Zivilschutz im Asbesteinsatz

Obwohl die Zivilschutzorganisation genau weiss, dass ein Lagergebäude aus ausbesthaltigem Material besteht, lässt sie Basler Zivilschützer das ­Gebäude abreissen. Vergeblich protestieren diese gegen den gefährlichen Einsatz.

Dieser Einsatz gefährdet Ihre Gesundheit: Basler Zivilschützer bei der Arbeit. Im Vordergrund steht die Mulde mit den asbesthaltigen Eternitplatten. (Bild: zVg)

Obwohl die Zivilschutzorganisation genau weiss, dass ein Lagergebäude aus ausbesthaltigem Material besteht, lässt sie Basler Zivilschützer das ­Gebäude abreissen. Vergeblich protestieren diese gegen den gefährlichen Einsatz.

Was in der Dienstsprache harmlos tönt, «Rückbau eines Militärlagers», entpuppte sich als gesundheitsgefährdender Einsatz: Eine Gruppe Basler Zivilschützer fasste vorige Woche den Auftrag, ein altes Militärgebäude in Göschenen am Gotthard abzureissen.

Die Zivilschützer wurden schon bei der ersten Besichtigung des baufälligen ehemaligen Militärlagers stutzig. Sie wollten vom Auftraggeber, dem Göschener Gemeindepräsidenten Felix Cavaletti, wissen, ob die Fassadenplatten nicht etwa aus asbesthaltigem Eternit bestünden. Ja, das sei so, gab dieser unumwunden zu. «Ich sagte ­ihnen: Wer dies nicht mit seinem ­Gewissen vereinbaren könne, sei von dieser Arbeit freigestellt», erklärt Cavaletti gegenüber der TagesWoche.

Zum Schutz vor den krebserregenden Fasern hatte er zuvor in einem Handwerkerladen Mundschutz, Handschuhe und Overalls gekauft. «Sicherheit und Gesundheit sind mein oberstes Gebot. Ich habe mich deshalb intensiv mit dem Thema Asbest aus­einandergesetzt und Schutzmaterial zur Verfügung gestellt», sagt er.

Von den Zivilschützern wollte sich keiner lumpen lassen, alle packten mit an. «In einer Gruppe lässt man die andern doch nicht im Stich», sagt Bruno Müller (Name geändert), der als Zivilschützer im Einsatz stand. Doch längst nicht alle hätten die Schutzbekleidung getragen, weil viele schlicht nicht wussten, was es bedeutet, mit Asbest zu arbeiten.

Fasern in der Luft

Dabei ist die Sanierung von asbesthaltigen Altbauten äusserst gefährlich. Für besonders heikle Arbeiten sind pro Kanton nur eine Handvoll speziell lizenzierter Firmen zugelassen. Die Basler Zivilschützer hingegen sind im zivilen Leben fast allesamt Büroangestellte. Doch ihnen zur Seite stand nicht einmal ein Experte: Keiner überwachte die Arbeiten. Sie wurden sich selbst überlassen. «Obwohl wir sehr vorsichtig zu Werk gingen, zerbrachen einige der riesigen Asbestplatten», erklärte Bruno Müller. Um das Schlimmste zu verhindern und den giftigen Staub zu binden, befeuchteten Fachleute vorher die Platten.

Ein Arbeiter zerschlug die Asbestplatten in der Mulde mit einem Hammer.

Spätestens jetzt wurde es gefährlich. Denn in Eternit gebundenes ­Asbest wird freigesetzt, sobald eine Platte zersägt, durchbohrt, beschädigt oder eben zerbrochen wird. Dann ­gelangen Asbestfasern in die Luft und in die Lunge. Dabei genügen schon kleine Mengen, damit jemand Gefahr läuft, in zehn oder fünfzehn Jahren an der lebensgefährlichen Staublungenkrankheit Asbetose oder an Brustfellkrebs zu erkranken. Die Zivilschützer protestierten am Rapport beim Einsatzleiter gegen den gesundheitsgefährdenden Einsatz. Ohne Erfolg.

Selbst die Klage beim stellvertretenden Chef des Basler Bevölkerungsschutzes, Reto Scacchi, der die Truppe in Göschenen besuchte, blieb wirkungslos. Er habe von den asbesthaltigen Platten gewusst, aber geglaubt, man könne diese einfach abschrauben, ohne sie zerbrechen zu müssen. Die Arbeiten gingen weiter, und es kam noch schlimmer.

Als die Mulde mit den rund vier auf zwei Meter breiten Platten gefüllt war, kam ein Arbeiter der Gemeinde Göschenen vorbei. Um in der Mulde Platz zu schaffen, zertrümmerte dieser die Platten mit ­einem Vorschlaghammer – notabene im Siedlungsgebiet, nicht weit davon entfernt ein Spielplatz, erklärt Zivilschützer Müller. So etwas wie ein GAU: Denn damit dürften die meisten Asbestfasern des Eternits freigesetzt worden sein.

Gefahr falsch eingeschätzt

Geholt hatten die Bergler die Zivilschützer aus der Stadt, weil diese billig arbeiteten. «Wenn wir das Gebäude von einer Firma hätten abreissen lassen müssen, wären uns immense Kosten entstanden», erklärt Gemeindeschreiber Walter Baumann.

Die ­Zivilschutzorganisation Basel-Stadt betont, die WK-Teilnehmer ­hätten «detaillierte Anweisungen» zur Demontage erhalten. Sämtliche mechanische Bearbeitung habe man untersagt. Entgegen der Aussage der Zivilschützer sei das Thema am Rapport nicht angesprochen worden. Der Gemeindearbeiter habe die Platten erst nach Abschluss der Demontagearbeiten zerschlagen.

Bereits vor einem Jahr mussten ein paar Dutzend Zürcher Zivilschützer in Zürich West ein ehemaliges Schrebergartengelände räumen. Auch sie kamen in Kontakt mit asbesthaltigem Baumaterial. Und auch sie beklagten sich, sie hätten vergeblich beim Einsatzleiter protestiert. Letzten Dienstag veröffentlichte Schutz & Rettung Zürich das Ergebnis eines externen Gutachtens. Dieses kommt zum Schluss: Das Kader habe die Gefahrenlage teilweise falsch eingeschätzt, zu wenig genau abgeklärt, wo Asbest vorkommen könnte und wie mit asbesthaltigen Materialien umgegangen werden müsste. Zudem seien teilweise ungeeignete Arbeitsmittel eingesetzt worden.

Die Basler Zivilschützer wollen jetzt beim Kanton vorstellig werden. Vor ­allem wollen sie wissen, was passiert, wenn sie erst Jahrzehnte nach ihrem Einsatz erkranken sollten: Ob sie dann auf den Kanton zählen können oder wieder im Stich gelassen werden.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 06.09.13

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