Seit Dario Cologna hat die Zeitrechnung im Schweizer Langlauf neu begonnen. Doch die WM-Medaille fehlt noch im Palmares des bald 27-jährigen Münstertalers. Ab diesem Samstag soll sich das an den Weltmeisterschaften im italienischen Val di Fiemme ändern.
Dieser Mann hat etwas ausgelöst. Hat Begeisterung für eine Sparte geschaffen, die hierzulande dem Tod geweiht schien. Hat Perspektiven aufgezeigt und Sympathien auf sich gezogen. Dario Cologna. 2007 wurde er mit gerade mal 20 jüngster Sieger des Engadin Skimarathons, stand plötzlich im Rampenlicht, vermochte sich rasch auch auf höchster Ebene unter Beweis zu stellen.
Dario Colognas erster Anlauf zu WM-Gold beginnt heute im Val di Fiemme um 14.15 Uhr im Skiathlon über 30 Kilometer (15 km klassisch, 15 km Skating). SRF2 überträgt aus den Dolomiten ab 14.00 Uhr.
Die Triumphe an der publikumswirksamen und prestigeträchtigen Tour de Ski 2009, 2011 und 2012 trugen massgeblich zu Colognas Ruhm bei, vor allem aber der Olympia-Sieg vor drei Jahren in Vancouver. Dario Cologna ist zu einer Grösse der Schweizer Sportszene geworden. Und nicht nur dies: Die Wahl zum Schweizer des Jahres diesen Januar zeigte, dass er weit über die Sportwelt hinaus Beachtung findet. Jung, dynamisch, bescheiden, leistungswillig und -fähig sind Attribute, die ihm zugeschrieben werden.
Cologna will sich revanchieren
Fast alles, was es im Langlauf zu gewinnen gibt, hat Cologna gewonnen. Nur die WM-Medaille fehlt ihm noch. 2009 in Liberec scheiterte er ebenso wie 2011 in Oslo. Wobei er vor zwei Jahren Rätsel aufgab, stets von einer guten Verfassung sprach, aber nicht über einen neunten Rang hinauskam. Die Erklärung: Cologna verfügte über keine wettkampftaugliche Ski – wobei er klug von Kritik an den Serviceleuten absah. Jene WM war schlicht eine Enttäuschung.
Und für diese Niederlage will er sich nun in den Dolomiten revanchieren. Cologna scheint bereit. Nach dem zweiten Platz in der Tour de Ski hinter dem Russen Alexander Legkow brillierte er vor allem bei der Olympia-Hauptprobe fürs nächste Jahr in Sotschi mit einem eindrücklichen Sieg im Skiathlon. Und auch vergangenes Wochenende beim Heim-Weltcup in Davos präsentierte er sich in einer glänzenden Verfassung: je die Plätze 2 im Sprint wie im 15-km-Skatingrennen. Dass er in der Vorwoche hart trainiert hatte und daher nicht erholt an den Start gegangen war, erwähnte er nur im kleinen Kreis.
Die drei Chancen
Vor den neun WM-Tagen im Val di Fiemme lehnt sich der zurückhaltende Dario Cologna mutig aus dem Fenster. Nicht mehr wie anfangs Winter von seiner ersten WM-Medaille spricht er, sondern von Gold. Und da bieten sich primär drei Möglichkeiten: der Skiathlon von diesem Samstag (15 km klassisch/15 km Skating), die 15 km Skating vom nächsten Mittwoch und die 50 km klassisch mit Massenstart vom Schlusstag am 3. März.
Noch am vergangenen Wochenende, nach dem Sprintrennen von Davos, das ihm besser gelaufen war als er es vermutet hatte, fragte sich Cologna, ob er auf seinen Verzicht auf den WM-Sprint zurückkommen solle. Er entschied sich rasch dagegen. Die Strecke im Val di Fiemme ist weniger selektiv, in seiner ursprünglichen Planung blieb ihm mehr Erholungszeit, und ohnedies findet Cologna: «Der Sprint ist eher eine Lotterie.»
Selbst wenn es eine andere als die goldene Medaille werden sollte, schriebe der Ausnahmeathlet einmal mehr Langlauf-Geschichte. Ins Jahr 1968 muss zurückgeblendet, als Sepp Haas im 50-km-Rennen Bronze an Olympischen Spielen von Grenoble gewann, die damals auch als Weltmeisterschaft galten – im Gegensatz zur Olympia-Bronze von Andi Grünenfelder 1988 in Calgary. Nicht fehlen darf in dieser Aufzählung Evi Kratzer, die 1987 über 5 Kilometer zu WM-Bronze lief.
Fast wie ein Heimrennen
Für Dario Cologna ist der WM Ort, das Val di Fiemme, mit besten Erinnerungen und vielen Emotionen verbunden. Hier sicherte sich der Halbitaliener väterlicherseits mit den Triumphläufen auf die Alpe Cermis die drei Tour-de-Ski-Siege. Das Flimstal ist in nur zwei Autostunden vom Münstertal her zu erreichen, was die WM für Cologna fast zu Heimrennen macht.
An hochkarätigen und hochmotivierten Widersachern wird es jedoch nicht fehlen. Der Norweger Petter Northug, sein ewiger Gegenspieler und bereits siebenfache Weltmeister, könnte mit zwei weiteren Goldmedaillen zu einer Langlauf-Legende, seinem Landsmann Björn Dählie aufschliessen. Zu den aussichtsreichen Titelanwärtern zählt auch Alexander Legkow, der vom Schweizer Reto Burgermeister betreut wird. Doch wenn sie Gold holen wollen, werden sie Dario Cologna hinter sich lassen müssen.