Andy Murray übersteht die zweite Runde an den French Open, doch zufrieden ist er deswegen nicht. Eine Aufzeichnung der Selbstgespräche von Tennisspielern, die gerne auch mal in der dritten Person Einzahl von sich sprechen.
Andy Murray bittet seinen australischen Kontrahenten um eine kurze Unterbrechung. Mit zwei Fingern löst der schottische Tennisprofessional ein Insekt von seinem neongrünen Shirt und schenkt ihm die Freiheit, indem er es von seiner Handfläche bläst; eine liebevolle Geste der Weltnummer acht, die auf der Tour eher für harte Arbeit als für filigranes Tennis bekannt ist.
Es ist einer der wenigen harmonischen Momente auf dem Court numéro 1 an den French Open 2014, denn der letztjährige Wimbledonsieger hadert mit dem Gegner – und mit sich selbst. Auch wenn Murray die Zweitrundenpartie gegen Marinko Matosevic deutlich mit 6:3, 6:1, 6:3 für sich entscheidet; immer wieder findet er Gründe zur Selbstkritik.
Er wählt dabei einerseits ironische Worte, wenn er weit ins Aus geschlagene Bälle kommentiert: «Yes, good shot man!» und immer wieder «oh yeah, nice!». Andererseits geht er unmissverständlich mit sich selbst ins Gericht: «How can you miss that ball, that’s basic! Idiot!»
Murray und die dritte Person Einzahl
Das bemerkenswerte Detail: Murray braucht in diesen Gesprächen immer wieder seinen eigenen Namen: «Andy, don’t miss that ball!» Und mit Fortdauer der Partie, die längst entschieden scheint, wird er unkonzentrierter. Der Schotte merkt es und setzt zum Höhepunkt seiner Selbstgespräche an: «This Murray is lazy!», kommentiert er in der dritten Person Einzahl.
Der Klassiker unter den Selbstgesprächen: Tommy Haas während einer Pause im Achtelfinal der Australian Open 2007 gegen Nikolai Dawydenko
Zwar bieten die ersten Runden der French Open noch nicht die Duelle zwischen den Grossen des Geschäfts. Die Professionals machen sich vor allem mit den Verhältnissen auf der Pariser «Terre battue» vertraut. Aber diese Partien ermöglichen tiefe Einblicke in die Welt der Spieler: Umgeben von tausenden von Zuschauern und doch alleine auf dem Platz suchen sie das Heil in Selbstgesprächen.
«Oh fuck me! He’s doing that every time!»
Das trifft auf den australischen Gegner gleichermassen zu wie auf das Aushängeschild des britischen Tennis. Matosevic hadert mit Murray, der seinen zweiten Service konsequent angreift: «Oh fuck me! He’s doing that every time!» Ihm fehlen die Mittel im Duell mit dem Schotten, gegen Ende der Partie funktioniert nichts mehr beim Australier: «Alles, was ich versuche, jede einzelne Idee…» Die Nummer 66 der Weltrangliste beendet den Satz nicht – und sagt doch alles.
Mögliches Duell mit der formvollendeten Rückhand
Matosevic scheidet aus und Murray trifft in der dritten Runde auf den Deutschen Philipp Kohlschreiber. Sollte das Turnier für den Schotten danach weitergehen, wird er nicht mehr auf dem Nebenplatz, sondern auf dem Centercourt Philippe Chatrier spielen: Nämlich dann, wenn der Franzose Richard Gasquet gegen den Spanier Fernando Verdasco seine Drittrundenpartie ebenfalls überstehen sollte. Es käme im Achtelfinal zum Duell der beiden Topspieler: Gasquet gegen Murray.
Gegen den Franzosen mit der formvollendeten einhändigen Rückhand, der in der zweiten Runde den Argentinier Carlos Berlocq 7:6(5), 6:4, 6:4 bezwang, würden Murrays Zwiegespräche wohl weitergehen. Doch spätestens in dieser Partie würden die Zuschauer davon nichts mehr mitkriegen. Denn das frenetische französische Publikum würde den Murray in der dritten Person Einzahl übertönen.