7 Antworten auf Fragen zur Nationalmannschaft, die jetzt auf den Nägeln brennen

Wir enthüllen, wer der erfolgreichste Nationaltrainer aller Zeiten ist, raten, wem man nun bei der WM die Daumen drücken sollte, verraten, was unter Hitzfeld-Nachfolger Vladimir Petkovic anders wird, und warum es fast unmöglich ist, sich nicht für die Euro 2016 zu qualifizieren.

Versammelt um das Lagerfeuer der Nationalmannschaft: Fans beim Public Viewing in Zürich. Und was jetzt, nach dem Ausscheiden? Wir wissen Rat.

(Bild: Keystone/WALTER BIERI)

Wir enthüllen, wer der erfolgreichste Nationaltrainer aller Zeiten ist, raten, wem man nun bei der WM die Daumen drücken sollte, verraten, was unter Hitzfeld-Nachfolger Vladimir Petkovic anders wird, und warum es fast unmöglich ist, sich nicht für die Euro 2016 zu qualifizieren. Ausserdem: Ein paar Tipps, auf was man sich jetzt trotz WM-Aus freuen kann.

Ist Ottmar Hitzfeld der erfolgreichste Nationaltrainer, den die Schweiz je hatte?

Das kommt ein wenig auf den Blickwinkel an.

  • Die Antwort ist Ja, wenn wir dem Unterhaltungskonzern Ringier glauben, der einerseits den «Blick» herausgibt («Danke, GOTTmar Hitzfeld! Der erfolgreichste Nati-Trainer tritt ab»), andererseits Hitzfeld als Berater in Lohn und Brot hält.
  • Die Antwort ist Nein, wenn wir die Statistik konsultieren. Ottmar Hitzfeld kommt in seiner Amtszeit als Nationaltrainer in 61 Spielen auf einen Schnitt von 1.77 Punkten. Damit gehört er zu den erfolgreichsten, ist aber nicht der erfolgreichste. Roy Hodgson, der die Schweiz an die WM 1994 in die USA geführt hatte, kommt in 41 Spielen auf einen Punktschnitt von 1.78. Und unerreicht davor liegt das Trainertrio Duckworth/Kürschner/Hogan, das die Schweiz an den Olympischen Sommerspielen 1924 zur Silbermedaille geführt und dabei einen Punkteschnitt von 2.44 verbucht hat. Die meisten Siege mit der Schweizer Nationalmannschaft hat übrigens Köbi Kuhn eingefahren (32, Hitzfeld kommt auf 30).

Wir halten fest: Ottmar Hitzfeld ist der dritterfolgreichste Schweizer Nationaltrainer und der erfolgreichste Schweizer Nationaltrainer aller Zeiten, der bei Ringier unter Vertrag stand. 

Was ist von dem ganzen Hype, um die Nationalmannschaft zu halten?

Seien wir mal ehrlich: Es ist eine Momentaufnahme. Sooo irrsinnig fährt die Schweizerin und der Schweizer auf die «Nati» auch wieder nicht ab, wie uns das hier und da weisgemacht wird. Tolle Sache, wenn sich die Nation während der WM vor den TV-Geräten versammelt wie um ein Lagerfeuer, aber in diesen Breitengraden geht das Leben am Tag nach dem Ausscheiden noch normaler weiter als anderswo. Und alsbald wird der SFV wieder Mühe haben, ein Stadion voll zu bekommen.

Daran ändert auch nichts, dass in den Medien das Wir-Gefühl befeuert wird. «Wir sind stolz auf euch» und «Ottmar, wir danken dir» posaunt der «Blick». Aber wer sind «wir» eigentlich? «Nur einen Herzschlag vom Glück entfernt waren wir» fiebert es in «10 vor 10», und die «Aargauer Zeitung» (oder «bz Basel», wie auch immer) kommt auf der Titelseite mit einem anbiedernden «gross ist unser Stolz» daher. Geschenkt. Aber Vorsicht: Schon färbt es ab. Noch dieses Jahr stimmt das Volk ab über die zur Initiative: «Rettet unser Schweizer Gold».

Hat die Schweiz in Brasilien das Maximum herausgeholt? Und was kommt an Talenten nach?

Sagen wir’s mal so: Man hätte statt zwei eher defensiven Mittelfeldspielern für zwei eher offensive Spieler gegen Argentinien auch den nach der ersten Halbzeit gegen Ecuador abservierten Valentin Stocker einwechseln können. Der weiss, wo, es am Pfosten vorbei ins Tor geht. Sprich: Noch ein bisschen mehr Mut, das hätte dieser Mannschaft gut angestanden.

Item. In der Schweizer U21 spielen durchwegs Jungs mit Super-League-Erfahrung inklusive des blutjungen Embolo (Basel), den man jetzt mal schleunigst einbürgern sollte. Das aktuelle Aufgebot der U19 liest sich auszugsweise so: Gonçalves (Basel), Mbabu (Newcastle), Gazzetta (Carouge), Hasanovic (Servette), Tarashaj (GC), Ming Yang Yang (Lausanne). Welchen Weg diese Talente nehmen, wird sich weisen. Und, ja: Es gibt auch veranlagte Spieler mit reinem Schweizer Stammbaum, falls sich jemand deshalb Sorgen machen sollte.

Hochveranlagter Spieler, schleunigst einzubürgern: Breel Donald Embolo, 17-jährig, vom FC Basel. (Bild: Keystone)

Hochveranlagter Spieler, schleunigst einzubürgern: Breel Donald Embolo, 17-jährig, vom FC Basel. (Bild: Keystone) (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Wem sollen wir denn jetzt an dieser WM die Daumen drücken?

Ganz einfach: Belgien und Kolumbien. Also den nächsten beiden Kleinen, die in einer Verlängerung oder in einem Penaltyschiessen herzzerreissend und ungerechtfertigterweise scheitern werden.

Wird jetzt unter Vladimir Petkovic alles anders?

Nun, viel Zeit bleibt dem Nachfolger von Ottmar Hitzfeld als Nationaltrainer nicht. Sein erstes Spiel am 8. September (in Basel) ist auch gleich das erste Qualifikationsspiel zur Euro 2016 – und das gegen England.

Wirft Petkovic allerdings nicht alles über den Haufen, was ihn als Trainer der Young Boys ausgemacht hat, dann dürfen wir uns auf «diese Nummer-Acht-Bewegung» im Angriff freuen, die Petkovic im Dokumentarfilm «Meisterträume» vergeblich seinem neuen Stürmer Giuseppe Morello zu erklären versucht: «Dieser kommt da, den Ball zu suchen, der kommt da, dann kommt so, dann kommt so.»

Ausserdem würde es nicht überraschen, wenn Petkovic hinten auf eine Dreierkette umstellt, was zum Beispiel Rechtsverteidiger Stephan Lichtsteiner entgegen kommen könnte.

Mit Garantie ändern wird sich, dass der «Blick» die Samthandschuhe ausziehen wird, mit denen er Hitzfeld jeweils angefasst hat. Ein 1:2 gegen Luxemburg oder ein 0:0 gegen Honduras sollte sich Petkovic lieber nicht erlauben. Zumindest so lange, als er noch keinen Vertrag mit Ringier unterschrieben hat.

Wird die Qualifikation zur Europameisterschaft 2016 schwierig?

Schwierig wird es eher, an dieser EM nicht teilzunehmen. 53 Mannschaften spielen um nicht weniger als 23 freie Plätze an der Endrunde in Frankreich. Eigentlich würde also eine K.o-Runde reichen, um die Teilnehmer zu finden. Bloss, dass das weniger TV-Gelder generieren würde.

In der Schweizer Gruppe wartet als harter Brocken England. Und dann kommen mit Slowenien, Litauen, Estland und San Marino vier Gegner, die zusammengerechnet in ihren bislang 456 Pflichtspielen im Schnitt 0,8 Punkte gewonnen haben.

Weil an der Endrunde 2016 erstmals 24 Mannschaften dabei sind, kann sich die Schweiz mit dieser Mannschaft sogar Hoffnungen machen, erstmals seit 1954 wieder einen Viertelfinal an einem grossen Turnier zu erreichen.

Europameisterinnen und vielleicht auch bald Weltmeisterinnen? Die Schweizerinnen Julia Gross, Judith Wyder und Sabine Hauswirth (von links) jubeln über Staffel-Gold jüngst Portugal.

Europameisterinnen und vielleicht auch bald Weltmeisterinnen? Die Schweizerinnen Julia Gross, Judith Wyder und Sabine Hauswirth (von links) jubeln über Staffel-Gold jüngst Portugal. (Bild: Athletix/Martin Schmocker) (Bild: ATHLETIX/MARTIN SCHMOCKER)

Auf was kann man sich denn nun, wo die Nationalmannschaft geschlagen heimgekehrt ist, überhaupt noch freuen?

Da wäre zunächst mal Wimbledon und die verlässliche Grösse Roger Federer. Ein achten Sieg auf dem heiligen Rasen und schon schwingt die Sport-Nation wieder oben aus. Fabian Cancellara fährt ab Samstag die 101. Tour de France (Start in Leeds), weil er das aber eher widerwillig tut («Die Tour habe ich gesehen») und es keinen Prolog (Cancellara-Spezialität) gibt, sollte man keine allzu grossen Hoffnungen wecken. Ganz, ganz anders sieht es dagegen aus, wenn gleichentags in den norditalienischen Provinzen Trentino und Venetien die Weltmeisterschaft im Orientierungslauf beginnt. Nur mal so zu Erinnerung: Platz 3 im ewigen Medaillenspiegel mit 36 Goldmedaillen – die Schweiz. Voilà.

Tja, und dann, kaum ist der WM-Final am 13. Juli gespielt, geht es sechs Tage später in der Schweiz schon wieder mit der Super League los. Wenn das nicht blendende Aussichten sind.

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