5:2 gegen Ungarn – Die Schweiz hat richtig Appetit auf die WM

Eine zeitweise entfesselt aufspielende Schweizer Nationalmannschaft liess gegen harmlose Gäste aus Ungarn nichts anbrennen. Xhaka, Frei, Lichtsteiner und zwei Mal Zuber bescherten der Schweiz den höchsten Sieg der Qualifikationskampagne. Weil Portugal gleichzeitig gegen Andorra siegte, kommt es am Dienstag zum Showdown.

Kollektiver Schweizer Jubel: Die Hauptprobe zur «Finalissima» ist geglückt. (Bild: KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)

Vielleicht lag es an der Temperatur des Kessels, der war ja noch warm. Zehn Tage nachdem der St.-Jakob-Park ein glühendes 5:0 zwischen dem FC Basel und Benfica Lissabon erlebt hatte, war die Schweizer Nationalmannschaft zu Gast im «Joggeli» und vermochte aus der Basler Restglut ein ordentliches Feuer zu entfachen. Gleich mit 5:2 wurde der Gast aus Ungarn abgekocht, das letzte Heimspiel der Qualifikationskampagne zur WM 2018 in Russland: Es war ein Augenschmaus!

Die 32’018 Zuschauerinnen und Zuschauer erlebten ein Schweizer Team, das nach acht Siegen in Serie in Sachen Spielwitz, taktischer Überlegenheit und Durchschlagskraft noch einen Zacken zulegte und gegen Ungarn den neunten Dreier in Serie einfuhr.

Und mochten auch nicht ganz alle Rädchen ineinandergreifen wie gewünscht, so war doch zu jedem Zeitpunkt des Spiels das Urvertrauen spürbar, das die Schweizer Nationalmannschaft dieser Tage in die eigene Qualität gefasst hat.

Portugal tankt weniger Moral

Beste Voraussetzungen also, um am Dienstag zur Finalissima in Portugal anzutreten. Zumal der Konkurrent um die direkte Qualifikation zur WM 2018 in Russland mit einem erknorzten 2:0-Sieg gegen den Gruppenletzten Andorra weniger Moral tankte, mit unverändert drei Punkten Rückstand jedoch auf Schlagdistanz blieb.

Granit Xhaka nutzte den Patzer von Ungarn-Goalie Gulacsi zur Schweizer Führung.

Vladimir Petkovic hatte das Team im Vergleich zum Spiel gegen Lettland auf vier Positionen umgestellt. Freuler ersetzte den verletzten Mittelfeldpuncher Behrami, Moubandje kam statt Rodriguez als linker Aussenverteidiger zum Einsatz, Zuber spielte eine Reihe weiter vorne für Mehmedi und im zentralen offensiven Mittelfeld erhielt Fabian Frei den Vorzug vor Dzemaili.

«Ich war selber überrascht, dass ich spielen durfte, das gebe ich ehrlich zu», sagte Frei zur Nominierung, von der er am Morgen des Spieltags erfahren hatte. «Ich war länger nicht dabei, und dass ich ausgerechnet in einem so wichtigen Spiel das Vertrauen des Trainers erhalte, freut mich. Und ich habe ja auch meinen Teil zum Erfolg beigetragen.»

Ein Ex-Basler beim Torjubel. Fabian Frei erzielt seinen ersten Pflichtspieltreffer für die Schweiz.

In der Tat. Es lief die 20. Minute, zwei Zeigerumdrehungen nachdem Granit Xhaka die Schweiz in Front geschossen hatte. Und es war eben jener Xhaka, der kurz darauf den Ball eroberte und via Zuber auf den links postierten Frei spielte. Frei zögerte keinen Augenblick und schloss ab im Stile eines Spielers, der zum Stamm und nicht zum erweiterten Ersatzkader gehört.

«Wenn ich mit dem Mannschaftsbus durch die Stadt fahre, dann weckt das schon alte Gefühle.»

Ex-FCB-Mittelfeldspieler Fabian Frei

Es war Freis erster Pflichtspieltreffer in seinem elften Spiel für die Schweiz. Ein sehenswertes Tor für das es, O-Ton Frei, «keinen besseren Ort hätte geben können als Basel.» Und der ehemalige FCB-Profi in Diensten des FSV Mainz 05 fügte an: «Wenn ich mit dem Mannschaftsbus durch die Stadt fahre, dann weckt das schon alte Gefühle.»

Sechs ehemalige Basler im Einsatz

Mit Frei sollten es bis zur Ende der Partie nicht weniger als sechs Spieler sein, die sich ihre Sporen einst beim FCB abverdient hatten und nun an alter Wirkungsstätte zu glänzen vermochten. Mit Ausnahme von Yann Sommer, der sich beim zweiten Gegentreffer mit einer ungenügenden Abwehr einen Lapsus leistete, präsentierten sich Xhaka, Schär, Shaqiri und die später eingewechselten Embolo und Derdiyok in prächtiger Spiellaune.

Xherdan Shaqiri war gegen die Ungarn glänzend aufgelegt.

Vor allem Shaqiri hatte in beinahe jeder gefährlichen Aktion der Schweizer seine Füsse im Spiel und scheiterte in den ersten 20 Minuten nur an der eigenen Ungeduld: Ein letzter Pass statt des direkten Abschlusses hätte womöglich in der einen oder anderen Situation mehr Erfolg gebracht – zum Preis einer Entschleunigung des Spiels allerdings.

Keine Lust auf Klein-Klein

Und gerade darauf hatte die Schweiz keine Lust. Lieber droschen Shaqiri, Frei oder Zuber die Bälle aus aussichtsreicher Situation direkt in Richtung Tor, anstatt den Gegner mit langen Ballstaffetten zu zermürben. Auch das war augenscheinlich: Die Schweiz spielte auf Zug, war aufsässig im Pressing und schnell im Umschaltspiel. Xhaka, Frei und Zuber reüssierten vor der Pause alle nach Balleroberungen in der Hälfte der Gäste, der zweite Treffer Zubers und das 5:2 durch Lichtsteiner nach der Pause waren dann einfach blitzsauber herausgespielt.

Steven Zuber schoss im fünften Spiel für die Schweiz seine ersten beiden Tore.

Die Ungarn, die dem 4-2-3-1 der Schweizer mit einem 5-4-1 begegneten, liessen das Heimteam zwischen Abwehr und Mittelfeld grosszügig und zulasten mehrerer Distanzversuche der Schweizer gewähren. Der gesperrte Top-Scorer Adam Szalai, der noch im Hinspiel zweimal gegen die Schweiz reüssiert hatte, fehlte an allen Ecken und Enden.

Die Schweiz kennt derweil keine Scorersorgen. Mit den Debütanten Zuber und Frei reihten sich zwei weitere Spieler in den Reigen der mittlerweile 14 Torschützen ein, die in dieser WM-Qualifikationskampagne bereits für die Schweiz getroffen hatten. Diese Unberechenbarkeit könnte ein Vorteil sein im letzten Spiel gegen Portugal, das gegen Andorra bis zur 63. Minute und der Einwechslung Ronaldos kein Tor zu erzielen vermochte. Viel hängt beim Europameister ab von der Performance des Weltfussballers. Vielleicht zu viel, wie Xhaka nach dem Spiel andeutete.

Sonderbewachung für Ronaldo

«Er ist ein kompletter Spieler und kaum zu stoppen», sagte Xhaka nach dem Spiel über Ronaldo. «Aber wir werden alles daran setzen, ihn unwirksam zu machen und wenn es bedeutet, dass wir ihn doppeln müssen.»

Angenommen, Xhakas Matchplan deckt sich mit den Plänen Petkovics. Dann bleiben noch neun Spieler, die am Dienstag (20.45 Uhr) alles daran setzen werden, den Sack zuzuschnüren. Bei den Reiseveranstaltern registriert man ein reges Interesse an Reisetickets nach Portugal. Gut möglich also, dass das Feuer zu St. Jakob auch im Süden glüht.

Nächster Artikel