0:2 gegen England: Die Fallhöhe der Schweizer Nationalmannschaft

Vladimir Petkovic verliert seine erste Partie als Schweizer Nationalcoach gegen Roy Hodgsons England mit 0:2. Beide Tore im Auftaktmatch der EM-Qualifikation erzielt Danny Welbeck – gegen einen machtlosen Yann Sommer.

Swiss forward Xherdan Shaqiri reacts after losing the UEFA EURO 2016 qualifying match Switzerland against England at the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, Monday, September 8, 2014. (KEYSTONE/Peter Klaunzer) (Bild: Keystone/PETER KLAUNZER)

Vladimir Petkovic verliert seine erste Partie als Schweizer Nationalcoach gegen Roy Hodgsons England mit 0:2. Beide Tore im Auftaktmatch der EM-Qualifikation erzielt Danny Welbeck – gegen einen machtlosen Yann Sommer.

Die Fallhöhe ist erheblich zwischen den Erwartungen, die in diesen Start in die Qualifikation zur Euro 2016 projiziert worden sind, und dem Resultat. Zumal England nach einer enttäuschend verlaufenen WM und mitten im Umbruch stehend mit so wenig Vorschusslorbeeren wie selten zuvor, wie vielleicht noch nie eine Kampagne angegangen ist.

Umso grösser sind Enttäuschung und Ernüchterung über den Vortrag der Schweizer Nationalmannschaft. Die Premiere ist Vladimir Petkovic als Nachfolger von Ottmar Hitzfeld gründlich misslungen. Nicht nur, weil die Partie im mit 35’500 Zuschauern ausverkauften St.-Jakob-Park nach zwei Kontertoren von Arsenal-Stürmer Danny Welbeck verloren ging, sondern weil die Mannschaft nicht den Eindruck hinterliess, Fortschritte zu machen, sondern bekannte Schwächen offenbarte.

Nicht mutig, nicht zupackend genug

Spannend und intensiv war die Partie, weil sie eine Stunde offen war, weil der zweite, entscheidende Treffer erst in der Nachspielzeit fiel, doch spielerisch blieb die Schweiz unter dem Potenzial, das sie auch schon an den Tag gelegt hat. Und dabei hatte Petkovic bis auf den zurückgetretenen Diego Benaglio auf das Personal und Automatismen setzen können, die ihm Hitzfeld hinterlassen hat.

England's forward Danny Welbeck , right, scores the goal for 0-2 next to Swiss midfielder Valon Behrami, center, and Johan Djourou, left, during the UEFA EURO 2016 qualifying match Switzerland against England at the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switze

Englands Matchwinner: Danny Welbeck trifft zum 0:2. (Bild: Keystone/PETER KLAUNZER)

Gegen ein englisches Team, das in der Offensive zwar einige Ausstrahlung besitzt, defensiv aber durchaus verwundbar wirkte, waren die Schweizer in ihrem 4-3-3 nicht mutig genug, nicht zupackend genug und schlussendlich zu fehlerhaft. «Wir waren von Anfang an zu nervös, sind nach einigen Fehlern noch unsicherer geworden und mit ein bisschen Glück mit 0:0 in die Pause gegangen», sagte Petkovic nach seinem Debüt, er sprach von einem «kapitalen Fehler», der zum Rückstand führte, wollte mit seinem Team aber nicht zu hart ins Gericht gehen: «Wir haben phasenweise auch eine gute Schweiz gesehen. Aber das hat nicht gereicht, um ein gutes England zu schlagen.»

Schmeichelhaftes 0:0 zur Pause

Die Schweiz ging schon mit einem schmeichelhaften 0:0 in die Pause. Da war zwar die Chance von Haris Seferovic, glänzend vorbereitet von Xherdan Shaqiri und ebenso grossartig vereitelt von Joe Hart mit einer Fussabwehr. Es war der erste Torschuss der Schweizer nach 32 Minuten gewesen und der einzige vor dem Seitenwechsel.

Die grössere Anzahl Möglichkeiten hatten sich die Engländer erspielt – oder die Schweizer offeriert. Vor allem in der Person Steve von Bergens. Erst mit einem haarsträubenden Fehlpass, in dessen Folge Wayne Rooney mit einem schlappen Abschluss Yann Sommer nicht auf die Probe stellten konnte (15.). Dann liess sich von Bergen von Welbeck übertölpeln, doch dessen Querpass fand weder den freistehenden Raheem Sterling noch Rooney (29.).

Nach einer halben Stunde Anlaufschwierigkeiten spielte die Mannschaft von Vladimir Petkovic ihre beste Phase, doch das letzte Wort vor dem Pausenpfiff hatten wieder die Engländer. Erst bekundete Sommer Mühe mit einem Rooney-Schuss (43.), und den anschliessenden Eckball zirkelte Rooney auf den Kopf von Phil Jones, der seinen Bewacher Johan Djourou abschüttelte wie ein lästiges Insekt. Nur der famosen Reaktion Sommers war es zu verdanken, dass es torlos in die Halbzeit ging.

Inlers kapitaler Fehler

Am Charakter der Partie änderte sich nach Wiederanpfiff nichts Grundlegendes. Jack Wilshere schoss knapp daneben, und Valon Behrami unterlief beinahe ein Eigentor. Dann scheiterte Seferovic mit einer Direktabnahme an Hart. Es war in der 57. Minute der beste Schweizer Angriff über Inler und Shaqiri gewesen, doch der Nackenschlag folgte auf dem Fuss: Aus einer ungenügenden Aktion des enttäuschenden Granit Xhaka und einem Ballverlust des schwachen Captains Gökhan Inler zauberten die Engländer einen Tempogegenstoss aus dem Lehrbuch. Rooney bediente Sterling und der legte ideal für Welbeck auf.

Der Rest war verzweifeltes Anrennen. Der für den fast unsichtbaren Admir Mehmedi eingewechselte Josip Drmic hatte in der 70. Minute schon Joe Hart umkurvt. Der heranfliegende Gary Cahill rettete vor der Linie, der Ball sprang ihm dabei an den Arm, ein Penalty wäre im Bereich des Vorstellbaren gelegen, Drmic war auf das tiefe Zuspiel von Seferovic aber auch aus Abseitsposition gestartet.

Ein Elfmeter blieb den Engländern vom guten türkischen Schiedsrichter ebenso versagt, als Djourou mit einer für ihn typischen Kamikazeaktion Fabian Delph von den Beinen holte (82.). Schliesslich war es erneut Sterling, der in der 94. Minute fast von der Mittellinie den eingewechselten Rickie Lambert lancierte. Dessen Querpass vollendete Welbeck zu seinem elften Tor im Trikot mit den drei Löwen auf der Brust.

Hodgson: «Mussten hart arbeiten»

Gegen England zu verlieren, ist nach wie vor keine Schande, gegen England nicht gewinnen zu können, ist seit 33 Jahren und einem 2:1 in Basel der Standard bei drei Siegen, fünf Unentschieden und nun 19 Niederlagen in der gemeinsamen Länderspielgeschichte. Aber dieser Fehlstart erhöht sogleich den Blutdruck in einer Gruppe, in der die Nicht-Qualifikation für die Endrunde in zwei Jahren in Frankreich fast unvorstellbar erscheint.

Abstimmungsbedarf: Haris Seferovic im Pausengespräch mit Vladimir Petkovic.

Abstimmungsbedarf: Haris Seferovic im Pausengespräch mit Vladimir Petkovic. (Bild: Keystone/PETER KLAUNZER)

Estland hat mit 1:0 gegen Slowenien jedoch schon für eine erste Überraschung gesorgt, Litauen ist mit einem 2:0 in San Marino gestartet und Roy Hodgson darf den Neuaufbau der Three Lions mit Rückenwind weiterführen: «Wir mussten hart arbeiten für diesen Sieg und haben ein Resultat erzielt, das uns weiterhelfen wird.»

Wie gehabt: Auf Shaqiris Geistesblitze angewiesen

Kollege Petkovic dagegen muss einen ersten Rückschlag verarbeiten und über ein paar Justierungen nachdenken, bevor es in Slowenien (9. Oktober) und San Marino (14. Oktober) weitergeht. Die Innenverteidigung mit von Bergen und Djourou bleibt eine Achillesferse, Stephan Lichtsteiner war ein fast wirkungsloser rechter Aussenverteidiger und das zentrale Mittelfeld mit Behrami, Inler und Xhaka kreativ ein Ausfall.

Wie gehabt ist diese Mannschaft auf Geistesblitze von Xherdan Shaqiri angewiesen. Ein paar gute Pässe spielte er, irgendwann verriet seine Körpersprache aber so etwas wie Unzufriedenheit. Mit sich und der Fussballwelt an diesem Abend an seiner alten Wirkungsstätte im St.-Jakob-Park.

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