Atlético gegen Bayern – das verspricht wenig Freundlichkeiten

Atlético Madrid mit seinem impulsiven Trainer Diego Simeone pflegt einen Fussball mit Haken und Ösen und kleinen Gemeinheiten. Im Titelrennen in Spanien mit Barcelona Kopf an Kopf, geht es jetzt in den historisch befrachteten Halbfinal der Champions League gegen Bayern München.

Football Soccer - Atletico Madrid v FC Barcelona - UEFA Champions League Quarter Final Second Leg - Vicente Calderon Stadium - 13/4/16 Atletico Madrid coach Diego Simeone Reuters / Juan Medina Livepic EDITORIAL USE ONLY.

(Bild: Reuters/Juan Medina)

Atlético Madrid mit seinem impulsiven Trainer Diego Simeone pflegt einen Fussball mit Haken und Ösen und kleinen Gemeinheiten. Im Titelrennen in Spanien mit Barcelona Kopf an Kopf, geht es jetzt in den historisch befrachteten Halbfinal der Champions League gegen Bayern München.

Die Fans von Atlético Madrid verabschiedeten ihre Mannschaft mit einem klaren Auftrag aus der Abendsonne des Estadio Vicente Calderón. 42 Jahre haben sie gewartet. 42 Jahre seit jenem Weitschuss von Bayern Münchens Katsche Schwarzenbeck, der im Europapokalfinale der Landesmeister 1974 in der letzten Minute der Verlängerung den Spaniern noch den Titel entriss. «Gewinnt am Mittwoch», stand auf dem Transparent, das sie nach Spielschluss entrollten: «Für unsere Vorväter».

Die Halbfinals der Champions League

Dienstag, 25.4., 20.45 Uhr:
Manchester City–Real Madrid
Mittwoch, 26.4., 20.45 Uhr
Atlético Madrid–Bayern München

Die Münchner erwartet im Champions-League-Halbfinale ein revanchelüsternes Ambiente, das ist ebenso klar wie der Umstand, dass sie einem Fussball mit Haken und Ösen begegnen werden.

Atléticos enger 1:0-Sieg am Samstag gegen das ähnlich robuste Málaga bot insofern typischen Anschauungsunterricht für ortsübliche Gepflogenheiten. Etwa als Málaga gegen Ende der ersten Halbzeit einen gefährlichen Konter entlang der Seitenlinie mit den Trainerbänken startete und plötzlich ein zweiter Ball auf das Spielfeld geflogen kam.

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Nichts, was man im Calderón noch nie gesehen hätte. Ungewöhnlich waren eher die Konsequenzen. Vor dem Gang in die Kabinen rief Schiedsrichter Mateu Lahoz den Atlético-Coach Diego Simeone zu sich – und erklärte ihm, warum er die zweite Halbzeit auf der Tribüne verfolgen müsse.

Chefideologe Simeone gibt sich demütig

Wird ein Ball aus Richtung der Trainerbank auf den Platz geworfen und kann der Urheber nicht eindeutig identifiziert werden, muss sich der Cheftrainer die Aktion zurechnen lassen – so steht es in den Statuten. «Der Schiedsrichter hat das Reglement korrekt angewendet», bestätigte Simeone später demütig und verriet zum Tathergang: «Es war der Junge neben uns.»



Football Soccer - Spanish Liga BBVA- Atletico Madrid v Malaga - Vicente Calderon stadium, Spain - 23/04/16. Atletico Madrid's coach Diego Simeone sits in the tribune during the match. REUTERS/Juan Medina

Für eine kleine Gemeinheit büssen: Atlético-Trainer Diego Simeone, gegen Malaga auf die Tribüne des Stadions Vicente Calderon verbannt, wo am Mittwoch Bayern München in der Champions League empfangen wird. (Bild: Reuters/JUAN MEDINA)

Nicht präzisieren wollte er hingegen, ob er dem Ballkind explizit den Auftrag dazu erteilt hatte, wie einige Fernsehaufzeichnungen nahezulegen scheinen. Aber das ist letztlich auch gar nicht so entscheidend.

Denn wo bei Atlético alle in eine Richtung «eingestielt» sind, wie Simeone selbst kürzlich nach dem Viertelfinal-Triumph gegen Barcelona sagte, handelt sowieso jeder nach dem – vermuteten – Willen von ihm, dem unbestrittenen Ideologen der aktuellen Erfolgsära.

Eine Sperre auf der Zielgerade droht

«Hoffentlich geht die Strafe nicht allzu lang», fügte Simeone noch hinzu. Am Dienstag, ein Tag vor den Bayern, wird der Verband wohl darüber entscheiden, und an sich ist die Norm auch in diesem Punkt eindeutig: drei Spiele Mindestsperre. Exakt so viele, wie noch fehlen in Spaniens titanischem Meisterkampf mit Barcelona (82 Punkte) vor Atlético (82) und Real Madrid (81).

Bei Punktgleichheit mit den Katalanen zieht Atlético aufgrund des verlorenen direkten Vergleichs den Kürzeren, ein Remis gegen Málaga wäre da fatal gewesen. Aber das verhinderte ein anderer Junge von der Bank – der eingewechselte Ángel Correa, der mit einem abgefälschten Schuss traf und danach dem mittlerweile diensthabenden Co-Trainer «Mono» Burgos in die Arme fiel.

Simeones verlängerter Arm

Simeones kongenialer Landsmann hatte einen Befehl von der Tribüne ausgeführt. «Ich habe von dort gut gesehen, Correa war die richtige Idee», befand der Chef. Alles halb so schlimm also mit dem Platzverweis. «Komm, heute triffst du», prophezeite dem ebenfalls argentinischen Spieler dazu der Assistent.

Atlético vs. Bayern 1974, Teil I:

Burgos, Ex-Torwart, Rocksänger und Taktikfuchs, gehört gleichsam zum Gesamtschauspiel Atlético – gern auch als «Simeones Türsteher», wie ihn Leverkusens Trainer Roger Schmidt nach einem hitzigen Wortgefecht in der letztjährigen Champions League bezeichnete.

Rummennige macht die Bayern zum Feindbild

Seine Pappenheimer kennt auch Karl-Heinz Rummenigge. Deshalb hatte Bayern München Vorstandsvorsitzender vorige Saison ja unverhohlen seine Freude über Atléticos späteres Ausscheiden kundgetan: «Gegen Atlético hätte ich nicht gern spielen wollen», sagte er damals unter Hinweis auf den Konterstil der Madrilenen: «Fussball hat auch was mit Freude und Spektakel zu tun, und dafür steht dieser Klub nicht.»

Rund um das Calderón kamen diese Äusserungen gar nicht gut an – und als Rummenigge, gleichzeitig Chef der europäischen Klubvereinigung, kürzlich auch noch Atléticos zähes Achtelfinale gegen den PSV Eindhoven (210 torlose Minuten) als düsteres Gegenbeispiel zu Bayerns 6:4-Drama gegen Juventus heranzog, um sein Projekt einer Setzliste zu verargumentieren, brachte er es endgültig zum Staatsfeind Nummer eins.

Geschäftsführer Miguel Angel Gil Marín unterstellte ihm nach dem Platzverweis für Fernando Torres im Barcelona-Hinspiel gar einen Komplott: «Rummenigge will ein Halbfinale mit den Klubs, von denen er denkt, dass sie die Hosen anhaben.»

Atlético fühlt sich gekränkt

Jedenfalls hat der Bayern-Machthaber dafür gesorgt, dass sich Simeone sämtliche Motivationsansprachen sparen kann. «Er hat einem grossen Klub gegenüber den Respekt vermissen lassen und den Stolz seiner Spieler verletzt», zürnte Vereinslegende Paulo Futre in seiner Kolumne bei der Zeitung «Marca»: «Wenn du einem Kader voller Krieger mit einem unnormal grossen Wettkampfgeist an der Ehre rüttelst, ist das eine Gefahr. Rummenigge dürfte wissen, dass Atléticos Spieler notfalls auf dem Platz sterben werden, um ihm für seinen Hochmut eine Lektion zu verpassen.»

Atlético vs. Bayern 1974, Teil II:

Futre, der Atlético gelegentlich auch als Botschafter vertritt, fühlt sich erinnert an das Finale, dass er mit seinem vorherigen Verein FC Porto 1987 gegen den FC Bayern bestritt. Damals sei aus München Ähnliches zu hören gewesen, «sie waren die Superfavoriten, es hiess, sie würden ein Schützenfest veranstalten und die Portugiesen demütigen». All das habe seine Mannschaft letztlich zu ihrem sensationellen 2:1-Sieg gegen «die deutsche Präpotenz» angestachelt.

«Überhebliche Bayern – wie immer»

Zwar spielte Rummenigge damals nicht mehr in München und war dort noch nicht als Funktionär aktiv, die Bayern sind für Futre dennoch trotzdem dieselben Bayern: «Gleiche Respektlosigkeit gegenüber vielen anderen Klubs und gleiche Überheblichkeit wie immer.»

Mia san mia, würden sie ihm in München darauf womöglich antworten. Den Slogan könnte Atlético mit seiner eigenen Spezialfolklore allerdings glatt übernehmen. 1974 bis 2016. Austeilen und einstecken. Damit haben beide Vereine so ihre Erfahrung vor einem Wiedersehen, das wenig Freundlichkeiten verspricht.

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