Der Eritreer Tadesse Abraham setzt seine Siegesserie im Wochenrhythmus fort und gewann nach Martigny und Bulle auch am Basler Stadtlauf. Bei den Frauen triumphierte die Kenyanerin Jane Muia zum dritten Mal in Folge. Und auch Schweizer brillierten.
Er flog beim fünften Mal die Freie Strasse hinunter: raumgreifend die Schritte, atemberaubend die Kadenz: Tadesse Abraham. Als er sich von den letzten Konkurrenten endgültig gelöst hatte und ihm der Triumph nicht mehr zu nehmen war, reckte der 29-jährige, in Genf lebende Eritreer die Arme gegen den Himmel. Die Siegerpose, mit der er die Ziellinie auf dem Marktplatz querte, sprach Bände. Eine Riesenfreude. «Grossartig», sagte er, «Basel ist ein lang gehegtes Ziel gewesen, und endlich hat es geklappt.»
Der Form war sich Tadesse Abraham gewiss. Nach dem Toronto Marathon Mitte Oktober in 2:12-Stunden gelang es ihm, die Form zu halten. In einer beneidenswerten Verfassung präsentiert er sich nun auf den Schweizer Strassen. «Stark, wie er Druck machen kann und mit den Gegnern spielt», lobte Viktor Röthlin seinen Trainingspartner. Abrahams Respekt vor dem Rennen gebührte vor allem Bernard Matheka. Der 23-jährige Kenyaner stellte für ihn die grosse Unbekannte dar. «Mit allem» habe er gerechnete.
Abraham, der Chef
Doch Abraham übernahm sogleich die Chefrolle. Und er hielt sich an die Abmachung. Beim Einlaufen mit Röthlin hatte er genickt, als ihn der Obwaldner Marathon-Europameister bat: «Tadesse, wenn du für einen moderaten Anfangsrhythmus sorgen kannst, bin ich dir dankbar.» Vergleichsweise gemütlich ging’s los. «Für mich ideal», wie Röthlin später festhielt. Bis Abraham anzog, sich das Feld dezimierte und Röthlin als einer der ersten hatte abreissen lassen müssen. «Es war spannend, von hinten zu beobachten, wie Tadesse anzog und das Spitzenfeld immer kleiner wurde.»
Röthlin freut sich über Startschuss zu Olympia
Röthlin erreichte das Ziel an 13. Position – hinter elf Afrikanern, hinter dem Berner Post-Cup-Leader Philipp Bandi (8.) und hinter Clint Perret, dem in Basel lebenden australischen Topläufer (12.). «Hoch erfreut» zeigte sich Röthlin. Nur knapp drei Wochen nach dem New York Marathon sprach er «von einem Versuch, wie ich ihn in meiner langen Karriere noch nie gewagt hatte». Und er erhielt das Gefühl der Vorwoche bestätigt: «Ich hatte mich grossartig erholt.» Dennoch hat ihn seine Leistung überrascht. Einen Kilometerschnitt zwischen 3:10 und 3:20-Minuten traute er sich zu. Jetzt lief er die 10 welligen Kilometer in 29:53-Minuten. «Unter 3-Minuten für den Kilometer, das ist unglaublich», strahlte er. Ihm fehlte der Anhaltspunkt vom Training: «Seit New York habe ich mich praktisch nur erholt.»
Als «Startschuss für die Olympia-Saison» wollte Röthlin «diesen Aufsteller» verstanden wissen. Fortsetzen wird er diese mit einem weiteren Wettkampf-Vergleich am Zürcher Silvesterlauf am 11. Dezember. Nach Weihnachten führt die Reise ins Trainingslager nach Kenya – zusammen mit Abraham.
Bandi ohne Speederlebnis
Weniger Begeisterung zeigte Philipp Bandi, der das Ziel fünf Ränge oder 22 Sekunden vor Röthlin erreichte. «Mir glückte nicht die Leistung, die ich mir wünschte», sagte er und erklärte: «Den fünften Gang konnte ich einlegen, nicht aber den sechsten.» Und so fehlte das «Speederlebnis». Beunruhigend empfindet er dieses Abschneiden aber nicht: «Ich darf meinen Aufbau ruhig weiterziehen.»
Nicht zufrieden und nicht in der Verfassung von Bulle eine Woche zuvor präsentierte sich der Basler Clint Perrett. Mit Platz 11 musste sich der Münchensteiner abfinden. «Mir rebellierte von Beginn an der Magen, so dass ich mich nie aufs Wesentliche konzentrieren konnte.»
Muias Spiel, Morcelis Vorgabe
Noch überragender als bei den Männern Abraham setzte sich bei den Frauen Jane Muia (Ken) durch. Die 3,8 Sekunden Vorsprung nach den 7,8 km verdeutlichen die Überlegenheit zu wenig. «Jane blickte sich ständig um und es schien als spielte sie mit uns», sagte Patricia Morceli, die im Endkampf chancenlos war. Trotzdem ist die Chamerin zufrieden: «Ich wählte das Risiko und lief mit Jane und Tsige Worku mit», sagte sie. Eine Woche zuvor noch hatte sie sich das nicht zugetraut.
Bis zum Endkampf hielt sich Morceli in dieser Dreiergruppe. Und als sie zum Endkampf in die Freie Strasse einbog, erinnerte sie sich an das, was sie zuvor ihren – ebenfalls am Stadtlauf teilnehmenden – Kindern Abudarani (12) und Aisha (10) geraten hatte: «Lasst es donnern, da geht es nur noch hinunter und nicht mehr weit.»
Mit ihren Leistungen setzten sich Bandi und Morceli im nationalen Post-Cup durch. Damit stärkten sie ihre Führungsposition im Zwischenklassement. Die endgültige Entscheidung fällt am zweiten Dezember-Sonntag beim Silvesterlauf in Zürich.