Selten hat man vom FC Basel international so wenig erwartet wie vor dem Gastspiel am Donnerstag bei Sporting Lissabon. Vielleicht liegt darin die Chance für eine Mannschaft, die ein Erfolgserlebnis sucht.
Jede Menge Platz war in den eng gestuhlten Reihen des Airbus 320, als der FC Basel sich am Mittwoch auf den Luftweg nach Lissabon machte. Der Tross samt Fans und Journalisten umfasst 80 Leute, und man erkennt: Die Europa League, zumal Sporting Lissabon, gegen das die Basler vor noch nicht all zu langer Zeit vier Mal gespielt haben, übt eine begrenzte Anziehungskraft aus.
Darüber kann sich Marco Streller nur wundern. Natürlich ist der Captain des FCB gegen Cluj nicht freiwillig ausgeschieden, und er hat geschluckt, als am Dienstagabend die Champions-League-Hymne aus dem Fernseher ertönte. In Madrid im Bernabeu einzulaufen – das wäre so recht nach den Vorstellungen der Basler gewesen. «Aber jetzt heisst es, wir spielen ’nur’ Europa League», stellt Streller fest und vermutet: «Viele Schweizer Mannschaften würden das gerne.»
Eine Herausforderung auf Champions-League-Niveau
Das 175. Spiel für den FCB in Lissabon
Nach Lesart der Uefa ist die Auftaktbegegnung in der Europa League bei Sporting Lissabon (Donnerstag, 21.05 Uhr, SF2 live) das 175. Europacupspiel für den FC Basel. 77 davon hat er gewonnen, 34 unentschieden gespielt und 63 verloren bei 303:265 Toren.
Der Spielplan der Gruppe G mit dem FCB.
Gegen portugiesische Vereine hat der FCB in acht Spielen erst einmal gewonnen (2:1 daheim gegen Vitoria Guimaraes in der CL-Qualifikation 2008). Acht Mal hat auch Sporting gegen Schweizer Vertreter gespielt, dabei 2008 innert elf Monaten vier Mal gegen den FCB (vier Siege, 8:0 Tore).
Zuletzt war der FC Zürich in der Gruppenphase der Europa League 2011 der Gegner; auch diese beiden Partien gewannen die «Löwen» ohne Gegentor mit jeweils 2:0. Die beiden beiden Niederlagen liegen schon ein Stück zurück: 1992 daheim gegen GC (1:3) und 1981 bei Xamax Neuenburg (0:1). (cok)
Sportlich ist der Auftakt nach dem Abstieg aus der Champions League nicht weniger anspruchsvoll, und die Herausforderung in Lissabon findet durchaus auf dem Niveau der Königsklasse statt. Gegen einen Gegner, der zuletzt 1976/77 nicht für den Europacup qualifiziert war, der 2005 im Uefa-Cup-Final stand, vor vier Jahren in den Achtelfinals der Champions League und vergangene Saison erst in den Halbfinals der Europa League scheiterte.
Und der FC Basel spielt im 14. Jahr hintereinander europäisch. Eine Bilanz, die kein anderer Schweizer Club auch nur annähernd aufweisen kann. Aber das möchten manche gar nicht hören. «Auch wenn es nicht das Maximum ist – wir haben mit der Europa League auch etwas erreicht, und jetzt freuen wir uns auf diesen Wettbewerb», sagt Heiko Vogel und erinnert daran, dass die Ausgabe 2012/13 «so attraktiv wie nie» und mit ehemaligen Champions-League-Siegern bestückt sei (Liverpool, Inter, Steaua, Marseille).
Ganz zu Beginn seiner Cheftrainer-Tätigkeit beim FCB holte er mit seiner Mannschaft beim noch höher als Sporting eingeschätzten Benfica ein beachtliches 1:1. Die Autoren des Ausgleichs, die Fussballrentner Benjamin Huggel und Scott Chipperfield, sind nicht mehr dabei, ausserdem Kräfte wie Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka und David Abraham. «Das ist der Unterschied», sagt Marco Streller, «vergangene Saison war der Lead auf mehrere Schultern verteilt und jetzt noch auf zwei, drei.»
Wohlfühlrolle als Aussenseiter
Da der Findungsprozess des veränderten Teams noch immer nicht abgeschlossen ist und womöglich länger benötigen wird, als den Verantwortlichen lieb sein kann, da nun mal die Zwischenbilanz nach knapp einem Saisonviertel höchstens durchwachsen ausfallen kann, geht der FCB am Donnerstag (21.05 Uhr MESZ, live in SF2) für einmal nicht als Favorit, sondern als Aussenseiter in dieses Auswärtsspiel. «Das kommt uns entgegen», sagt Vogel, und Streller assistiert: «Mir ist es in der jetzigen Situation lieber, auswärts bei Sporting zu beginnen als daheim gegen Videoton.»
Man könnte es auch so ausdrücken: Selten hat man vom FCB, zumal vor einem Auswärtsspiel, weniger erwartet als zum Start der Gruppe G in der Europa League. Ein Grund dafür ist die Bilanz gegen den Sporting Clube de Portugal: Vier Jahre liegt es zurück, dass die Basler unter Christian Gross vier Anläufe gegen die Lissaboner nahmen – und vier Mal mehr oder weniger chancenlos abprallten. Die ernüchternde Bilanz: vier Niederlagen und 0:8 Tore.
Wie es im Februar 2008 lief, bei der 0:3-Heimniederlage (nach 0:2 im Hinspiel) gegen Sporting, darüber gibt die Zusammenfassung des Schweizer Fernsehen Auskunft. Der FCB spielte seinerzeit in folgender Formation: Crayton; Zanni, Majstorovic, Marque, Hodel; D. Degen, Huggel (46. Malick Ba), Ergic (71. Perovic), Carlitos; Eduardo (59. Fabian Frei), Derdiyok.
Die Jahreszeit der Erweckungserlebnisse
Zwar ist bei Sporting ausser Nationaltorhüter Rui Patrizio, dem Russen Marat Izmailov im Mittelfeld und Bruno Pereirinha (zuletzt ausgeliehen nach Griechenland, im Februar 2008 zweifacher Torschütze in Basel) kein Spieler mehr dabei, der auch schon vier Jahren gegen den FCB spielte. Und Sporting erlebte im Sommer ein fast schon übliches, riesiges Kommen und Gehen. Aber Trainer Ricardo Sá Pinto kann immer noch aus einer Fülle von hochkarätigen Akteuren schöpfen, und dabei fällt der neu verpflichtete Schweizer Nationalspieler Gelson Fernandez nicht als erstes ins Auge.
Aber vielleicht ist es gerade diese Konstellation, aus der im Sport Unerwartetes entsteht. Seine Erweckungserlebnisse hatte der FCB in den vergangenen drei Jahren jeweils um diese Jahreszeit und auf internationalem Parkett. Mal gegen die AS Roma oder vergangene Saison mit dem 3:3 in der Champions League bei Manchester United.
«Die Europa League sollte kein Trostpflaster für uns sein», sagt Fabian Frei, der schon 2008 gegen Sporting dabei war und der sich für den Donnerstag im Estadio Alvalade um einen Startplatz im Mittelfeld bewirbt, «wir sollten versuchen, das Beste herauszuholen.» Sein Trainer wünscht sich ein «gutes Ergebnis», und konkretisiert: «Das wäre schon ein Unentschieden.»
Das Aufeinandertreffen der Cousins
Damit könnte wohl auch Cabral leben. Für ihn, der im defensiven Mittelfeld beginnen wird, ist es ein spezieller Match. Zum einen waren 2008 die Spiele gegen Sporting seine Anfänge auf internationalem Parkett. Zum anderen wird es der 23-Jährige am Donnerstag in seinem 31. Europacupeinsatz mit seinem Cousin zu tun bekommen: mit Gelson Fernandes. Beider Wurzeln liegen auf den Kapverden und beider Väter sind Brüder.
Den FC Basel 2008 und 2012, sagt Cabral, könne man nicht vergleichen: «Unter Christian Gross haben ganz anders gespielt, haben wir einen aggressiven, physischen Fussball gepflegt. Jetzt suchen wir eher spielerisch eine Lösung.» Eine Einschätzung, der Heiko Vogel bei der Pressekonferenz am Vorabend des Spiels anfügte: «Wir werden nicht darum herum kommen, die Zweikämpfe aggressiv anzunehmen. Auch wenn die Mannschaft von Sporting ihr Gesicht verändert hat, ist sie mit individuell tollen Spielern bestückt, die ein Spiel entscheiden können.»
Deshalb ist sich der FCB-Coach im Klaren: «Wir treffen im ersten Spiel gleich auf den vermeintlich stärksten Gegner in dieser Gruppe.» Dass beide Mannschaften nicht wunschgemäss in die Saison gestartet sind – Sporting nach drei Spielen noch ohne Sieg und der FCB mit Rückstand auf die Tabellenspitze – hat für Vogel wenig Aussagekraft. «Das kann auch eine Chance sein. Real Madrid ist das beste Beispiel dafür. Beide Mannschaften werden versuchen, Selbstvertrauen zu tanken.»
Sporting: Die Kritik und die Heimserie
Lauschte man am Mittwoch Ricardo Sá Pinto, dann hörte man zwischen all den Beschwörungen des Sporting-Trainers heraus, dass da ein Gegner bevorsteht, der die breiten Schultern derzeit eher verbal demonstriert. Von grossem Willen war da die Rede, davon, dass sich seine Mannschaft bisher unter Wert verkauft habe, und Sá Pinto wehrte sich gegen die Kritik, die sich auch an seiner Person kristallisiert. «Die Ergebnisse werden sich einstellen», prophzeite er.
Der ehemalige Nationalspieler sprach allerdings auch von einer «nicht einfachen Situation» und einem Gegner, den man ernst nehme: «Basel hat seinen Wert mit dem Sieg gegen Manchster unter Beweis gestellt, und auch wenn sie wichtige Spieler verloren haben, wurde die Grundstruktur beibehalten.»
Worauf sich Sá Pinto verlassen kann, ist die Heimstärke seiner Mannschaft im Europacup. Mit einem 5:0 in den Playoffs qualifizierte sie sich im Alvalade gegen den AC Horsens aus Dänemark und baute eine Serie aus: International ist Sporting daheim seit 13 Spielen ungeschlagen (12 Siege, 1 Remis) und hat die letzten neun Spiel gewonnen.
Aus fünf mach’ zwei
Mit 21 Spielern, darunter drei Torhüter, ist der FC Basel in die portugiesische Hauptstadt gereist. Nicht dabei sind die verletzten Gilles Yapi und Stjepan Vuleta; kein Aufgebot erhielten Radoslav Kovac, Simon Grether und Kwang Ryong Pak.
Zwar stehen dem FCB im Anschluss an den Auftritt in Lissabon innert sechs Tagen zwei kapitale Spiele in der Super League bevor, am Sonntag (16.15 Uhr) bei den Young Boys und am Mitttwoch zum Auftakt des zweiten Saisonquartals daheim gegen den FC Sion (20.30 Uhr), doch es gibt eigentlich keinen Grund, gegen Sporting Kräfte zu schonen.
Die Viererabwehrkette, an der Heiko Vogel trotz Experimenten mit einem Dreierblock zumindest bis zur Winterpause und dem Trainingslager festhalten will, wird wohl die etatmässige sein. Im Mittelfeldzentrum dürfte es auf den defensivstarken Cabral neben Marcelo Diaz hinauslaufen und im Angriff auf das übliche Duo Streller/Alex Frei.
Auf den Flügeln heisst es für Vogel: Aus fünf mach‘ zwei. Valentin Stocker dürfte links am ehesten gesetzt sein, Jacques Zoua und Fabian Frei kommen dort aber ebenso in Frage wie auf der anderen Seite, wo der Trainer sich wohl als erstes zwischen David Degen und Mohamed Salah entscheiden wird.
Mögliche Aufstellungen
FCB: Sommer; Steinhöfer, Sauro, Dragovic, Park; D. Degen, Diaz, Cabral, Stocker; A. Frei, Streller.
Sporting: Rui Patrizio; Cédric, Boulahrouz, Rojo, Pranjic; Gelson Fernandes, Elias; Carrillo, Izmailov; van Wolfswinkel.
In Lissabon wird gegen den FC Basel mit einer Kulisse von rund 20‘000 Zuschauern gerechnet, was ungefähr dem Schnitt bei den Europacup-Gastspielen der Basler vor vier Jahren entspricht und 10‘000 unter dem durchschnittlichen Besuch bei Meisterschaftsspielen.
Schiedrichter im Alvalade wird Alon Yafet aus Israel sein. Der 40-Jährige leitet seit 2006 internationale Spiele und bestreitet am Donnerstag seine 77 Partie. (cok)
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