Am Ende fehlt Wawrinka die Substanz

Schon beim ersten grossen Turnier des Jahres hat Stan Wawrinka gesundheitliche Probleme und scheitert nach drei Stunden und 45 Minuten in fünf Sätzen am Kanadier Milos Raonic. Der knapp 31-jährige Schweizer verpasst damit erstmals seit den French Open 2014 den Sprung in ein Grand-Slam-Viertelfinale.

Canada's Milos Raonic (R) and Switzerland's Stan Wawrinka speak at the net after Raonic won their fourth round match at the Australian Open tennis tournament at Melbourne Park, Australia, January 25, 2016. REUTERS/Tyrone Siu

(Bild: Reuters/TYRONE SIU)

Schon beim ersten grossen Turnier des Jahres hat Stan Wawrinka gesundheitliche Probleme und scheitert nach drei Stunden und 45 Minuten in fünf Sätzen am Kanadier Milos Raonic. Der knapp 31-jährige Schweizer verpasst damit erstmals seit den French Open 2014 den Sprung in ein Grand-Slam-Viertelfinale.

Einen neuen Spitznamen hatte Stan Wawrinka schnell weg, als er sich vor gut einer Woche in sein Grand-Slam-Abenteuer in Melbourne stürzte. «Stabilo-Stan» schien ja auch in jeder Hinsicht zu passen: Schrillbuntes Outfit, so grell und auffällig wie ein Textmarker. Dazu auch noch die Stabilität, die er selbst in seinem Paradiesvogel-Outfit ausstrahlte, ein Mann, der sich früh im Turnier scheinbar durch nichts und niemand aus der Ruhe bringen liess.

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Doch als am Montagnachmittag Wawrinkas Australian-Open-Mission zum Stillstand gekommen war, in den Turbulenzen einer 4:6, 3:6, 7:5, 6:4 und 3:6-Niederlage gegen den Kanadier Milos Raonic, da war klar: Besonders rosig hatte die Welt des Romand down under nie wirklich ausgesehen.

Von der ersten Minute des Major-Turniers habe er mit körperlichen Problemen zu tun gehabt, sagte Wawrinka geschlagen und abgeschlagen nach seinem Knockout: «Es war nicht leicht, das durchzustehen. Ich wundere mich selbst ein bisschen, wie weit ich gekommen bin.»



<p>Switzerland's Stan Wawrinka hits a shot during his fourth round match against Canada's Milos Raonic at the Australian Open tennis tournament at Melbourne Park, Australia, January 25, 2016. REUTERS/Thomas Peter</p>

Quietschorangegelb: Stan Wawrinkas Qutfit bei seinem ersten Grand-Slam-Einsatz 2016 in Melbourne. (Bild: Reuters/THOMAS PETER)

Wobei das gewiss auch noch einmal für den Schluss-Akt gegen Raonic galt, in dem sich Wawrinka wider alle Widrigkeiten zurück in die vermeintlich schon entschiedene Partie fightete – und überraschend dann ein Verdikt erst im fünften Satz erzwang. «Ich habe alles Mögliche gegeben, bin ans Limit gegangen. Aber es hat dann doch nicht gereicht», sagte der 30-Jährige, der erstmals seit den French Open 2014 den Sprung in ein Grand-Slam-Viertelfinale verpasste.

Die fehlende Lösung gegen 200-km/h-Aufschläge

Vor der Partie gegen den gefürchteten Aufschlagkanonier hatte Wawrinka verkündet, er gehe zuversichtlich ans Werk, «schliesslich habe ich bisher noch immer eine Lösung gefunden gegen Raonic.» Das schien im Nachhinein eher ein taktisches Spielchen gewesen zu sein, eine Spur Zweckoptimismus vielleicht auch – alles, um den eigenen, angegriffenen Gesundheitszustand zu verschleiern.

«Es ist einfach ein Problem, in dieser Verfassung einen Grand Slam zu bestreiten.»
Stan Wawrinka über seinen Gesundheitszustand

«Es war schwer, sich von den Strapazen der vergangenen Matches zu erholen, sich auch mal auszuruhen», sagte Wawrinka, «es ist einfach ein Problem, in dieser Verfassung einen Grand Slam zu bestreiten. Und am Ende noch mal zuzulegen.»

Unter Druck stand Wawrinka praktisch vom ersten Ballwechsel gegen Raonic, diesen sehr methodischen, manchmal aber auch sehr mechanisch operierenden Gegner. Der 25-Jährige mit dem Heintje-Gesicht hat sein Spiel zwar in letzter Zeit variabler entwickelt, aber viel hängt bei ihm noch immer von seinem markigen Aufschlag ab – von einem Service, das fast regelmässig mit über 200 Stundenkilometern übers Netz fliegt.

Gegen Raonic muss für jeden Gegner wenigstens das eigene Service passen und stimmen: Denn sonst fehlt eine gewisse Grundsicherheit, um entschlossen die paar Chancen zu einem Break zu nutzen. Und genau da lagen Wawrinkas Probleme: Raonic konnte sich eisern auf sein Service verlassen, und er selbst, Stan, the Man, wackelte und wankte ein ums andere Mal bedenklich.

Im fünften Satz fehlte die Energie

So geriet er auf die schiefe Bahn, weiter und weiter, verlor die ersten beiden Sätze klar. Und kam erst mit dem Break zum 5:5 im dritten Satz, schon kurz vor dem Knockout, noch einmal zu einem unverhofften Comeback. Das Match ging in die Verlängerung, nun mit der optimalen Versuchsordnung für Wawrinka: Überwiegend problemlose eigene Aufschlagspiele – und ein leicht angeknackster Raonic, der weniger Asse und Service-Winner produzierte.



Canada's Milos Raonic reacts during his fourth round match against Switzerland's Stan Wawrinka at the Australian Open tennis tournament at Melbourne Park, Australia, January 25, 2016. REUTERS/Thomas Peter

Wilde Entschlossenheit: Milos Raonic, der Aufschlagkanonier im Tennis-Zirkus. (Bild: Reuters/THOMAS PETER)

Aber Wawrinka hatte gleichwohl viel Substanz in der Aufholjagd verschossen, und diese Energie fehlte ihm im fünften, alles entscheidenden Satz. Wo die Kraft nicht mehr da war, ging auch die Konzentration flöten – Konsequenz war das Break zum 2:4, die Vorentscheidung gegen den Schweizer.

Eine Niederlage gegen den eigenen Körper

Eine Frage durfte man sich auch stellen, nicht nur mit Blick auf Wawrinka, sondern auch auf viele andere, früh in der Saison angeschlagene, erkrankte und lädierte Profis. Nämlich, ob diese körperlichen Probleme vielleicht auch mit den späten Engagements in der Schaukampfserie IPTL zu tun hatten, mit dem Herumjetten über die Kontinente und durch die Zeitzonen, fast noch bis vor Weihnachten.

So richtig abgeschaltet hatten die Beteiligten an diesem Juxzirkus jedenfalls nicht. Wawrinka holte in der Anfangseuphorie des neuen Jahres den Titel in Chennai, doch dort, wo er wirklich aufzutrumpfen hatte, wollte er zwar schon. Konnte er aber am Ende nicht mehr. Die Australian Open endeten mit einer Niederlage gegen Raonic, aber auch gegen den eigenen Körper.

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