Barça will den Mythos Guardiola besiegen

Barcelona gegen Bayern im zweiten Halbfinal der Champions League (Mittwoch, 20.45 Uhr) – das ist auch Lionel Messi gegen Pep Guardiola und eine grosse gemeinsame Erfolgsgeschichte mit Rissen. Jetzt steht Messi vor seinem 100. Spiel in der Königsklasse und Guardiola kehrt an die Stätte zurück, wo er den Fussball neu erfunden hat.

epa04733942 FC Barcelona's Argentinian striker Lionel Messi (C) attends a press conference at Joan Gamper sports complex in Sant Joan Despi, near Barcelona, northeastern Spain, 05 May 2015. FC Barcelona will face Bayern Munich in the UEFA Champions League semi final first leg soccer match on 06 May 2015. EPA/ALBERTO ESTEVEZ (Bild: Keystone/ALBERTO ESTEVEZ)

Barcelona gegen Bayern im zweiten Halbfinal der Champions League (Mittwoch, 20.45 Uhr) – das ist auch Lionel Messi gegen Pep Guardiola und eine grosse gemeinsame Erfolgsgeschichte mit Rissen. Jetzt steht Messi vor seinem 100. Spiel in der Königsklasse und Guardiola kehrt an die Stätte zurück, wo er den Fussball neu erfunden hat.

Lionel Messi trägt ein gelbes Club-T-Shirt, das sein neues Tattoo am rechten Unterarm freilegt: eine Blume und eine Uhr, rot und schwarz, irgendwie orientalisch – das Übliche. Weniger normal ist, dass in der Sportstadt des FC Barcelona Messi selbst zur offiziellen Medienkonferenz vor dem Champions-League-Halbfinale gegen den FC Bayern auftaucht.

Es ist das erste Mal seit fast zwei Jahren, dass der Argentinier so einen Termin wahrnimmt, und es ist wohl als Akt der Gegenpropaganda zu verstehen, dass der Club ihn an diesem Tag vorschickt. Damit die Welt auch über etwas anderes redet als über Pep Guardiola, der, ob man will oder nicht, nun einmal den FC Bayern trainiert.

Wobei es dann natürlich auch an diesem Mittag viele Fragen zu Guardiola gibt. Messi pariert sie souverän, er blickt die Fragesteller an, manchmal lächelt er. Seine Scheu von früher hat er etwas abgelegt, er wird bald zum zweiten Mal Vater und auch auf dem Platz läuft es wieder glänzend vor seiner 100. Partie in der Champions League.



FC Barcelona's Lionel Messi, from Argentina, smiles during a press conference at the Sports Center FC Barcelona Joan Gamper in San Joan Despi, Spain, Tuesday, May 5, 2015. FC Barcelona will play against Bayern Munich in a first leg semifinal Champions League soccer match on Wednesday May 6. (AP Photo/Manu Fernandez)

«Die Wahrheit ist: nein.» Seit Pep Guardiolas Abgang in Barcelona hat Lionel Messi keinen Kontakt mehr zu seinem grossen Förderer gehabt. (Bild: Keystone/MANU FERNANDEZ)

«Wir haben wichtige Dinge zusammen erlebt», sagt er also über Guardiola, oder: «Logisch, dass ihn die Zuschauer feiern werden bei allem, was er für den Club bedeutet». Oder: «Unter ihm habe ich mich weiterentwickelt.» Aber auf die Frage, ob er seit dessen Weggang im Sommer 2012 noch Kontakt mit Guardiola pflege, sagt er: «Die Wahrheit ist: nein.»

Messi: «Ich habe Pep genossen, jetzt muss ich ihn erleiden»

Es ist eine seltsame Begebenheit in der Welt des Fussballs, in der sonst fast alle Kumpels sind, zumal, wenn sie so lange zusammengearbeitet haben. Wenn sie zusammen 14 Titel in vier Jahren gewonnen haben, wenn der eine, Guardiola, den anderen, Messi, zu voller Entfaltung brachte und wenn er ihn bis heute so zu bewundern scheint, dass er sagt: «Ich habe ihn genossen, jetzt muss ich ihn erleiden.»

Final: Samstag, 6. Juni, in Berlin
Champions League, Halbfinals
  Hinspiel Rückspiel
Juventus Turin–Real Madrid 2:1 Mi, 13. Mai
FC Barcelona–Bayern München Mi, 20.45 h Di, 12. Mai

Als Guardiola am Abend selbst auftritt, im Camp Nou, zum ersten Mal wieder auf seinem alten Platz in der Mitte des holzvertäfelten Pressesaals, da spricht er kaum über jemanden anderen als Messi. Als ob in den beiden vergangenen Champions-League-Runden nicht Neymar und Luis Suárez sieben der acht Tore Barcelonas geschossen hätten und Ivan Rakitic das andere. Als ob es nicht die Leistung des aktuellen Barça wäre, sich von der alleinigen Abhängigkeit von Messi und damit auch dem System Guardiola emanzipiert zu haben. Als ob diese Weltklassemannschaft wirklich nur aus Messi bestehen würde.

«Unmöglich, ihn zu stoppen», sagt Guardiola einmal. «Gegen ihn gibt es kein defensives System», ein anderes Mal: «Er ist einfach zu gut.»

Guardiola: «Um hier zu gewinnen, habe ich alles getan»

Guardiola, man weiss das, bereitet seine Auftritte detailliert vor. Er trägt die leuchtend rote Trainingskleidung des FC Bayern und verbreitet im Wesentlichen zwei Botschaften. Die Erste: «Barcelona war ein wichtiger Teil meines Lebens, es war alles. Aber ich bin hier, um zu gewinnen. Dafür habe ich in der letzten Woche alles getan.»



Football - Bayern Munich Training - Nou Camp, Barcelona - Spain - 5/5/15 General view during training Reuters / Albert Gea

Heimkehr ins Nou Camp: Pep Guardiola und die Bayern beim Abschlusstraining vor dem grossen Clash in der Champions League. (Bild: Reuters/Albert Gea)

Die zweite, Messi. Immer wieder Messi. Wie ein Wahnsinniger habe er an einem Plan getüftelt, seinen ehemaligen Liebling zu neutralisieren, an dieser besonderen Pep-Idee, berichten seit Tagen die spanischen Medien, die fleissig am Mythos Guardiola stricken vor diesem besonderen Duell der Obsessionen: der von Guardiola mit Messi, der von Barcelona mit Guardiola – und der eines Wiedersehens, das viel schwieriger ist, als man denken mag.

Die Entfremdung ist kein Geheimnis

Mehr als die halbe Mannschaft ist noch dabei aus den glorreichen Pep-Jahren: Gérard Piqué, Dani Alves, Javier Mascherano, Sergio Busquets, Andrés Iniesta und Messi allein in der Startformation. Es ist kein grosses Geheimnis, dass manchen der Personenkult um Guardiola mit der Zeit ebenso auf die Nerven ging wie die These, dass Barça ohne ihn nur die Hälfte wert sei.

Im Sommer 2013, Guardiola hatte nach seinem New Yorker Sabbatical gerade in München angefangen, trafen sich beide Mannschaften beim Audi-Cup. Das 2:0 der Bayern überraschte die Beobachter weniger als die Begleitumstände des vermeintlichen Freundschaftsspiels. Guardiolas Begegnungen mit seinen Ex-Spielern wirkten angespannt. Messi und er würdigten sich nicht mal eines Blickes.

Es gibt Anekdoten aus den letzten Monaten der Guardiola-Zeit, die einiges erklären. Nach einer titelentscheidenden Heimniederlage gegen Real Madrid etwa beschimpfte Messi den Trainer in der Kabine wüst für seine Aufstellung, weil er in Piqué und Cesc Fàbregas zwei Stars und Messi-Kumpels auf der Bank gelassen hatte.

Doch das Ungewöhnliche an der Entfremdung zwischen Trainer und Spielern scheint, dass die Zeit eher neue Wunden aufriss, als dass sie welche geheilt hätte. So sollen etliche Spieler im Nachhinein erfahren haben, dass der stets misstrauische Guardiola angeblich ihr Privatleben ausspionieren liess oder sein allgegenwärtiger Berater Manel Estiarte sie in inoffiziellen Gesprächen bei befreundeten Journalisten anschwärzte.

Guardiola und Vilanova – das Ur-Schisma

Nichts jedoch belastete das Verhältnis wohl so wie das Ur-Schisma der Erfolgsjahre, der Krach zwischen Guardiola und seinem jahrelangen Assistenten Tito Vilanova. Guardiola konnte ihm nicht verzeihen, dass er das Angebot annahm, ihm nachzufolgen, und unterstellte ihm sowie dem damaligen Sportdirektor Andoni Zubizarreta, sie hätten die Thronfolge schon vor seinem Rücktritt beschlossen.



Football - Bayern Munich Press Conference - Nou Camp, Barcelona - Spain - 5/5/15 Bayern Munich coach Josep Guardiola during the press conference Reuters / Kai Pfaffenbach

Es ist bei Weitem nicht nur Magie, die von Pep Guardiola in Barcelona hängen geblieben ist. (Bild: Reuters/Kai Pfaffenbach)

Die alte Freundschaft mit Zubizarreta ist seitdem dahin; und die noch ältere zu Vilanova war es auch. Als sich der krebskranke Trainer zur Tumorbehandlung wochenlang in New York aufhielt, erhielt er von dem Urlauber Guardiola nicht einen einzigen Besuch. Im vorigen April starb Vilanova. Seine Witwe bat Guardiola, nicht zur Beerdigung zu erscheinen.

Die Ahnung davon, wie motiviert Barça ist

Messi hingegen besuchte Vilanova noch wenige Tage vor dem Tod und gab ihm dabei das Versprechen, den FC Barcelona nie zu verlassen. Während der kurzen Amtszeit seines ehemaligen Jugendtrainers führte der vierfache Weltfussballer das Team in jener Saison 2012/13 zur souveränsten Meisterschaft der Clubgeschichte.

Bevor Messi sich im Saisonendspurt verletzte und ein deprimiertes Barcelona in der Champions League von den Bayern gedemütigt wurde, vermittelten die Spieler damals eine Ahnung, wie motiviert sie sein können, wenn es gilt, den Mythos Guardiola zu besiegen. Heute haben sie dazu die direkte Gelegenheit.



Football - Bayern Munich Training - Nou Camp, Barcelona - Spain - 5/5/15 Bayern Munich's Robert Lewandowski during training Reuters / Kai Pfaffenbach

Wird wohl spielen können: Robert Lewandowski mit Schutzmaske für vor einer Woche erlittenen Oberkiefer- und Nasenbeinbruch. (Bild: Reuters/Kai Pfaffenbach)

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