Wie teuer wird die zweite Gotthardröhre? Gibt es damit weniger Staus? Acht Antworten zur Abstimmung am 28. Februar.
Ein Berg bewegt die Schweiz. Am 28. Februar entscheidet die Stimmbevölkerung, ob ein zweiter Strassentunnel durch den Gotthard gebaut werden soll. Heute gibt es bereits den Eisenbahntunnel, den Strassentunnel und die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (Neat), die voraussichtlich noch in diesem Jahr in Betrieb geht.
Braucht die Schweiz ein weiteres Loch durch den Gotthard? Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zur Referendumsabstimmung:
1. Warum braucht es eine zweite Röhre?
Wegen der Sanierung der ersten Röhre, so das Argument der Befürworter. Der Gotthard-Strassentunnel wurde 1980 fertiggestellt. Der Tunnel für den Schienenverkehr wurde bereits 1882 als Pionierbau in Betrieb genommen.
In den nächsten Jahrzehnten muss der Strassentunnel umfassend saniert werden. Damit er in dieser Zeit nicht teilweise oder komplett geschlossen wird, will der Bundesrat bis zur Totalsanierung eine zweite Röhre bauen.
Laut Abstimmungsbüchlein stimmen wir über die «Sanierung Gotthard-Strassentunnel» ab, dabei geht es in erster Linie um den Bau einer zweiten Röhre. Die Sanierung kommt so oder so.
2. Bis wann muss saniert werden?
Der Bundesrat ging bis vor Kurzem davon aus, der Strassentunnel müsse bis 2025 saniert werden. Ohne Unterhaltsarbeiten könne die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden. Eine erste Sanierung würde laut Bundesratsbericht zu einer Vollsperrung von 140 Tagen führen. Später, wenn die zweite Röhre fertig sei, könne dann die Totalsanierung stattfinden, wozu der Tunnel nochmals während drei Jahren teilweise gesperrt würde.
Nun hat das Bundesamt für Strassen (Astra) im November 2015 einen neuen Bericht veröffentlicht, laut dem der Tunnel problemlos bis 2035 betrieben werden kann. Dazu wären nur kleinere Unterhaltsarbeiten nötig, die in der Nacht durchgeführt werden könnten und deshalb keine Vollsperrung zur Folge hätten.
Es eilt also nicht, sagt der Bericht des Astra. Es bräuchte in den kommenden Jahren zudem weitere Abklärungen. Dass der Tunnel in den nächsten Jahrzehnten totalsaniert werden muss, daran bestehen jedoch keine Zweifel.
3. Was passiert, während der Tunnel wegen Sanierung geschlossen ist?
Während der Totalsanierung müsste der Strassentunnel ungefähr 980 Tage verteilt über dreieinhalb Jahre geschlossen werden, schreibt der Bundesrat in seiner Botschaft von 2013. Damit wäre der Personen- und Schwerverkehr eingeschränkt.
Dieser müsste dann nämlich auf die Bahn verladen werden. Der Bundesrat schlägt eine «rollende Landstrasse» (Rola) vor, die von Erstfeld nach Biasca führt. Das Nein-Komitee spricht zusätzlich von einer Lang-Rola für den Schwerverkehr, mit der die Lastwagen bereits im Raum Basel auf die Schienen verladen würden und die in Lugano oder Chiasso enden würde.
Es ist offen, ob diese Variante umgesetzt würde. Laut Bundesrat ist jedoch klar: Falls die zweite Röhre nicht gebaut wird und der Strassentunnel geschlossen bleibt, können alle Autos und Lastwagen per Bahn durch den Gotthard transportiert werden. Allerdings mit zusätzlichen Kosten.
4. Wie teuer kommt die Sanierung mit und ohne zweite Röhre?
Zwischen Befürwortern und Gegnern herrscht ein Zahlenkrieg. Beide Seiten argumentieren mit den Kosten – die teilweise mit Tricks verzerrt werden – für oder wider die zweite Röhre.
Hier die Zahlen des Bundesrats, der die zweite Röhre empfiehlt, und jene der Gegner:
Kosten (in Mio. Franken) | Bundesrat (mit 2. Röhre) | Bundesrat (ohne 2. Röhre) | Gegner (ohne 2. Röhre) |
Sanierung | 765 | 752 | 650 |
Bau einer zweiten Röhre | 2023 | – | – |
Rollende Landstrasse | – | 780 | 367 |
Sonstige Kosten | – | 16 | – |
Total | 2788 | 1548 | 1017 |
Das Argument der Röhrenbefürworter lautet: Der Unterschied zwischen Sanierung mit (2,8 Milliarden Franken) und ohne zweite Röhre (1,5 Milliarden) sei gering, der Bau eines zweiten Strassentunnels biete sich deswegen an.
Die Gegner rechnen hingegen mit massiven Mehrkosten, die aufgrund einer zweiten Röhre entstünden. Denn die Unterhaltskosten und die Sanierung, die irgendwann anstehen würde, rechne der Bundesrat nicht mit ein.
Alle Zahlen basieren auf Schätzungen. Das Kosten-Argument ist deshalb mit Vorsicht zu geniessen.
5. Gibt es mit einer zweiten Röhre weniger Staus?
Vermutlich nicht. Denn: Wenn beide Röhren vollständig in Betrieb sind – also frühestens 2030 –, sollen sie jeweils einspurig befahren werden, das sagt der Bundesrat heute. Es gäbe dann also gleich viel Stau wie heute.
Die Röhrengegner sagen hingegen, es sei bloss eine Frage der Zeit, bis die zweite Röhre auch doppelspurig befahren werde. Und dann würde der Schwerverkehr zunehmen, da die Schweiz als Transitland attraktiver würde.
Stau oder nicht Stau – die Frage kann ebenfalls nicht abschliessend geklärt werden.
6. Bringt die zweite Röhre mehr Sicherheit?
Ja. Mit einer zweiten Röhre gäbe es keinen Gegenverkehr mehr im Gotthardtunnel. Das bringt mehr Sicherheit.
Die Gegner relativieren das Argument. Man könne eine ausfahrbare Mittel-Leitplanke einbauen. Diese würde ebenfalls die nötige Sicherheit bringen.
Seit 1980 kamen im Strassentunnel etwa 30 Menschen bei Unfällen ums Leben. Die Zahl von Fussgängerunfällen sei ungleich höher – und hier investiere man nichts, sagen die Röhrengegner.
7. Ist eine zweite Röhre verfassungswidrig?
Das behauptete alt Bundesrat Moritz Leuenberger unlängst im «Tages-Anzeiger». Der Alpenschutzartikel verbiete es, die Kapazitäten durch den Gotthard zu erweitern.
Da die zweite Röhre früher oder später doppelspurig befahren würde, sei dieser Bau verfassungswidrig, sagt Leuenberger.
8. Welche Folgen hat die Abstimmung für die Region Basel?
Gewerbeverband und Wirtschaftskammer Baselland warnen, wenn die zweite Röhre nicht gebaut werde, drohe in der Region ein Verkehrschaos. Dann würde nämlich ein Schienenverlad in der Region realisiert, weshalb mehr Lastwagen nach Basel rollen würden.
Die Gegner sagen, das Gegenteil sei der Fall. Der Verlad auf die Schienen würde den regionalen Verkehr entlasten. Zudem würde der Schwerverkehr zunehmen, wenn beide Röhren in Betrieb wären. Der VCS, der für ein Nein weibelt, spricht von einer Verdoppelung des Schwerverkehrs.