Am Auffahrtstag als Schweizer Meister im Stadion des entthronten Serienchampions einzulaufen – das muss nach Jahrzehnten der Entbehrung eine besondere Genugtuung sein für die Berner Young Boys. Egal, ob sie das nun so sagen oder nicht.
Und die Fans der Gelb-Schwarzen wollen sich dieses Triumphgefühl nicht entgehen lassen: Der Gästesektor im St.-Jakob-Park mit seinen 1700 Plätzen wird voll besetzt sein; insgesamt waren am Dienstag 27’000 Tickets verkauft, was für das Gipfeltreffen des Schweizer Fussballs ein schmales Interesse ist. Aus nachvollziehbaren Gründen.
Es geht, wenn überhaupt, nur noch ums Prestige. Darum, dass die Basler ihre Aufwärtstendenz mit zehn Spielen ohne Niederlage sowie ihre positive spielerische Entwicklung fortsetzen wollen. Vielleicht auch darum, den Bernern nicht auch noch Punkte- und Torrekord zu überlassen. Beide Bestmarken stammen aus der vergangenen, der Basler Hypersaison: 86 Punkte und 92 Tore. Aktuell steht YB bei 78 Zählern und 78 Treffern. In den verbleibenden drei Partien kann der Klub noch auf maximal 87 Punkte kommen und diesen Rekord brechen. Um den Torrekord einzustellen, müssten dier Berner in diesen drei Spielen ganze 14-mal treffen.
«Unser Ziel ist es natürlich, YB die erste Niederlage in diesem Jahr zuzufügen», sagt Raphael Wicky, und der FCB-Trainer ist «überzeugt, dass wir die Qualität haben, sie zu schlagen». Seit dem 3. Dezember 2017 (1:3 in Thun) sind die Berner in 18 Wettbewerbsspielen nicht mehr besiegt worden. Eine Serie, die es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gab, wie der ehrenwerte Fussballblog «Zum runden Leder» recherchiert hat.
Die Niederlage im Juli, die schon den Geruch des Wandels trug
Wie motiviert die Berner am Donnerstag tatsächlich noch sein werden, steht auf einem anderen Blatt. Viermal schon standen sich Basel und YB in dieser Saison bereits gegenüber. Von den drei Begegnungen in der Super League gewannen die Berner eine, und das gleich am ersten Spieltag. Jenes 2:0 vom 22. Juli trug schon den Geruch des Wandels. Jedenfalls hatte der FCB der Wucht und der Entschlossenheit der Berner schon damals nicht genug entgegenzusetzen.
YB-Trainer Adi Hütter hat inzwischen ja preisgegeben, dass man sich damals bereits intern darauf eingeschworen hatte, die Meisterschaft holen zu wollen. Getraut, dies auch öffentlich so ganz klar zu postulieren, haben sie sich in Bern dann erst nach der Winterpause.
In der Liga gab es ausserdem zwei Remis auf Augenhöhe, wobei beim letzten Aufeinandertreffen am 2. April in Bern (2:2) der FCB nicht mehr sehr weit weg war von einem Sieg. «Wir haben die Meisterschaft nicht in den Direktduellen mit YB verloren», sagt Wicky. Es waren die unerwarteten Basler Niederlagen gegen niedriger dotierte Gegner, die sich die Berner wiederum dieses Mal eben nicht geleistet haben.
Und die Young Boys haben den Baslern ein weiteres Mal den Meister gezeigt, als sie im Cup-Halbfinale dafür sorgten, dass dem Dauerrivalen auch die zweite Chance auf einen Titelgewinn versagt blieb. Gleichzeitig eröffnete sich YB selbst die grosse Chance, das Double zu erben, wenn es am 27. Mai im Stade de Suisse zum Endspiel gegen den FC Zürich kommt. Es wäre das erste Double für die Berner seit 1958 und erst das zweite Titel-Doppelpack in der 120-jährigen Vereinsgeschichte.
Die Torhüterfrage: Feuertaufe für Signori Antonio?
Signori wer? Das werden sich viele fragen. Weil Tomas Vaclik nach einer fiebrigen Erkrankung am Montag und Dienstag mit dem Training aussetzte, weil Mirko Salvi, die Nummer 2 im Basler Tor, an Adduktorenbeschwerden laboriert und weil Germano Vailati schon die gesamte Saison ausfällt, könnte es am Donnerstag zu einer Feuertaufe für Torhüter Signori Antonio kommen. Der trainiert seit Herbst beim FCB mit, wurde in der Winterpause vorsichtshalber als Back-up für den Rest der Saison verpflichtet und hat drei Einsätze in der U21 des FCB (zuletzt am 17. März) gehabt. Der 23-Jährige ist beim Team Vaud grossgeworden, hat 2013/14 für Lausanne-Sport zwölfmal in der Super League das Tor gehütet und ist Goalie der angolanischen Nationalmannschaft.
Wie üblich in solchen Fällen sagt der Trainer: «Wenn er spielen müsste, hätte ich volles Vertrauen in Antonio.»
Die Torjägerfrage: Alle für Albian Ajeti?
Auf leisen Sohlen hat sich Albian Ajeti auf Platz 2 der Torschützenliste geschoben. Mit seinen 13 Saisontoren (drei davon im Trikot des FC St. Gallen) liegt er nur noch einen Treffer hinter Monsieur Guillaume Hoarau. Also geht es am Donnerstag im direkten Duell mit YB auch ein bisschen um die Torjägerkrone. «Ich unterstütze Albian dabei und würde mich freuen, wenn er zum Schluss zuoberst wäre. Aber das darf nicht sein Primärziel sein. Sondern er muss sich in den Dienst der Mannschaft stellen. Dann kommen die Tore automatisch und nicht, wenn man glaubt, man muss sich einen individuellen Titel holen. Dann klappt es meistens sowieso nicht.»
Dass Ajeti, zuletzt zweimal als Einwechselspieler gegen Thun und in St. Gallen insgesamt dreifacher Torschütze, von Beginn an spielt, scheint ausser Frage zu stehen, nachdem sich Ricky van Wolfswinkel am Montag einer Meniskusoperation unterzogen hat.
Verletzt beim FC Basel: Taulant Xhaka, Ricky van Wolfswinkel, Mirko Salvi, Germano Vailati, Davide Callà. – Fraglich: Tomas Vaclik. – Abstellung an Nationalmannschaft: Noah Okafor. –
Bei der nächsten Verwarnung gesperrt: Albian Ajeti, Eder Balanta, Kevin Bua.