Cédric Saladin: «Du lebst in einer anderen Welt»

Der FC Basel, seine Jugendarbeit und der neue Campus: Der 21-jährige Cédric Saladin schildert, warum er es als Goalie-Talent nicht bis ins Tor einer Profi-Mannschaft geschafft hat. Aufgezeichnet von Florian Raz.

Cédric Saladin über seine Zeit beim FCB: «Was ich mir da teilweise von Trainern anhören musste, unter der Gürtellinie. Ich weiss nicht, wie ich das damals ausgehalten habe.» (Bild: Nils Fisch)

Der FC Basel, seine Jugendarbeit und der neue Campus: Der 21-jährige Cédric Saladin schildert, warum er es als Goalie-Talent nicht bis ins Tor einer Profi-Mannschaft geschafft hat. Aufgezeichnet von Florian Raz.

Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass ich bald studieren werde, dann hätte ich ihm das nicht geglaubt. 14 Jahre lang hatte ich in meinem Leben eigentlich nur ein Ziel: Ich wollte Fussballprofi werden.

Ich habe beim SV Muttenz begonnen, Fussball zu spielen. Mit zwölf wurde ich vom FC Basel zu einem Probetraining eingeladen, was für mich natürlich das Grösste war. Der FCB hat damals zum ersten Mal in der Champions League gespielt. Und die Trainer fanden mich offenbar gut. Darum bin ich im Sommer 2003 in die U13 gekommen, in den Jahrgang mit Granit Xhaka.

Dann ging es halt weiter U14, U16 – es waren ­immer weniger, die dabei blieben, immer Neue sind dazugekommen. Du darfst kein Mitleid haben, wenn es einem Kollegen einmal nicht mehr reicht. Klar, vordergründig geht es auch um den Teamgedanken. Aber eigentlich hat jeder für sich selbst gespielt. ­Jeder hatte das Ziel, einmal Profi zu werden.

«Im System drin traust du dich nicht, den Mund aufzumachen.»

Denn darauf wirst du schon als Kleiner getrimmt: Profi zu werden. Wenn du da drin bist, in diesem Nachwuchssystem, getraust du dich nie, etwas zu ­sagen. Du weisst: Es kann sein, dass ich keine Chance mehr habe, wenn ich einmal den Mund aufmache. Was ich mir da teilweise von Trainern anhören musste, unter der Gürtellinie … Ich weiss nicht, wie ich das damals ausgehalten habe. Aber es fällt mir erst jetzt auf, da ich ein Jahr lang nicht mehr dabei bin.

Ich hatte ganz grossartige Trainer – und eben auch andere. Der Druck ist immens. Und vielleicht braucht es das auch, damit die Spieler darauf vorbereitet werden, was es heisst, Profi zu sein. Du lebst auch sonst in einer anderen Welt. In einer, die es so eigentlich gar nicht gibt. Mit deinen Kollegen dreht sich alles um Fussball, Autos, Uhren – und vielleicht noch, wer welche Freundin hat.

Trotzdem überwiegen bei mir die positiven Erinnerungen. Ich durfte so viele Länder bereisen, ich habe gelernt, Regeln zu akzeptieren und mich durchzubeissen. Das ist schon eine Lebensschule, von der du profitierst.

Schule, Training, Schule, Training – das war nicht einfach

Bei mir ist es mit 17 plötzlich ganz schnell gegangen. Ich war eben in die U18 gekommen, als es hiess: «Ab morgen trainierst du bei den Profis.» Ich bin zum Europacupspiel nach Sofia mitgereist, weil Franco Costanzo ausgefallen ist. Fast wäre ich auf der Ersatzbank gesessen, aber es hat dann mit der Registrierung bei der Uefa nicht geklappt.

Ich war ab 13 in einer Sportklasse im Kanton ­Baselland. Schule, Training, Schule, Training – das war nicht einfach. Als ich zu den Profis kam, habe ich parallel mit dem Sportler-KV begonnen. Da bist du mit einem Streller zusammen, die Spieler fahren Porsche – und du müsstest eigentlich heim, um Französisch zu büffeln. Das geht nicht. Also sind meine Noten runter.

Danach wurde ich nicht dritter Goalie bei den Profis, weil Yann Sommer von GC zurückkam. Aber das war mir egal. Ich war 17 und habe auch im Sommer einen Monat lang mit den Profis mit trainiert. Aber dann habe ich mich an der Schulter verletzt. Ich hatte einen Muskelriss, danach wuchs die Bizeps-Sehne nicht richtig an.

Ich musste noch einmal operiert werden und verlor noch mehr Zeit. Ich wusste während meiner Verletzung am Anfang gar nicht, was ich mit mir anfangen sollte. Ich war überfordert. Bislang hatte ich sechs Trainings in der Woche gehabt, jetzt vielleicht noch eine Stunde im Kraftraum am Tag. Ich begann unmässig zu essen und nahm vorübergehend zehn Kilogramm zu. In der Verletzungszeit habe ich dann aber auch die Ausbildung entdeckt und deswegen das KV mit guten Noten abgeschlossen.

Ich war nie ein Superstar wie Granit

Als ich in die U21 zurückkam, habe ich schnell gemerkt, dass der neue Trainer nicht mein Freund ist. Das war eine harte Zeit. Ich war nie ein Superstar wie Granit, von dem schon immer alle geschwärmt haben. Aber ich spürte eine gewisse Achtung. Doch als ich verletzt war, war ich plötzlich niemand mehr.

Ich habe nie Druck beim Club gemacht. Aber in diesem Business musst du fordern, fordern, fordern.

Ich denke, wenn ich zuletzt einen anderen Trainer gehabt hätte, hätte es mir reichen können, oben hinaus Fussball zu spielen. So aber suchte ich im Sommer 2012 einen Club in der Challenge League. Das war das erste Mal, dass ich mit Managern Kontakt aufnahm. Vorher habe ich das bewusst nicht gemacht. Jetzt denke ich, das war ein Fehler. Ich habe nie Druck beim Club gemacht. Aber in diesem Business musst du fordern, fordern, fordern.

Ich hätte zu Wohlen gehen können, aber ich musste das Probetraining nach 20 Minuten wegen einem gerissenen Meniskus abbrechen. Es hiess, melde dich, wenn du wieder fit bist, dann machen wir einen Vertrag. Aber plötzlich hat mein Manager das Telefon nicht mehr abgenommen – und dann habe ich gelesen, dass Wohlen einen anderen Goalie genommen hat. Da habe ich gemerkt, was für ein Drecksgeschäft Fussball sein kann.

Es stimmt so für mich – und 2014 will ich in Amerika studieren

Im September 2012 ging ich zu den Black Stars in die vierthöchste Schweizer Liga. Daneben habe ich für mich Einzeltrainings gemacht. Ich wollte es wirklich nochmals versuchen. Aber dann habe ich von jemandem gehört, der Spieler an US-Universitäten vermittelt, wo sie mit Stipendien studieren können. Und die Idee hat angefangen, mir zu gefallen.

Ich habe meine Verletzung als Zeichen genommen, dass es für mich nicht hat sein sollen, Fussballprofi zu werden. Ich mache deswegen niemandem Vorwürfe, es stimmt so für mich. Aber ich will etwas erreichen im Leben. Darum bereite ich mich jetzt auf die Berufsmatur vor, und es ist mein Ziel, 2014 mit einem Fussballstipendium an eine amerikanische Universität studieren zu gehen.»

Das Profil von Cédric Saladin auf transfermarkt.ch

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 02.08.13

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