Cristiano Ronaldo trifft auf seine Antithese

Alle Welt spricht vor dem Halbfinal (Mi, 21 Uhr) an der Europameisterschaft über das Duell zwischen dem Waliser Gareth Bale und seinen Madrider Mannschaftskameraden Cristiano Ronaldo. Für Bale ist das nebensächlich, der 26-Jährige hält sich in Sachen Ronaldo vornehm zurück – Absage für das Geburtstagsfest inklusive.

Football Soccer - Euro 2016 - Wales News Conference - COSEC Stadium, Dinard, France - 4/7/16 - Wales' Gareth Bale during the news conference. REUTERS/Stephane Mahe

(Bild: Reuters/STEPHANE MAHE)

Alle Welt spricht vor dem Halbfinal (Mi, 21 Uhr) an der Europameisterschaft über das Duell zwischen dem Waliser Gareth Bale und seinen Madrider Mannschaftskameraden Cristiano Ronaldo. Für Bale ist das nebensächlich, der 26-Jährige hält sich in Sachen Ronaldo vornehm zurück – Absage für das Geburtstagsfest inklusive.

Natürlich wurde Gareth Bale irgendwann tief in der Nacht zum Samstag auch noch auf die bevorstehende Konfrontation mit Cristiano Ronaldo angesprochen. Die direkten Duelle der schillernden Superstars sind ja immer grosse Geschichten. Für einen Moment verdüsterte sich das leuchtende Gesicht des Angreifers, «wir spielen gegen Portugal, mehr nicht», zischte Bale.

Er hatte offenkundig keine Lust auf diese voraussehbaren Spielchen der Medien. Ronaldo gegen Bale, Buffon gegen Neuer, Xhaka gegen Xhaka, Lewandowski gegen Ronaldo, vor den Partien wird immer ein Riesenbohei veranstaltet, am Ende sind die Spiele dann aber viel zu komplex, um sie auf zwei einzelne Fussballer zu reduzieren.

Das gilt ganz besonders im Fall von Bale gegen Ronaldo, die am Mittwochabend (21 Uhr) im Halbfinal der Europameisterschaft in Lyon aufeinandertreffen.

Mannschaftsdienlichkeit trifft auf Versuchung

Denn Bale ist zwar eine der glamourösesten Erscheinungen des Weltfussballs, aber zumindest bei dieser EM tritt er ganz und gar geerdet auf. Als Teil einer Mannschaft ohne Stargehabe, ohne Extrawürste, ohne Anspruch auf eine Sonderrolle.

Im Viertelfinal gegen Belgien schuf er geradezu ein Meisterwerk der Mannschaftsdienlichkeit: Bale begab sich auf die langen schmerzhaften Wege, die kaum einer wahrnimmt, um Mitspielern Räume zu öffnen.

Er war immer da, wenn seine Hilfe in der Defensive gefordert war, spielte die einfachen, unspektakulären Bälle, verlor nie die Lust, weil ihm ständig zwei Gegner auf dem Fuss standen. Und er widerstand der alten Superstarversuchung, alles selbst regeln zu wollen, weil das Vertrauen in die weniger begabten Mitspieler fehlt.

Stattdessen sorgte Bale für den fruchtbaren Boden, auf dem die Kollegen blühen konnten. «Er ist unglaublich für uns, er gibt immer 100 Prozent für sein Land, ich bin so stolz, dass er Waliser ist», sagte Mittelfeldspieler Joe Allen nach dem 3:1-Erfolg bewundernd.



Football Soccer - Wales v Belgium - EURO 2016 - Quarter Final - Stade Pierre-Mauroy, Lille, France - 1/7/16 Wales' Hal Robson-Kanu celebrates with Gareth Bale after scoring their second goal REUTERS/Carl Recine Livepic

Im Vordergrund steht die Freude mit den Teamkameraden – Gareth Bale gratuliert seinem Mitspieler Hal Robson-Kanu zu dessen Tor gegen Belgien im Viertelfinal. (Bild: Reuters/Carl Recine)

In dieser Rolle als hingebungsvoller Teil eines homogenen Kollektivs ist Bale zum vielleicht kostbarsten Spieler der bisherigen EM avanciert. «Wir haben Grass gefressen», sagte er nach dem Halbfinaleinzug, der auch deshalb so erstaunlich war, weil Wales nicht mit einem zerstörerischen Verteidigungsfussball reüssierte, sondern spielerisch überzeugte.

Dass Bale gemeinsam mit Alvaro Morata und Antoine Griezmann auch noch die Torjägerliste anführt, ist in diesem imponierenden walisischen EM-Epos allenfalls eine Nebensächlichkeit.

Der Wunsch nach konfliktfreiem Alltag bei Real

Wichtig ist, dass Bale sich im Verlauf des Turniers zu einem charismatischen Anführer entwickelt hat. Lange war der 26-Jährige vor allem ein rasend schneller Flügelstürmer, der seinen breiten Mund gerne zu einem freundlichen Lächeln verzog, öffentlich aber nur wenig zu sagen hatte. Ein Spieler, der seine wahren Gedanken für sich behielt, der möglichst konfliktfrei durch den Alltag bei Real Madrid gleiten wollte.

«Neben seinem Talent hat er dieses grosse Herz, alle ausserhalb von Wales sehen das und respektieren ihn dafür.»


Trainer Chris Coleman

Das hat sich jetzt geändert. In der ersten Turnierwoche gegen England staunte die Fussballwelt über vorlaute Provokationen, seine Waliser hätten «mehr Stolz», als die Engländer, tönte er. Und vor dem Spiel gegen Belgien sagte er voller Selbstvertrauen: «Wir sind deren Angstgegner.»

Bale gegen Ronaldo: «Darum geht es nicht»

Herausfordernde Spitzen gegen Ronaldo wird er sich in den kommenden Tagen aber wohl verkneifen, diese Angelegenheit ist viel zu heikel. «Natürlich wird das ein grosses Thema, aber darum geht es nicht, Gareth wird die Sache runterspielen», prophezeite Aaron Ramsey, der beste Mann im Viertelfinal.

Es ist ja kein Geheimnis, dass Bale wenig Sympathien für die Selbstdarstellungsneigungen seines Mitspielers bei Real Madrid hegt. Als Ronaldo im vorigen Jahr seinen 30. Geburtstag feierte, war die gesamte Mannschaft eingeladen, einige blieben aber lieber zu Hause, allen voran Bale, der mehr und mehr zu einer Art Anti-Ronaldo wird.



Football Soccer - Hungary v Portugal - EURO 2016 - Group F - Stade de Lyon, Lyon, France - 22/6/16Portugal's Cristiano Ronaldo celebrates after scoring their second goalREUTERS/Robert PrattaLivepic TPX IMAGES OF THE DAY

Das Gebaren des Cristiano Ronaldo. (Bild: Reuters/Robert Pratta)

Es gibt zwei grosse Kräfte hinter diesem walisischen Erfolg: die Qualität von einzelnen Spielern wie Bale, Allen, Kapitän Ashley Williams oder Ramsey. Und den bemerkenswerten Zusammenhalt, der in Turnieren immer wieder zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor wird, man muss sich nur an den deutschen WM-Titel vor zwei Jahren erinnern. «Die EM fühlt sich an wie ein Urlaub mit den Kumpels», erzählte Bale.

Talent und grosses Herz

Mit diesem Zusammenhalt können sie vielleicht sogar die schmerzhaften Ausfälle von Verteidiger Ben Davies und vor allem von Aaron Ramsey kompensieren. Denn Portugal mag zwar bessere Einzelspieler haben, aber sie müssen eben auch mit dem vor Ehrgeiz und Eitelkeit beinahe platzenden Ronaldo klarkommen, statt die Gesellschaft des Familienmenschen Bale zu geniessen.

«Neben seinem Talent hat er dieses grosse Herz, alle ausserhalb von Wales sehen das und respektieren ihn dafür», schwärmte Trainer Chris Coleman. «Und natürlich lieben wir im Team ihn genauso für diese Einstellung wie die anderen drei Millionen Waliser.»

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