In einigen Kantonen operieren Chirurgen doppelt so oft wie in anderen. In Basel-Stadt sind die Chancen für einen Eingriff besonders gut, wie ein Vergleich der OECD zeigt.
Bypass-Operationen, Stents, Arthroskopien, Herzkathetereinsätze oder künstliche Kniegelenke: Es hängt längst nicht immer vom Gesundheitszustand der Patientinnen und Patienten ab, ob sie operiert werden, sondern häufig auch vom medizinischen (Über-) Angebot in deren Wohnregion. Die OECD kritisiert «Anreize für möglichst viele Behandlungen» anstelle von Anreizen, welche «die Qualität und gute Behandlungsresultate» fördern.
Je nach Angebot machen Chirurgen doppelt so viele Herzoperationen. In einigen Kantonen operieren Chirurgen doppelt so viele Bypasse, legen doppelt so viele Katheter und machen dreimal so viele Knie-Arthroskopien.
Grosse Anzahl nicht zwingender Operationen
In der kürzlich veröffentlichten Studie «Geographic Variations in Health Care» vergleicht die OECD, wie häufig Chirurgen bestimmte Operationen, die in der Regel nicht dringlich sind, innerhalb von 13 Industrieländern durchführen. Die Unterschiede von Land zu Land und in verschiedenen Regionen innerhalb der Länder sind gross und medizinisch nicht erklärbar. Die Schweiz zählt zu den Ländern mit besonders vielen Operationen pro Einwohner.
Innerhalb der Schweiz bestätigt die OECD bereits früher festgestellte grosse Unterschiede in der Häufigkeit von Operationen, die nicht zwingend sind. In einigen Regionen werden Bypass-Operationen am Herzen viel häufiger durchgeführt als in andern: Chirurgen in den Kantonen Tessin, Basel-Stadt und Uri operieren die dortigen Einwohner mehr als doppelt so häufig wie Chirurgen in den Kantonen Schaffhausen, Genf, Graubünden und Obwalden.
In Basel-Stadt dreimal so viele Knie-Prothesen wie wie in Genf
Auch überdurchschnittlich häufig einen Bypass erhalten Bernerinnen und Berner, Freiburger, Luzerner und Baselbieter. Chirurgen im Kanton Bern unterziehen ihre Einwohner nicht nur überdurchschnittlich häufig einer Bypass-Operation, durchschnittlich häufig einer Stent-Operation, sondern «stark überdurchschnittlich» untersuchen sie auch mit einem Herzkatheter (ohne Einsetzen eines Stents). Ambulant durchgeführte Herzkatheter-Untersuchungen sind von der Statistik nicht erfasst.
Eine Knie-Prothese setzen Orthopäden den Einwohnern der Kantone Bern, Glarus Solothurn und Basel-Land sogar weit über dreimal häufiger ein als Einwohnern der Kantone Obwalden, Jura und Genf.
- Diese kantonalen Unterschiede haben nicht etwa damit zu tun, dass sich in Bern oder Zürich viele Ausserkantonale operieren lassen. Denn die Statistik erfasst den Wohnort der Operierten unabhängig vom Ort der Operationen.
- Auch mit der unterschiedlichen Altersstruktur der Bevölkerung haben die grossen Behandlungsunterschiede nichts zu tun, denn die Statistik berücksichtigt diese mit einer Alters-Standardisierung.
Die Behandlungsunterschiede haben Folgen für die Spitaleintritte. Am wenigsten in Akutspitäler eingewiesen werden Einwohner der Kantone Luzern, Zug und Nidwalden. Das höchste Risiko eines Spitaleintritts haben Einwohner der Kantone Tessin, Waadt, Genf und Jura: In diesen Kantonen mussten über 8700 von 100’000 Einwohnern im Laufe des Jahres 2011 ins Spital, in den erstgenannten Kantonen nur 6000.
Schweizer Unterschiede «relativ gering»
Trotzdem seien die durchschnittlichen Unterschiede innerhalb der Schweiz im Verhältnis von 1:2 im internationalen Vergleich «relativ gering», meint das Gesundheitsobservatorium Obsan, das die Schweizer Statistik der OECD lieferte. Allerdings hat das Obsan die Häufigkeiten von Gebärmutter-, Prostata- und Mandel-Operationen sowie den Einsatz von MRI und CT nicht erfasst, obwohl aus dem Ausland bekannt ist, dass bei diesen Eingriffen die Unterschiede noch viel grösser sind.
In Deutschland zum Beispiel werden Prostata- oder Mandeloperationen in einigen Regionen achtmal häufiger durchgeführt als in andern. Länder wie Holland, Schweden oder Norwegen, die für eine besonders gute Gesundheitsversorgung bekannt sind und für die Schweiz als Benchmark interessant wären, hat die OECD in ihrem Ländervergleich nicht berücksichtigt.
Operationen abhängig von «finziellen Anreizen»
Bei den untersuchten Operationen handle es sich um «Behandlungen, die stark vom medizinischen Angebot abhängen», schreibt die OECD. Ob sie durchgeführt werden, hänge «vor allem von der Dichte an Ärzten oder Spitalbetten» ab oder von «finanziellen Anreizen für möglichst viele Behandlungen» anstelle von Anreizen, welche «die Qualität und gute Behandlungsresultate» fördern. Die Gründe der grossen Behandlungsunterschiede müssten allerdings weiter erfoscht werden.
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Dieser Beitrag erschien erstmals auf infosperber.ch