Aufgewacht in einem Albtraum

Die Sorgen, Nöte und das bisschen Hoffnung von Thorsten Fink als Trainer des mit drei Niederlagen in die Saison gestarteten Hamburger SV.

Da stautn der Rückkehrer: Rafael van der Vaart fühlte sich zunächst wie im falschen Film. (Bild: Reuters/KAI PFAFFENBACH)

Die Sorgen, Nöte und das bisschen Hoffnung von Thorsten Fink als Trainer des mit drei Niederlagen in die Saison gestarteten Hamburger SV.

Er stimmte die Mannschaft im Kollegenkreis vor dem Spiel ein, er ordnete von der ersten Minute an das Spiel, zuerst aus dem Zentrum des offensiven, später aus der Zentrale des defensiven Mittelfeldspiels, er führte sämtliche Freistösse aus, er gab die Kommandos, und er war nach seinem Wiederbeginn beim Hamburger SV noch heiserer als sonst.

Rafael van der Vaart hatte bei der 2:3-Niederlage des HSV beim nun dreimal nacheinander siegreichen Bundesliga-Rückkehrer Eintracht Frankfurt eine Berg- und Talfahrt der Gefühle durchgemacht. Am Ende standen die Norddeutschen wie schon nach den beiden ersten Spielen dieser Saison mit leeren Händen da. Tabellensiebzehnter, Abstiegsplatz: Das ist die Hamburger Realität, die dem 29 Jahre alten holländischen Rückkehrer auf Anhieb vor Augen geführt wurde.

Eine Abwehr, die zum Toreschiessen einlädt, eine Sturmspitze (Rudnevs), die nicht sticht und ein Mittelfeld, das mit van der Vaart und seinen beiden anderen zuletzt geholten Kompagnons Milan Badelj und Petr Jiracek eine neue Qualitätsoffensive verheisst: Das ist die brüchige Basis, von der aus der ruhmreiche Club aus Deutschlands zweitgrösster Stadt seine mühsame Klettertour zurück in gesicherte Tabellengefilde antreten muss.

Van der Vaart hatte den ersten Rückschlag seiner Lotsenmission so erlebt: «Ich bin sehr sauer und geknickt. Diese Pleite war völlig unnötig. Die ersten zwanzig Minuten waren ja ein regelrechter Albtraum.»

Fink und der arrogante Bayer

Inui (13. Minute) und Occean (18.) nutzten am späten Sonntagnachmittag die Schlafphase der HSV-Defensive mit ihren Toren zur 2:0-Führung der Hessen aus, ehe die Mannschaft von Trainer Thorsten Fink zurückschlug, aber beste Gelegenheiten ausliess. Son, Rudnevs, später noch Diekmeier scheiterten allein vor Kevin Trapp am Frankfurter Torwart. Westermann machte es besser, als er in der 45. Minute nach einem Eckball van der Vaarts das 1:2 erzielte.

Doch der Albtraum des Rafael van der Vaart setzte sich fort, weil Sekunden später Jiracek mit offener Sohle Zambrano abgrätschte und dafür die Rote Karte sah. Ein Platzverweis, der Fink derartig ärgerte, dass er dem Unparteiischen aus Ergolding ein paar unfreundliche Worte im Kabinengang auf den Kopf zu sagte. Dabei soll die Bemerkung «arroganter Bayer» gefallen sein.

Fink meinte nach Spielschluss, nachdem zwischenzeitlich Aigner auf 3:1 für Frankfurt (52.) erhöht und Son nach van der Vaarts präziser Vorlage auf 2:3 (63.) verkürzt hatte: «Ich habe dem Schiedsrichter bei Halbzeit nur freundlich gesagt, dass wir mit ihm noch kein Spiel gewonnen haben.»

So schlecht wie seit 40 Jahren nicht

Verloren aber hatte der HSV diesmal nicht wegen Stark, sondern wegen seiner Schwäche in der Verteidigungszone. Und so steht er vor den kommenden schweren Bewährungsproben gegen Meister Borussia Dortmund, bei Borussia Mönchengladbach und gegen Hannover 96 tabellarisch so schlecht da wie seit vierzig Jahren nicht.

Die Eintracht dagegen feierte als vorläufiger Tabellenzweiter einen Saisonstart, den sie so ähnlich nur in der Saison 1966/67 erlebt hat. Sie erinnerte in ihrer unter dem früheren HSV-Trainer Armin Veh wiederentdeckten Spiellust an beste Zeiten; der Bundesliga-Dino dagegen will sich erst gar nicht damit anfreunden, zu den Kellerkindern erster Klasse gerechnet zu werden.

Van der Vaart soll einen ganzen Verein aufrichten

Und so klammerten sich die nach einer bewegenden, aufregenden Auseinandersetzung in Unterzahl knapp besiegten Hamburger an das Prinzip Hoffnung, an die in Frankfurt zu spät wiederentdeckte «Moral», die Fink pries, und an van der Vaart, der eine ganze Mannschaft und einen ganzen Verein aufrichten soll.

Sportchef Frank Arnesen, vor kurzem noch im Mittelpunkt der Kritik ob seiner Personalplanung, sah seinen Klub trotz des 2:3 in der mit 51’500 Zuschauern ausverkauften Frankfurter Arena «drei Schritte weiter». Warum? «In den letzten vierzehn Monaten habe ich das Training nicht auf einem so hohen Niveau gesehen. Jetzt müssen wir es im Spiel umsetzen.»

Mit einem Holländer vorneweg, der das Signal zum Aufbruch setzen soll. «Er ist ein Junge», lobte Trainer Fink seinen für 13 Millionen Euro von Tottenham Hotspur zurückgeholten Anführer, «der sich nicht so wichtig nimmt. Wie er gefightet hat, wie viele Bälle er sich (in seiner defensiveren Rolle) geholt hat, zeigt, dass er total fit ist.»

«Wir haben weiten Weg vor uns»

Wäre das auch schon die gesamte Mannschaft, die Hamburger müssten sich keine Sorgen um ihren HSV machen. So aber mahnte Rafael van der Vaart, der dem HSV in seinen ersten drei Hamburger Jahren zwischen 2005 und 2008 neuen Glanz gab, zur raschen Umkehr hin zu mehr hanseatisch solider Fussballkunst. «Wir haben», sagte er, «noch einen weiten Weg vor uns. Wenn wir gegen Dortmund so wie hier in den ersten zwanzig Minuten spielen, kriegen wir gleich drei Tore.»

Das wäre der nächste Albtraum für einen Fussballstar, der in seiner Lieblingsstadt Hamburg auch mal wieder gut schlafen und ausgeruht bei der Arbeit sein will.

 

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