könnte er sich versichern lassen. Kreative Ansätze braucht es!»

  

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