Erfolg für SP-Grossrat Tobit Schäfer und drei weitere Beschwerdenführer gegen das Hooligankonkordat: Das Bundesgericht hat entschieden, dass die Verschärfung des Konkordats in zwei Punkten angepasst werden muss.
Die Gegner des Hooligankonkordats erringen einen Sieg: Das Bundesgericht hat die Beschwerde des Basler SP-Grossrats Tobit Schäfer und drei weiteren Fussballfans aus anderen Kantonen teilweise gutgeheissen. Die Richter in Lausanne sahen zwei Punkte im Konkordat «Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen» als nicht verhältnismässig an, sagt Schäfer. Er hat das Urteil am Donnerstag erhalten, öffentlich einsehbar wird es am Freitag, heisst es beim Bundesgericht.
Gemäss Schäfer verstösst das Konkordat «Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen» – so heisst das Hooligankonkordat offiziell – laut den Bundesrichtern in folgenden zwei Punkten gegen die Verhältnismässigkeit:
1. der Einschränkung des Rayonverbots auf die Dauer von einem bis drei Jahren. Das verschärfte Konkordat sah vor, dass Fans der Zugang zu einem bestimmt Gebiet während einem bis drei Jahren verboten werden kann, kürzere Rayonverbote sah das Konkordat nicht vor. Das Bundesgericht hat dies nun geändert: Die Kantone, die bisher dem Konkordat beigetreten sind, müssen die Dauer anpassen. Neu ist die Rede von Rayonverboten bis zu drei Jahren, das heisst, auch Rayonverbote von weniger als einem Jahr sind möglich.
2. der automatischen Verdoppelung der Meldepflicht. Die Verschärfung des Konkordats sah vor, dass, wer eine Meldeauflage erhält und sich einmal bei der Polizei nicht meldet, automatisch mit der Verdoppelung der Massnahme bestraft wird. Gemäss Bundesgericht trägt diese Vorschrift dem Einzelfall «nicht hinreichend Rechnung», sagt Schäfer. Sie wurde von den Richtern aufgehoben.
Diese zwei Punkte beurteilte auch die Mehrheit des Grossen Rates während der Debatte im Basler Parlament als unverhältnismässig, was mitunter zum Entscheid führte, dass der Grosse Rat auf Nichteintreten entschied und Basel-Stadt nicht Teil des Konkordates ist.
Obwohl das Gericht in den ebenso umstrittenen Punkten Intimkontrollen, Kombiticket und Identitätskontrollen die Beschwerde ablehnte, sieht Schäfer das Urteil als grossen Erfolg an, «weil es ein Signal gegen die zunehmende Repression ist». Das Urteil stelle vor allem auch die Arbeit der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) in Frage, sagt Schäfer: «Die KKJPD wiederholte immer wieder, dass sie die Verfassungskonformität überprüft hätte, zahlreiche Kantone stimmten der Verschärfung zu. Nun hat das Bundesgerichts auf die Beschwerde von einer handvoll Privatpersonen festgestellt, dass das eben nicht in allen Punkten so ist.»
«Blinder Aktionismus» oder Grundrechtsverletzung «wissentlich hingenomen»?
Für ihn gibt es zwei Erklärungen dafür: «Im besten Fall hat sich die KKJPD in blindem Aktionismus verrannt; im schlimmsten hat sie die Grundrechtsverletzung wissentlich hingenommen.» Die Konferenz der Kantonalen Justiz-und Polizeidirektorinnen und -direktoren sieht das Urteil allerdings etwas anders: Für die KKJPD ist der Entscheid eine Bestätigung, teilte die KKJPD am Donnerstag gemäss Nachrichtenagentur sda mit. Das Urteil bringe im Hinblick auf die Ratifikationsprozesse und Abstimmungen die gewünschte Rechtssicherheit.
Mit den Korrekturen könne die KKJPD «sehr gut leben». Sie stellen aus ihrer Sicht eher eine Verschärfung dar, hiess es weiter. Diese beiden Punkte änderten nichts daran, dass das Bundesgericht die Grundrechtskonformität des Konkordats «praktisch vollumfänglich» bestätigt habe.
KKJPD-Präsident sagte: «Wir haben es überprüft»
Dieses «praktisch vollumfänglich» erstaunt dennoch, weil Hans-Jürg Käser, Präsident der KKJPD, an einer Podiumsdiskussion in Basel (vorher und später auch andernorts) sagte, dass die KKJPD doch «nicht blauäugig» vorgegangen sei. «Wir haben die Konkordatspapiere prüfen lassen und haben vom Bundesamt für Justiz die Einschätzung erhalten, dass keine Grundrechte verletzt werden.»
Bereits kurz nach dieser Aussage war klar, dass dieses immer wieder erwähnte Gutachten nicht besteht. Auf Anfrage der TagesWoche hiess es vom Bundesamt für Justiz: «Wir wurden nicht angefragt, ein umfassendes Gutachten zu erstellen, und planen auch nicht, in Zukunft ein solches zu erstellen.»
In Bern werben die Gegner mit Käser
Überzeugt vom verschärften Hooligankonkordat haben Käser und die KKJPD bisher die Kantone Freiburg, Waadt, Neuenburg, Jura, Wallis, Tessin, Solothurn, Zürich, St. Gallen, Aargau, Zug, Uri, Luzern, Obwalden und die beiden Appenzell.
Im Kanton Bern wird Anfang Februar abgestimmt. Die Gegner werben dort mit Käser selbst und einem Zitat von seiner privaten Website (mehr dazu in einem Artikel der «Berner Zeitung»): «Es ist ein Irrtum zu glauben, jedes gesellschaftliche Problem lasse sich mit einer neuen Vorschrift oder einem neuen Gesetz lösen.»