Das Greenhorn auf dem Schleudersitz

Er gilt als Musterschüler und soll nun 1899 Hoffenheim aus prekärer Situation befreien: Julian Nagelsmann ist mit seinen 28 Jahren der jüngste Cheftrainer der Bundesliga. Als Nachfolger von Huub Stevens beginnt seine Mission am Samstag in Bremen.

epa05156145 Julian Nagelsmann, new coach of German Bundesliga soccer club 1899 Hoffenheim, smiles during a press confoerenc ein Zuzenhausen, Germany, 12 February 2016. 28-year-old Nagelsmann is to become the currently youngest coach of the German Bundesliga. EPA/UWE ANSPACH

(Bild: Keystone/UWE ANSPACH)

Er gilt als Musterschüler und soll nun 1899 Hoffenheim aus prekärer Situation befreien: Julian Nagelsmann ist mit seinen 28 Jahren der jüngste Cheftrainer der Bundesliga. Als Nachfolger von Huub Stevens beginnt seine Mission am Samstag in Bremen.

Er genoss seinen ersten grösseren Auftritt, er lächelte viel, gab auf jede Frage eine präzise Antwort und er erweckte nie den Eindruck, noch ein Greenhorn zu sein. Julian Nagelsmann hat mit gerade mal 28 Jahren die Chance bekommen, die akut abstiegsgefährdete Bundesliga-Mannschaft der TSG 1899 Hoffenheim ab sofort zu übernehmen, und offenbarte bei seiner Vorstellung am Freitagmittag keinerlei Hemmungen, seine Premiere sogleich als Nothelfer angehen zu müssen.

Der vom U19-Coach des Klubs zum Cheftrainer aufgestiegene Oberbayer äusserte gleich zu Beginn einen Satz voller Optimismus und Selbstvertrauen: «Ich bin überzeugt, dass wir besser Fussball spielen und den Klassenerhalt schaffen können.» Trotz fünf Punkten Rückstand auf den Relegationsrang sechzehn und sieben Punkten Abstand zum rettenden fünfzehnten Platz. «Ich glaube», sagte Nagelsmann bei seiner Präsentation in der Hoffenheimer Akademie in Zuzenhausen, «ich kann mit meiner Art neue Reize setzen und habe Ideen in meinem Kopf.»

Der Alte und der Junge: Der 28-jährige Julian Nagelsmann (links) soll schaffen, was der 62-jährige Fahrensmann Huub Stevens auch aus gesundehtlichen Gründen nicht geschafft hat und nicht mehr schaffen wollte.

Der Alte und der Junge: Der 28-jährige Julian Nagelsmann (links) soll schaffen, was der 62-jährige Fahrensmann Huub Stevens auch aus gesundehtlichen Gründen nicht geschafft hat und nicht mehr schaffen wollte. (Bild: Keystone)

Vorstellungen, die möglichst umstandslos realisiert werden sollen, da die Nordbadener an diesem Samstag bei Werder Bremen antreten müssen, das derzeit den Relegationsrang belegt. Schon nach der ersten Trainingseinheit am Donnerstagnachmittag hatte der Nachfolger des aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Huub Stevens den Eindruck, dass die nun von ihm angeleiteten Profis des Tabellensiebzehnten «auf jeden Fall befreit» wirkten und dazu noch «motiviert, griffig, giftig und aggressiv».

Lauter Ingredienzien, die die Kraichgauer an diesem Samstag im Weserstadion brauchen, um nach tristen Wochen bei den Gewinnern des 21. Spieltages zu sein.

Der Musterschüler

Nagelsmann, der im März mit voraussichtlich exzellenter Benotung seine Ausbildung zum Fussballlehrer abgeschlossen haben wird, musste nicht lange überlegen, ja zu sagen zur Hoffenheimer Bitte, schon jetzt und nicht erst wie geplant im Sommer eine neue Hauptrolle in dem Verein anzunehmen, in dem er seit 2010 die U17 und die U19 zu vielen Erfolgen angeleitet hat.

Der junge Mann gilt in seiner Szene als Überflieger und bescherte der TSG 2014 auch die erste deutsche Meisterschaft – als Übungsleiter der U19. Sein Talent wird mit dem von Thomas Tuchel verglichen, der inzwischen Borussia Dortmund zur stabilen Nummer zwei der Bundesliga gemacht hat und 2009 seinen ersten Erstligaauftrag beim FSV Mainz 05 nach der deutschen Meisterschaft mit den dortigen U19-Junioren wie selbstverständlich übernahm.



epa05156211 Julian Nagelsmann (L), new coach of German Bundesliga soccer club 1899 Hoffenheim, and Hoffenheim's sporting director Alexander Rosen pose at a press conference in Zuzenhausen, Germany, 12 February 2016. 28-year-old Nagelsmann is to become the currently youngest coach of the German Bundesliga. EPA/UWE ANSPACH

Hoffnungsträger: Julian Nagelsmann mit Hoffenheims Sportdirektor Alexander Rosen (rechts) bei der Vorstellung am Freitag als neuem Trainer des abstiegsgefährdeten Bundesligisten. (Bild: Keystone/UWE ANSPACH)

Tuchel, einst in Augsburg der U23-Coach von Nagelsmann, prägte auch den neuen Hoffenheimer Cheftrainer, als er ihm früh dazu riet, eine Trainerkarriere anzustreben. Nagelsmann musste seine aktive Laufbahn schon mit zwanzig Jahren wegen eines Knorpelschadens beenden und wurde danach zum Scout und Helfer Tuchels.

Jetzt ist er dessen Kollege, der jüngste, der je in der Bundesliga mit der Chefausbilder-Position betraut worden ist. Wenn man von Bernd Stöber absieht, der 1976 als 24-Jähriger für ein Spiel interimistisch auf der Trainerbank des 1. FC Saarbrücken sass.

«Vor einer Gruppe muss man Selbstbewusstsein haben»

Der Bayer hat sie wie selbstverständlich angenommen und einen Tag später hervorgehoben: «Selbstbewusstsein muss jeder haben, der vor einer Gruppe steht und seine Ideen in die Tat umsetzen will. Ich habe vor jeder Aufgabe Respekt gehabt, aber niemals Angst.» Entsprechend mutig reiste Nagelsmann mit seinem Team, zu dem der Ex-Basler Fabian Schär sowie die weiteren Schweizer Pirmin Schwegler und Steven Zuber gehören, am Freitagnachmittag gen Bremen.

Nagelsmann, der in der bisher prekärsten Hoffenheimer Bundesliga-Saison 2012/13 Assistenzcoach bei den Profis war und dabei in Frank Kramer, Marco Kurz und Markus Gisdol gleich drei Cheftrainer erlebte, wäre «dankbar, wenn der Ausgang diesmal genauso wie damals wäre». Seinerzeit rettete sich die Mannschaft mit einem Sieg am letzten Spieltag bei Borussia Dortmund in die Relegation, in der sie den Klassenabstand zum 1. FC Kaiserslautern halten konnte.

Ein Fussball nach Guardiola- und Tuchel-Prinzipien

Auf Sicht möchte Nagelsmann, der einen Vertrag bis 2019 bei den Hoffenheimern unterschrieben hat, einen Fussball spielen lassen, der von denselben Prinzipien bestimmt ist wie der unter Tuchel in Dortmund und der unter seinem grossen Trainervorbild Pep Guardiola in München: mit Elementen der Balleroberung und des Ballbesitzes.

Nagelsmann und die Sache mit dem «Baby-Mourinho»:

Zunächst aber muss er die Herzen und Köpfe seiner zuletzt völlig verunsicherten Spieler erreichen. Alexander Rosen, der Direktor Profifussball bei der TSG, ist davon überzeugt, dass Nagelsmann seinen Job inhaltlich und psychologisch bewältigen wird: «Er ist», sagt Rosen, «mit einer besonderen Begabung für diesen Beruf gesegnet. Wenn man sieht, wie er coacht, welche natürliche Autorität er besitzt, wie seine Ansprachen sind, wie fleissig und extrem wissbegierig er ist, ist es kein Wunder, dass das Feedback auf ihn absolut positiv ist.»

Was das für die Hoffenheimer zur Folge hat, wird sich zeigen. Seit Freitag blüht zumindest wieder der Optimismus im Kraichgau.

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