Lange ist es noch nicht her, da konnte Breel Embolo wegen des ersten Aufgebots kaum schlafen. Inzwischen ist er fester Bestandteil des FC Basel. Im Interview erzählt der 18-Jährige, welche Streiche er in der Stadt spielt, wie er einst als Innenverteidiger beim Trainer durchfiel – und warum seine Hose nicht dreckig ist.
Das Gespräch mit Breel Embolo beginnt mit der Frage zu einem kleinen Detail: Der Verein ist sich nämlich nicht ganz sicher, ob sich der Spieler des FC Basel mit dem Pullover seines persönlichen Ausrüsters ablichten lassen darf – oder ob er nicht doch die Marke des Vereins tragen müsste.
Breel Embolo, wäre denn jetzt die Lösung, dass Sie den Pullover ausziehen?
Nein, denn darunter trage ich auch etwas von meinem persönlichen Ausrüster.
Seit wann haben Sie diesen Vertrag?
Seit ich 15 bin. Vor allem mein Fuss hat sich an diesen Ausrüster gewöhnt. Deswegen bin ich auch geblieben.
Ist ein solcher Vertrag in diesem Alter ein Moment, in dem man merkt: Ich könnte es schaffen, Profi zu werden?
Nein. Es hat mich einfach gefreut, die Kickschuhe nicht mehr selber bezahlen zu müssen. Das geniesst man, aber weitere Gedanken macht man sich deswegen nicht. Es gibt viele Spieler, die in diesem Alter solche Verträge erhalten.
Und wann haben Sie denn erstmals an eine Karriere als Profi geglaubt?
Als ich zum ersten Mal in die erste Mannschaft berufen worden bin. Ich war zu Hause und wurde vom Anruf total überrascht. Es war zudem Zufall, dass ich während der Ferien überhaupt noch in der Gegend war. Da habe ich mir unglaublich viele Gedanken gemacht und konnte kaum mehr schlafen. Ich habe dann immer wieder Pascal Naef angerufen, der für die Betreuung der Spieler zuständig ist, weil ich einfach nicht wusste, was ich machen sollte.
Im März 2014 spielten Sie in der Europa League im St.-Jakob-Park gegen Salzburg erstmals bei den Profis. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Der damalige Trainer Murat Yakin hat Albian Ajeti und mir gesagt, dass wir vielleicht im Kader für das Salzburg-Spiel sein werden. Es war ein Dienstag. Albian und ich schauten uns an und sagten: Wie bitte? Da wurden wir erst mal richtig nervös und ich war froh, dass Albian bei mir war.
Schliesslich wurden Sie beide eingewechselt.
Wir waren total überrascht. Positiv, vor allem auch, weil wir dann noch ein gutes Resultat erreicht haben. Ein 0:0 zu Hause, und dann in Salzburg.
Bei diesem verrückten Spiel, das der FCB nach einem Rückstand noch drehte.
Ja, das war einfach super. Ich hätte mir das nicht schöner vorstellen können.
Wie nehmen Sie eigentlich Ihren Körper wahr?
Ich bin besser geworden, das spüre ich. Am Anfang war ich nach den Trainings bei den Profis völlig kaputt. Im Trainingslager beispielsweise, nach den ersten drei Tagen, da war ich wirklich fix und fertig. Jetzt mache ich die Übungen locker, was auch mit dem Mentalen zu tun hat. Da bin ich ebenfalls gewachsen.
Wie hat es Sie und Ihr Umfeld beeinflusst, dass Sie zum Jungstar beim FCB avanciert sind?
Für mich hat sich nicht gross etwas verändert, für mein Umfeld ebenfalls nicht. Vielleicht ist mein Umfeld etwas vorsichtiger geworden.
Was meinen Sie damit?
Ich bin halt einer, der macht, worauf er Lust hat und was er witzig findet. Ich mache gerne mal einen Scherz in der Stadt und mein Bruder warnt: «Nein, stell dir vor, es passiert etwas!» Ich antworte dann: «Nein, ich will das jetzt machen.» (lacht)
Womit muss man denn rechnen, wenn Sie in der Stadt unterwegs sind?
Ach, es kommt zwischendurch halt vor, dass Leute fragen, ob ich der Embolo sei. Und ich sage dann: «Nein, der Zwillingsbruder.» Die meisten glauben das – und entschuldigen sich.
Hat sich Ihr Bewegungsradius verändert? Schliesslich gab es schon Videos in Boulevard-Medien von Ihnen, wie Sie aus der Schule kommen.
Das war unnötig. Keine Ahnung, wer so ein Video sehen will, mich jedenfalls würde es nicht interessieren. In der Stadt kommt es einfach ab und zu vor, dass man ein paar Sekunden stehen bleibt, weil die Leute gratulieren wollen. Aber ich kenne ja die meisten von ihnen, da ich in drei verschiedene Schulen gegangen bin.
Sie waren in der Bäumlihof-Sportklasse.
Ja, und jetzt bin ich in Liestal im KV. Das geht noch ein paar Wochen, am 1. Juni habe ich Abschlussprüfungen.
In der Woche vor dem Cupfinal also. Für dieses Spiel sind Sie gesperrt. Sie können sich also voll auf die Prüfungen konzentrieren.
Zum Scherz sagen sogar einige, dass ich diese gelbe Karte im Halbfinal gegen St. Gallen geplant hätte.
Aber Ihnen stinkt die Sperre gewaltig.
Ja, brutal. Aus meiner Sicht war es kein Foul. Aber der Schiedsrichter hat so entschieden. Da kann man nichts mehr ändern. Und im Mannschaftsbus auf der Heimfahrt haben einige Kollegen Witze darüber gemacht.
Sie machen Ihre Lehre beim Nordwestschweizer Fussballverband FVNWS in Muttenz. Was lernen Sie da?
Wie die Spielpläne gemacht, die Schiedsrichter eingeteilt oder wie die Spieler gebüsst werden. Zum Teil gibt es achtmonatige Sperren. Da überlegt man sich schon zweimal, wie man sich auf dem Feld verhalten soll. In den Sitzungen sage ich jeweils: «Könnt ihr nicht ein bisschen milder und lockerer sein in eurem Urteil?» Reglement ist Reglement, ist jeweils die Antwort.
Xherdan Shaqiri, der Bruder Ihres Beraters Erdin, hat die Lehre hingeschmissen. Haben Sie das auch in Erwägung gezogen?
Nein. Ganz am Anfang gab es zwar mal ein Gespräch mit dem Sportchef in diese Richtung. Aber vom Lehrbetrieb hatte ich immer die volle Unterstützung. Und mein Bruder und meine Mutter haben immer gesagt, dass ich die Lehre beenden soll. Ich hatte grosse Unterstützung von vielen Leuten.
Sind Sie eigentlich froh, dass Ihre Ausbildung bald zu Ende ist?
Was die Schule betrifft, ja. Aber das Arbeiten, das war ganz okay und ein schöner Ausgleich zum Fussball. Zwischendurch hat das geholfen, wieder etwas herunterzukommen.
Wenn das nun wegfällt, wie ersetzen Sie diesen Ausgleich?
Mit der Familie. Ich habe dann noch mehr unverplante Zeit. Da kommt die Familie zum Zug und ich werde wahrscheinlich noch öfter zu Hause sein. Das ist super für mich.
Wie lange können Sie noch im Wohnheim leben?
Mein Jahrgang 1997 muss im Sommer ausziehen. Man könnte dann zu zweit in eine Wohnung wechseln, auch eine Art Wohnheim, einfach nicht mehr betreut. Ich werde aber eine Wohnung mit meinem Bruder nehmen. Wo genau, wissen wir noch nicht.
Sie müssen im Wohnheim auch in der Küche arbeiten und können also kochen, oder?
Dort ist das eher abwaschen. Mein Bruder wird wohl kochen.
Sie verdienen als Profi viel Geld. Können Sie Ihrer Mutter schon sagen, sie soll zu Hause die Beine hochlagern?
Das würde sie gar nicht wollen.
Was machen Sie mit dem Geld aus Ihrem ersten Vertrag als Profi? Haben Sie den Führerschein schon?
Ich werde sicher einen Teil in Wohneigentum für mich und meine Familie investieren. Den Führerschein habe ich noch nicht, aber ich bin dran. Ich muss bald zur Theorieprüfung. Noch vor dem KV-Abschluss, wenn ich es richtig im Kopf hab.
Und dann? Gibt’s sofort einen teuren Schlitten?
Wir haben auch einen tollen Sponsor.
Gut einstudiert.
(lacht)
Kriegen Sie die Autos dort noch günstiger?
Ja, wir haben spezielle Konditionen. Aber momentan ist das ohne Führerschein eh kein Thema. Kommt dazu, dass wir solch grössere Anschaffungen immer in der Familie besprechen. Das hat sich nicht geändert.
Sie besprechen viel mit Ihrer Familie. Aber Sie erhalten bestimmt auch viele Ratschläge von aussen, was Ihre Karriere betrifft.
Grundsätzlich höre ich auf einen sehr engen Kreis, dem ich vertraue. Dazu gehören meine Familie, mein Club und meine Berater. Aber am Schluss zählt immer mein Entscheid. Mein bester war: Fussball zu spielen.
Ihre Entscheide treffen Sie inzwischen als Volljähriger. Wie fühlt sich das an?
Da hat sich nicht gross etwas verändert. Zu einem anderen Menschen wird man dadurch ja nicht. Ich kann jetzt allerdings selbst unterschreiben.
Sie können sich so beispielsweise selbst in der Schule entschuldigen.
Im Wohnheim haben wir die Regel: Wenn du nicht zur Schule gehen kannst, dann kannst du auch nicht ins Training. Da überlegt man es sich zweimal, ob man wirklich nicht zum Unterricht soll. Ich bin zudem einer, der fast nie krank ist. Und wenn ich es bin, dann gehe ich trotzdem ins Training.
Sprechen wir über Fussball. Was können Sie denn besonders gut in Ihren Augen?
Ich kann meinen Körper gut einsetzen, das Spiel lesen und habe eine gute Umschaltphase. Das gefällt den Trainern. Heute geht alles derart schnell; bei einem Ballverlust darf man nicht stehenbleiben, sondern muss umschalten. Was meinen Körper angeht, so kann ich den inzwischen auch gut nutzen. Aber Sie müssten mir eigentlich sagen, was ich gut kann. Ich sehe mich ja nicht von aussen.
Was müssen Sie noch verbessern?
Meine Entscheidungen und meinen ersten Kontakt am Ball. Ich muss ruhiger werden, wobei alle sagen, dass das mit der Zeit komme. Darauf hoffe ich.
Und auf welcher Position sehen Sie sich auf dem Feld?
Ich glaube, auf vielen Positionen spielen zu können. Seit ich in der ersten Mannschaft bin, habe ich ausser auf dem Flügel fast überall gespielt. Stürmer, auf der Sechs, auf der Acht. Und in der U16-Nationalmannschaft war ich sogar mal Innenverteidiger. Der Trainer wollte sehen, wie ich mich bewege.
Und?
(lacht) Ich hatte Mühe, weil ich immer nach vorne ging und vergass, dass ich wieder nach hinten muss. Wir haben das Video analysiert und alle mussten lachen. Der Trainer sagte schliesslich: «Du bist definitiv kein Innenverteidiger.» Ich bin Stürmer. Und ich liebe diese Position. Aber generell spiele ich einfach sehr gerne Fussball.
Wie wird das nächstes Jahr sein, wenn Marco Streller nicht mehr in der Garderobe und auf dem Feld ist?
Seltsam, aber nicht nur für mich. Für den ganzen Verein. Und für ganz Basel, glaube ich. Die ersten zwei, drei Monate wird er uns als Mensch und als Fussballer sicher fehlen. Aber man wird ihn auch ausserhalb des Fussballs wieder sehen. Und ich glaube auch, dass er oft in der Garderobe sein wird.
Sind Sie denn mit Ihren 18 Jahren schon bereit, Verantwortung zu übernehmen?
(überlegt) Ja, einen Teil davon schon, aber sicher nicht alleine.
Haben Sie Ihrem Berater Erdin Shaqiri also gesagt, er könne Sie in nächster Zeit in Ruhe lassen mit irgendwelchen Angeboten von anderen Clubs?
Er bemüht sich sowieso nicht aktiv um einen neuen Club. Das haben wir so zusammen mit der Familie abgesprochen. Wenn eines Tages ein anderer Club kommen sollte, dann kommt er von alleine. Und das kann keiner verhindern. Ich fühle mich hier sehr wohl und das wissen auch alle. Momentan beschäftige ich mich auch gar nicht mit diesem Thema.
Trotzdem: Sie stehen im europäischen Schaufenster. Sind denn schon Vereine auf Sie zugekommen?
(überlegt) Ich weiss es nicht. Da müssen Sie mit Georg Heitz oder Erdin sprechen. Die wissen auch, dass ich das gar nicht gerne höre. Ende der Saison kann man dann drüber reden.
Wenn aber morgen ein Verein kommt und Ihnen einen Vertrag über 3 Millionen auf den Tisch legt, dann fällt doch die ganze Familie gleich mal in Ohnmacht. Und dann?
Dann sage ich diesem Verein: «Melden Sie sich beim Sportchef oder meinem Berater.» Das sage ich jedem. Ich vertraue auf mein Bauchgefühl und momentan fühlt es sich richtig an, hier zu bleiben.
Sie haben sich für die Schweizer Nationalmannschaft entschieden. Verfolgen Sie noch, was in der kamerunischen Nationalmannschaft mit Ihrem Trainer Volker Finke passiert?
Das verfolge ich immer. Finke ist ein super Trainer und hat sich sehr fair verhalten, mir alle Seiten einer Wahl für Kamerun aufgezeigt. Das hat meine Entscheidung noch schwerer gemacht. In der Garderobe haben immer alle gefragt, was ich eigentlich in Kamerun wolle. Meine Antwort war, dass ich dort einen sehr tollen Trainer hätte. Mir wurde dann geraten, nicht wegen des Trainers die Nationalmannschaft zu wählen. Es geht alles derart schnell im Fussball, gerade in Afrika.
Zum Schluss würden wir gerne noch wissen, woher Sie diese Jeans haben, die mit den Farbspritzern aussehen, als ob Sie gerade zu Hause die Wohnung streichen.
(lacht)
Was haben die gekostet?
Keine Ahnung.
War es ein Geschenk?
Ja, zum Geburtstag.
Und wieso zieht man Hosen an, die Flecken haben?
Ist doch gut, mal etwas Neues zu probieren.
Aber dieser Grasfleck, hier auf dem linken Knie, das ist Dreck, oder?
(lacht) Nein, das gehört auch dazu.
Beim ersten Aufgebot für die Profis hat Embolo Pascal Naef noch gefragt, was er denn jetzt tun müsse. Inzwischen tragen sie die selben Hosen. (Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)