Island bleibt als liebenswertes Überraschungsteam dieser Euro in Erinnerung, und nach dem Viertelfinal-Aus gegen Frankreich zieht Birkir Bjarnason voller Stolz Bilanz. Die Frage ist nun, wie sich die Kampagne auf die nähere Zukunft des Mittelfeldspielers beim FC Basel auswirkt. Seinen Marktwert hat er in die Höhe getrieben, Anzeichen für einen Wechsel gibt es im Moment jedoch nicht.
Er hat für das erste und für das letzte Tor der Isländer an der Euro 2016 gesorgt: Birkir Bjarnason (Nummer 8) trifft per Kopf zum 2:5-Endstand gegen Frankreich.
(Bild: Keystone/ETIENNE LAURENT)Birkir Bjarnasons Tor gegen Frankreich.
(Bild: Keystone/ABEDIN TAHERKENAREH)Kraftvoll: So wieder (nicht erfolgreiche) Abschlussversuch war Birkir Bjarnasons Auftritt an der Europameisterschaft.
(Bild: Keystone/FILIP SINGER)Die zweite Verwarnung für Birkir Bjarnason an der EM, die jedoch folgenlos bleibt, weil Island ausgeschieden ist.
(Bild: Keystone/FILIP SINGER)Foul an Olivier Giroud durch Birkir Bjarnason im Viertelfinal gegen Frankreich, in dem die Isländer chancenlos waren.
(Bild: Keystone/ETIENNE LAURENT)Selten war im Viertelfinal Birkir Bjarnason der von den Franzosen (hier Dimitri Payet und Blaise Matuidi) verfolgte...
(Bild: Keystone/ABEDIN TAHERKENAREH)...eher langten die Isländer kräftig zu, so wie Birkir Bjarnason hier gegen Olivier Giroud...
(Bild: Keystone/GEORGI LICOVSKI)...oder die Isländer versuchten sich der Franzosen (hier Andre-Pierre Gignac) mit Händen und Füssen zu erwehren.
(Bild: Keystone/GEORGI LICOVSKI)Und weil es so schön war, auch noch aus einer dritten Perspektive: Birkir Bjarnason setzt sich gegen Patrice Evra durch.
(Bild: Keystone/MICHAEL SOHN)Abschied: Für Islands schwedischen Trainer Lars Lagerbäck geht mit der EM auch der Job auf der Insel zu Ende.
(Bild: Keystone/GEORGI LICOVSKI)Natürlich haben sie auch im Stade de France am Schluss wieder alle «Uh» gerufen. Zur Aufführung stand das eigentümliche Klatschritual, bei dem die isländischen Fans in immer schnellerem Rhythmus die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und einen inbrünstigen Laut aus den Untiefen der menschlichen Kehle ausstossen. Falls das jemals bedrohlich gewirkt haben sollte – wie es der englische Altinternationale Peter Shilton nach dem Ausscheiden der Three Lions behauptet hatte – so war es diesmal nur ein beeindruckendes Abschiedsritual.
Island ist nach dem 2:5 gegen Frankreich ausgeschieden. Und die Fans hatten noch mal alles dafür getan, dass Island als liebenswertes Überraschungsteam dieses Turniers in Erinnerung bleiben wird.
Birkir Bjarnason wirkte allerdings ein wenig bemüht, als er die Unterstützung der Fans lobte («grossartig»), die trotz des deprimierenden Spielverlaufs ihre Mannschaft lauter unterstützt hatten als die zahlenmässige Übermacht der Heimfans. Dass die EM für Island nach fünf Spielen vorbei ist, wurmt den Mittelfeldspieler mächtig. Schlimmer fand er aber offenbar, wie einseitig die Partie zumindest im ersten Durchgang gelaufen war.
Der Halbzeitstand von 0:4 spiegelte ja tatsächlich nur schemenhaft wieder, wie demütigend sich die endlos langen und von niemandem gestörten Kurzpass-Stafetten der Franzosen aus Sicht der Isländer angefühlt haben mussten. «Wir hatten in der ersten Halbzeit viele Probleme», sagte Bjarnason. «Sie sind einfach besser als wir, aber wir haben auch nicht unser bestes Spiel gezeigt.»
Es galt nur noch, Schlimmeres zu verhindern
Dabei liefen fast alle französischen Angriffe über das Zentrum, Bjarnason musste immer wieder von links einrücken, um noch Schlimmeres zu verhindern. Dass es dennoch nicht lief, sah man auf der Anzeigetafel, wo bereits nach 19 Minuten einen kommode 2:0-Führung für Frankreich vermerkt war.
Man sah es aber auch am Mienenspiel des Birkir Bjarnason, der im ersten Durchgang ein paar Mal mit Gylfi Sigurdsson aneinanderrasselte. Der Chef im isländischen Mittelfeld agierte tatsächlich sehr leichtsinnig und bereitete das 3:0 von Dimitri Payet mit einem Katastrophen-Fehlpass vor.
Was folgte, war eine Halbzeitansprache, in der offenbar nicht nur Trainer Lars Lagerbäck seine Spieler bei der Ehre packen wollte. Man habe sich noch mal in die Augen geschaut und sich geschworen, dass man sich so nicht aus diesem Turnier verabschieden wolle, berichtete Sigurdsson, der nach dem Spiel längst wieder auf einem Nenner mit Bjarnason war.
«Wir können stolz auf uns sein»
Der Basler seinerseits fand, man habe «in der zweiten Halbzeit wenigstens Charakter bewiesen» und freute sich, dass er mit einem wuchtigen Kopfballtreffer zum 2:5 seinen Anteil daran geleistet hatte, dass die isländischen Spieler doch noch etwas Tröstliches aus der Partie ziehen konnten. Sie hatten schliesslich die zweite Halbzeit mit 2:1 für sich entschieden.
«Respekt, wie wir die zweite Halbzeit bestritten haben», freute sich dann auch Lars Lagerbäck nach dem Spiel. «Da haben wir gezeigt, dass wir ein kleines bisschen Fussball spielen können.» Um die Zukunft des isländischen Fussballs sei ihm nicht bange, sagt der 67-jährige Schwede, der im Stade de France sein letztes Spiel als Nationalcoach geleitet hat und von nun an dem nicht weniger sympathischen Heimir Hallgrimsson die alleinige Verantwortung überträgt. «Wir haben auch noch einige junge Talente, die hier gar nicht viel gespielt haben.»
Viel gespielt hat indes Birkir Bjarnason, der alle fünf Spiele bestritt, der zwei der acht Treffer seines Teams erzielte und als Schütze des ersten EM-Tores in die Fussballgeschichte der Insel eingeht – und auch des vorerst letzten. Nur eine Viertelstunde nach Schlusspfiff konnte Bjarnason schon wieder den Blick auf das Grosse und Ganze zulassen: «Vor dem Turnier hätte doch keiner gedacht, dass wir so weit kommen, wir können stolz auf uns sein.»
Bjarnasons Marktwert hat sich vervielfacht
Wie sich Bjarnasons EM-Kampagne auf seine unmittelbare Zukunft auswirkt, ist noch gar nicht abzusehen. Das FCB-Trainerteam wird nun erst mal dafür besorgt sein, dass Bjarnason ausreichend Ferien- und damit Erholungszeit erhält. Ob Bjarnason also in kaum drei Wochen zum Saisonauftakt gegen den FC Sion schon wieder zur Verfügung steht, ist damit offen.
Auch FCB-Sportdirektor Georg Heitz hat einen hervorragenden Bjarnason an dieser Euro gesehen: «Er hat das sehr gut gemacht.» Und damit hat Bjarnason auch sein Renommee beeinflusst. Vor einem Jahr aus der italienischen Serie B für eine Ablöse um eine Million Franken nach Basel geholt, dürfte sich sein Marktwert vervielfacht haben und nun zwischen fünf und zehn Millionen liegen.
FCB wäre auf einen Wechsel vorbereitet
Noch ist es nicht so, dass sich konkrete Offerten für den 28-Jährigen auf dem Schreibtisch von Heitz stapeln. «Es ist auch nicht zwingend, dass etwas kommt», so Heitz, «aber man muss darauf vorbereitet sein.» Sprich: mögliche Alternativen im Auge haben.
Grundsätzlich hat sich Bjarnason zum FCB bekannt. In Basel hat er den ersten Titel seiner Karriere gewonnen und hier winkt ihm die Champions-League-Teilnahme. Wenn allerdings englische oder italienische Clubs aus der sehr viel längeren Sommerpause kommen, kann aus losen Kontakten auch schnell ein ernsthaftes Interesse werden. Und die Transferperiode zieht sich bis Ende August.
Noch mal zum Ausschneiden und an die Wand hängen – Bjarnasons erstes EM-Tor für Island: