Das Ende einer Ära

«Ich glaube, dass Borussia Dortmund eine Veränderung braucht»: Trainer Jürgen Klopp nimmt zum Saisonende seinen Hut, um den kriselnden Verein wieder auf Kurs zu bringen.

Borussia Dortmund's head coach Juergen Klopp leaves a press conference through a door reading "exit" in the Dortmund stadium, Wednesday, April 15, 2015. Klopp will leave Borussia Dortmund at the end of this season after seven years in charge, stepping down after a dismal season for the soccer club. Letters read 'exit'. (AP Photo/Martin Meissner) (Bild: MARTIN MEISSNER)

«Ich glaube, dass Borussia Dortmund eine Veränderung braucht»: Trainer Jürgen Klopp nimmt zum Saisonende seinen Hut, um den kriselnden Verein wieder auf Kurs zu bringen.

Abschiede erzeugen häufig ein Gefühl grosser Trauer, und es war nicht zu übersehen, dass Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc tief bewegt waren, als sie mit dünnen Lippen und zitternden Stimmen die Trennung von dem Mann bekannt geben mussten, der alles überstrahlt bei Borussia Dortmund.

«Wir haben die gemeinsame Entscheidung getroffen, dass der Weg, den wir sieben Jahre lang mit unglaublichem Erfolg gegangen sind, zu Ende ist», sagte Watzke, der Geschäftführer des Traditionsvereins aus dem Revier. Er war den Tränen nahe, starrte ins Leere. Und Sportdirektor Zorc erklärte offenkundig ebenfalls tief berührt an Jürgen Klopp gewandt: «Du hast dem Klub und mir persönlich viel Energie und Optimismus mitgegeben.»

Aufhören aus Überzeugung

Nur der Mann im Mittelpunkt lächelte immer wieder, und wer die drei Herren in diesen Augenblicken beobachte, konnte noch einmal spüren, was für ein besonderer Fussballtrainer Jürgen Klopp ist. Selbst in diesem Moment, in dem ein Gefühl der Wehmut und Trauer die Fussballstadt Dortmund umhüllte, war es Klopp, der Zuversicht ausstrahlte, der Trost spendete.

Bis zum Saisonende wird der 47-Jährige die Mannschaft noch trainieren. «Ich habe den einen letzten Traum, noch einmal mit gutem Grund auf einem Lastwagen um den Borsigplatz zu fahren und einen Titel zu feiern», sagte Klopp. Dazu müsste der BVB den DFB-Pokal gewinnen, in dem Ende April das Halbfinale beim FC Bayern ansteht.

«Ich habe immer versprochen, dass ich sagen, werde, wenn ich nicht mehr der richtige Trainer für diesen aussergewöhnlichen Verein bin», erzählte Klopp, neuerdings könne er «diese Frage nicht mehr eindeutig mit Ja beantworten». Er sei weder müde, noch kokettiere er mit einem Wechsel zu einem anderen Verein, er sei einfach nur überzeugt, dass Borussia Dortmund in der kommenden Saison mit einem neuen Trainer besser funktioniere.
 
Zwar waren Fragen zu Klopps Nachfolger auf der Pressekonferenz nicht erlaubt, «Sicherheit geht vor Schnelligkeit», sagte Watzke nur, aber der Verlauf dieses Tages deutet recht eindeutig in Richtung Thomas Tuchel. Der ehemalige Mainzer Trainer, der derzeit pausiert, im kommenden Spieljahr aber wieder arbeiten möchte, wurde in den vergangenen Tagen heftig vom Hamburger SV umworben und sagte dort schliesslich ab. Bruno Labbiadia übernimmt den abstiegsbedrohten Traditionsverein aus der Hansestadt, es gilt als wahrscheinlich, dass Tuchel das Angebot ablehnte, weil er mit Avancen aus Dortmund konfrontiert wurde.

epa04705356 Juergen Klopp (R), head coach of German Bundesliga soccer team Borussia Dortmund, sits next to Borussia Dortmund's General Manager Hans-Joachim Watzke during a press conference at Signal Iduna Park in Dortmund, Germany, 15 April 2015. The club has agreed to Klopp's request for an early release from his contract after this season, a representative for the club said today. EPA/FEDERICO GAMBARINI

Und Tuchel hat ein Händchen für den Nachlass von Jürgen Klopp, das hat er schon bei Mainz 05 bewiesen, wo allerdings ein Jahr mit Jörn Andersen zwischen den beiden hoch geschätzten Fussball-Lehrern lag. Und die Aussicht auf Tuchel, der von vielen Experten als talentiertester deutscher Trainer überhaupt gehandelt wird, kann zweifellos als Trost für die trauernden Dortmunder taugen. Dafür war allerdings vorerst noch kein Platz in den Erklärungen von Watzke/Zorc, die als Fragment der einstmals gefeierten Troika an der Spitze des Dortmunder Erfolgskonstruktes übrig bleiben.
 
Klopp war immer der Unersetzliche unter den drei Machern, aber er ist eben auch der Mann, der an der vordersten Front arbeitet und dort am ehesten verschleisst. «Ich glaube, dass Borussia Dortmund eine Veränderung braucht, und wenn ich gehe, können viele andere Dinge gleich bleiben», sagte der scheidende Trainer. Dieser Satz deutet darauf hin, dass die Zusammenarbeit mit der Mannschaft nicht mehr so fruchtbar ist wie in den Erfolgsjahren.

Der «heisseste Klub Europas»

Klopp argumentierte aber in eine andere Richtung: «Für eine Entwicklung braucht man immer die Möglichkeit, kleine Schritte zu machen», führte er aus. Ein BVB in der alten Konstellation werde aber «immer an alten Erfolgen gemessen», das mache kleine Schritte und somit eine Wiederholung der grossen Erfolge unmöglich.
 
In den sieben Jahren zuvor war es Klopp meisterhaft gelungen, eine Mannschaft mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln, dafür aber mit einer überzeugenden Idee an die europäische Spitze zu führen. Die renommierte englische Fussballzeitschrift feierte den BVB vor gut zwei Jahren als «heissesten Klub Europas», der rasante Fussball dieses Trainers war stilprägend. Auch der FC Bayern München hat Elemente der Dortmunder Spielweise übernommen, um so 2013 die Champions League zu gewinnen. Im Finale gegen den BVB.
 
Dieses Endspiel markiert den Höhepunkt der Ära des gebürtigen Schwaben im Revier. Danach folgten zwei Jahre des Niedergangs, die ihren Tiefpunkt am 19. Spieltag fanden, als der BVB auf den letzten Tabellenplatz abrutschte. Im Vorjahr wurde die Mannschaft zwar noch Zweiter in der Bundesliga, aber der Rückstand auf den enteilten FC Bayern betrug am Ende 19 Punkte. Ein grundlegender Umschwung ist Klopp nicht gelungen, und dieses Scheitern hat ganz unterschiedliche Facetten.

Decodierte Taktik
 
In der Hinrunde verletzten sich immer neue Spieler zum Teil schwer, es gab die These, dass dieser Verschleiss eine Folge des intensiven Fussballs sei, was Klopp immer bestritt. Ausserdem kursierte der Gedanke, dass immer mehr Teams funktionierende Gegenstrategien zu Klopps Hochgeschwindkeitsfussball gefunden haben, einfach weil sie selbst Aspekte dieser Spielweise übernehmen, täglich trainieren und damit auch bekämpfen lernen. «Tempo kann man nicht entschlüsseln», lautete Klopps genervte Antwort auf die Frage, ob der BVB-Fussball decodiert sei.
 
Geglaubt hat ihm das längst nicht jeder, aber Klopp musste so sprechen, denn der Zweifel ist ein gefährliches Gift für den Pressing-, Gegenpressing- und Umschaltfussball, der den BVB so gross machte. Hätte Klopp öffentlich zugegeben, dass die Spielweise nicht mehr funktioniert, wäre es ihm nur noch schwerer gefallen, seine ohnehin schon nicht mehr vollständig überzeugten Spieler am Laufen zu halten. Aus dieser Falle konnte er sich nicht mehr befreien.

Die Zerwürfnisse zwischen dem Trainer und Teilen der Mannschaft waren nicht mehr zu übersehen.

Zwar versicherte Klopp, dass es «nie einen Riss zwischen mir und der Mannschaft gegeben habe», aber dass das Team seinem Trainer nicht mehr so bedingungslos folgte, wie in den Erfolgsjahren war nicht zu übersehen. Am vorigen Wochenende gab es beim 1:3 bei Borussia Mönchengladbach einen offenen Disput mit Sebastian Kehl am Spielfeldrand, der zwar nicht auf eine bittere Feindschaft schliessen lässt. Auf Meinungsverschiedenheiten, wie sie es in der süssen Zeit nicht gab, aber schon.
 
Dauerhafter Misserfolg reisst nun einmal Wunden, die am Ende nur noch schwer heilen, das ist eine Alte Weisheit des Profifussballs. Zumal Klopps Mantra der Hinrunde sich als Fehleinschätzung entpuppte. Im Herbst hatte er eisern behauptet, wenn nicht mehr so viele Spieler verletzt seien und wenn die Feinheiten des Spiels nach einer kompletten Wintervorbereitung einstudiert seien, werde alles besser. Kurz sah es so aus, als ob das richtig sei. Aber nach einem Zwischenhoch tauchten nach und nach alle alten Probleme wieder auf. Und die Zerwürfnisse zwischen dem Trainer und Teilen der Mannschaft waren nicht mehr zu übersehen.

Ziel: Teilnahme am Europapokal

Dass Klopp das derart klar reflektiert und allem Anschein nach als treibende Kraft der Trennung die Konsequenzen zieht, ist bemerkenswert, er ist zur Überzeugung gelangt, dass die Zukunft des Klubs mit einem anderen Trainer erfolgreicher sein wird. «Es geht darum, dass dieser Verein das grossartige Potenzial, das her hat, wieder nutzen kann», sagte er. Und dafür will er nun noch die bestmöglichen Voraussetzungen schaffen.

«Wenn diese Pressekonferenz rum ist, werde ich wieder voll im Paderborn-Thema sein», der Abstiegskandidat ist am Samstag zu Gast beim BVB. Und dort soll eine Aufholjagd gestartet werden, die möglichst auf Rang sieben endet, denn dieser Platz berechtigt sehr wahrscheinlich zur Teilnahme am Europapokal. «Jürgen, Du kannst Dir sicher sein, dass Dir der ewige Dank aller Borussen nach dieser unfassbar erfolgreichen Zeit zuteil wird», sagte Watzke noch, und dann machten sie sich wieder an die Arbeit an der Zukunft. Jeder auf seine Art.

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