Nachdem klar war, gegen wen die Schweiz im Achtelfinal spielen würde, waren die Meinungen schnell gemacht: Schweden ist ein inferiorer Gegner, die Tür ist offen für den Viertelfinal, vielleicht reichts in den Halbfinal, allenfalls gar weiter. Für viele Teams sei vieles möglich, «vor allem auch für die Schweiz. Bis in den Final warten weder Frankreich noch Argentinien, Brasilien, Deutschland, Spanien oder Belgien», hatte der «Blick» vor dem Achtelfinal geschrieben.
Aber warum sah eine ganze Fussballnation ihre Mannschaft gegen die Schweden im Vorteil? Die Skandinavier hatten in der Vorrunde gegen den enttäuschenden Weltmeister Deutschland zwar in letzter Sekunde verloren. Aber sie gewannen zum Auftakt gegen Südkorea und zeigten im letzten Gruppenspiel gegen die sonst überzeugenden Mexikaner eine fabelhafte Leistung und bezwangen sie gleich mit 3:0.
Gegen diese Mannschaft soll die Schweiz Favorit gewesen sein? Die Schweiz, die zum Abschluss der Gruppenphase nicht über ein 2:2 gegen das bis dahin punktlose Costa Rica hinauskam? Wie so oft in den letzten Jahren fiel die Bewertung der Schweizer Mannschaft auch an dieser WM zu gut aus. Auch deswegen, weil Nationaltrainer Vladimir Petkovic «schon vor dem ersten Ballkontakt vom Viertelfinal sprach», wie die «Basler Zeitung» berichtet (online nicht verfügbar).
Die Schweden verzichteten auf grosse Worte, ihr vollmundigster Akteur, Zlatan Ibrahimovic, war gar nicht erst Teil des Kaders. Trotzdem reichte es der Schweiz nicht zu mehr als einer 0:1-Niederlage, und «Die Zeit» erinnert sich an ein zeitnahes Duell der beiden Nationen: «Vor ein paar Wochen verlor die Schweiz nämlich das WM-Finale im Eishockey gegen Schweden nach Penaltyschiessen mit 2:3. Das entscheidende Tor schoss, ja richtig, Filip Forsberg.» Sein Namensvetter Emil Forsberg entschied die Partie auf dem Rasen.
Die NZZ kommentiert die Schweizer Leistung unter dem Titel «Das Scheitern hat System» so:
Die Versagensangst ist geblieben. Petkovic aber war der erste Nationalcoach, der öffentlich sagte, ein Achtelfinal genüge nicht mehr. Seit seinem Amtsantritt vor vier Jahren tat er alles, um seine Spieler in die Nähe der Weltklasse zu reden und ihnen einen offensiveren Fussballstil beizubringen. Doch am Ende ist es vermutlich ähnlich, wie wenn man einer Katze ständig erzählt, sie sei ein Löwe. Selbst wenn die Katze dies tatsächlich glaubt, bleibt sie, was sie ist. Eine Katze eben.
Der «Blick» schreibt auch nach dem Ausscheiden hartnäckig von einem «bescheidenen Schweden». Die Schweizer brachten allerdings nicht mehr Schüsse auf oder neben das Tor als der Gegner – trotz 63 Prozent Ballbesitz und mehr als doppelt so vielen Pässen. Die Schweiz scheidet aus gegen «biedere Handwerker aus dem hohen Norden», schreibt der «Blick».
Der Traum vom ersten Viertelfinal seit 64 Jahren ist verflogen. Die hochgelobte Generation um Spieler wie Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri oder Yann Sommer, allesamt in den grossen Ligen Europa engagiert, hat die Hürde nicht genommen. Wie in den letzten drei WM-Achtelfinals hat die Schweiz kein einziges Tor geschossen. Die «bz Basel» hält in ihrem Kommentar nach dem «bedenklichen Schweizer Auftritt» nüchtern fest: «Die Schweiz hat auf dieser Bühne nichts verloren. Die Geschichte des Versagens ist um ein Kapitel reicher.»
Im Viertelfinal wären die Schweizer auf die Engländer getroffen, die Kolumbien im Achtelfinal eliminiert haben. Weil sie dafür erstmals ein Elfmeterschiessen an einer Weltmeisterschaft gewonnen und den Fluch dieser Kurzentscheidung überwunden haben, war in den englischen Medien nur wenig Platz für Abhandlungen des Spiels Schweiz–Schweden. Die «Daily Mail» schreibt aber: «Schweden und die Schweiz haben uns überrascht. Sie waren schlechter, als wir dachten.»
Und während die Engländer und die Schweden sich auf ihren Viertelfinal freuen dürfen, wird man sich in der Schweiz bald wieder dem nationalen Fussball widmen. Die NZZ fragt in ihrer WM-Kolumne jedenfalls: «Wann beginnt die Super League?»
Sie beginnt am 21. Juli. Ohne einen einzigen Nationalspieler des im Achtelfinal gescheiterten Kaders.