Das etwas andere Fussballturnier

An der Schweizer-Meisterschaft im Strassenfussball traten Mannschaften aus sozial Randständigen gegeneinander an. Im Zentrum standen nicht die Ergebnisse, bei den Finalspielen ging es dennoch zur Sache.

Goal! (Bild: Jerome Zech)

An der Schweizer-Meisterschaft im Strassenfussball traten Mannschaften aus sozial Randständigen gegeneinander an. Im Zentrum standen nicht die Ergebnisse, bei den Finalspielen ging es dennoch zur Sache.

Während viele Stadtzürcher am Samstagvormittag an den Kanzleiflohmarkt schlendern, wundern sich einige über das Treiben, das sich auf dem Helvetiaplatz in Zürich abspielt. Der ehemalige Fussballtrainer und heutige Fernsehexperte Gilbert Gress verkündet über Lautsprecher, dass es heute nur EINEN Sieger geben könne – eine Floskel, die es von ihm oft auch im Fernsehen zu hören gibt. Doch dann folgt etwas Unerwartetes, das er so wohl am Bildschirm nie sagen würde: «Dennoch können sich heute alle Teilnehmenden als Sieger fühlen.»

Gress begrüsst mit diesen Worten die Spieler und Zuschauer zum Abschluss der Jubiläumssaison der Strassenfussball-Meisterschaft. Seit mittlerweile zehn Jahren organisiert das Surprise Strassenmagazin Fussballturniere für sozial Randständige in der Schweiz. Beim Strassenfussball treffen Mannschaften aufeinander, die sich aus Obdachlosen, ehemaligen Drogenabhängigen oder arbeitslosen Jugendlichen zusammensetzen. In einem Spielfeld, das komplett von Netzen und Banden eingezäunt ist, spielen jeweils drei Feldspieler und ein Torhüter gegeneinander. Alle sind mit vollem Einsatz dabei, können ihren Alltag für eine kurze Zeit ausblenden und freuen sich über jede gelungene Aktion. Viele der spärlich erschienenen Zuschauer sind beeindruckt vom Treiben auf dem Asphaltplatz.

Strassenfussball-Nati gegen das Prominenten-Team

Höhepunkt ist das Spiel der Schweizer Strassensport-Nationalmannschaft gegen ein «Allstar-Team». Letzteres setzt sich aus Prominenten wie Regisseur Michael Steiner, Schauspieler Leonardo Nigro und oder den ehemaligen Nationalspielern wie Pascal Zuberbühler oder Franco Di Jorio zusammen. Thomas Bickel ist auch dabei, inzwischen bereits zum vierten Mal. Er fände es wichtig, dass man sich Zeit nehme für solche Anlässe, sagt er. Bickel ist Vorstandsmitglied des Vereins «ClubSuisse4Football», der sich in den verschiedensten Sparten des Fussballs engagiert und deshalb auch den Strassenfussball unterstützt. Es sei schön, dass hier Leute aus verschiedensten sozialen Verhältnissen zusammenkommen, um gemeinsam Fussball zu spielen, sagt Bickel.

Die Promis gewinnen das Spiel gegen die Nationalmannschaft schliesslich mit 8 zu 4. Doch das Resultat ist nebensächlich. «Es war ein riesiges Erlebnis für mich, einmal gegen Zubi spielen zu dürfen», sagt Jamie. Der 45-jährige Basler spielt seit zwei Jahren Strassenfussball und trainiert jeden Samstag zusammen mit seiner Mannschaft «Elim». Im Oktober reist er als Mitglied der Nationalmannschaft für zehn Tage nach Mexiko zum Homeless World Cup.  Eine Erfahrung, die jeder Strassenfussballer nur einmal machen darf, so schreibt dies das Turnierreglement vor. Jamie erzählt mit einem Leuchten in den Augen von den bevorstehenden Wochen.

Bei den Finalspielen geht es zur Sache

Schliesslich geht die Strassenfussball-Meisterschaft in Zürich in die entscheidende Phase. Wie bei jedem anderen Fussballturnier auch, bekommen die Schiedsrichter jetzt mehr zu tun. Meret Pardey, eine 20-jährige Studentin, ist neben den zwei aus Holland angereisten Gastschiedsrichtern die erfahrenste. Und diese Erfahrung ist hie und da auch bitter nötig, denn geht es ums Weiterkommen oder Ausscheiden, haben manche Spieler Mühe, ihre Gefühle im Zaum zu halten. Nach mittlerweile vier Jahren kennt Pardey viele der Akteure persönlich. «Es geht mir manchmal ziemlich nahe, wenn ich sehe, wie die Spieler über ein verlorenes Spiel trauern», sagt sie. Die Begeisterung, die sie an einem solchen Turnier verspüre, überwiege aber klar.

Kurz nach vier Uhr ist das Turnier zu Ende. Im Final setzte sich «Hau denäbe SZ» gegen «Jarajoo Bern» knapp mit 4:3 durch. Doch wie Gilbert Gress zu Beginn des Tages gesagt hat: «Es kann nur einen Sieger geben. Dennoch können sich heute alle Teilnehmenden als Sieger fühlen.»

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