Das Jugendkonzept des FCB fällt vorerst den Resultaten zum Opfer

Nach zehn Spielen unter dem neuen Trainer Raphael Wicky steht der FC Basel nicht dort, wo er eigentlich sein möchte. Er hat zu wenige Punkte in der Meisterschaft, ist zu wenig effizient vor dem Tor und war in der Champions League bisher ohne Chance auf Punkte. Die Folge ist, dass die eigenen Junioren nicht zum Zug kommen.

In den Testspielen überzeugend, in Wettbewerbspartien kaum eingesetzt: Dominik Schmid, einer der jungen Basler im Kader des FCB. (Bild: Keystone/Patrick Straub)

Als in Chiasso die Nachspielzeit lief, hatte Raphael Wicky noch vier Spieler zum Einwechseln auf der Bank: Einen frischen Torhüter (Tomas Vaclik) brauchte es beim Stand von 1:0 für den FC Basel nicht, einen Aussenverteidiger für die linke Seite (Blas Riveros) ebenso wenig. Der Trainer hatte also die Wahl zwischen Davide Callà und Dominik Schmid. Er schenkte dem 32-jährigen Callà das Vertrauen und nicht dem 19-jährigen Schmid.

Es ging gerade noch mal gut für den FC Basel, der Meister qualifizierte sich für den Achtelfinal im Schweizer Cup. Bei dem knappen Resultat gegen den Challenge-Ligisten darf man Verständnis haben für Wickys Wahl, in der Nachspielzeit auf Routine anstatt auf Jugend zu setzen.

Die Szene steht sinnbildlich für die Situation, in der sich der FCB befindet: Er ging mit der Idee in die Saison, jungen Baslern aus dem eigenen Nachwuchs mehr Einsatzzeit zu gewähren. Doch nach zehn Spielen und einigen Resultaten, mit denen die Basler nicht zufrieden sein können, scheint dieses Konzept auf die lange Bank geschoben zu sein.

Die vier weiteren Youngster beim FC Basel neben Dominik Schmid, die auf ihre Chance hoffen: die Verteidiger Raoul Petretta und Pedro Pacheco (oben von links) sowie die beiden Offensivspieler Neftali Manzambi und Afimico Pululu (unten von links).

Raphael Wicky betrachtet das anders: «Für mich ist immer klar gewesen, dass wir im September nicht plötzlich drei, vier U21-Spieler auf dem Platz haben werden. Das war nie der Plan. Der Plan ist, Schritt für Schritt und mit klarem Konzept wieder mehr junge Spieler einzubauen. Da sind wir dabei, das ziehen wir durch, aber das braucht Zeit.»

Ausserdem gibt der Trainer zu bedenken: «Es gibt eine gewisse Hierarchie in der Mannschaft, es hat ein paar Spieler, die in den letzten Jahren relativ viel erreicht haben für den FC Basel. Die sind immer noch da, und die haben immer noch sehr viel Qualität.»

Im Cup kommt vor allem Petretta zum Zug – in der Liga stehen die Jungen hinten an

Erst drei der jungen Basler standen in der Super League auf dem Feld und sammelten zusammen gerade mal 100 Minuten Einsatzzeit. Und im Cup, dem Tummelfeld für die Jungen, auf dem sie sich präsentieren und für höhere Aufgaben empfehlen können, warten zwei Basler nach zwei Spielen noch immer auf ihren ersten Einsatz.

Petretta ist der einzige Junge, der bei beiden Cup-Partien über die volle Distanz zum Einsatz kam. Weil Blas Riveros, der andere junge Aussenverteidiger – kein Basler, sondern paraguyaischer Nationalspieler – jeweils geschont wird, da er in Meistschaft und Champions League den Vorzug erhält. Dass Pululu und Manzambi mehrheitlich in der U21 zum Einsatz kommen, erstaunt kaum, da sich angesichts der schwachen Ausbeute in der Offensive alles auf den in der Liga sicheren Wert Ricky van Wolfswinkel konzentriert.

Erstaunlich ist eher, dass Wicky kaum auf Dominik Schmid setzt. Der Schweizer Juniorennationalspieler hatte in der Vorbereitung mit starken Auftritten auf sich aufmerksam gemacht, in Basel sprach man von einem Versprechen für die Zukunft. Die Medien geizten nicht mit Lob, auch an dieser Stelle war die Rede von Schmids überzeugendem Spiel in die Tiefe. Und Matias Delgados Rücktritt aus dem Nichts durfte man als Zeichen deuten, dass Schmid von da an mehr Einsatzzeit bekommt.

«Für Dominik Schmid herrscht eine grosse Konkurrenzsituation. Da muss er in jedem Training kämpfen.»

Doch Schmid kommt kaum zum Einsatz. Nach seinem Debüt im drittletzten Spiel unter Urs Fischer stand er unter Wicky neun Mal im Kader. Drei Mal kam er zum Einsatz, mehr als 166 Minuten erlebte er in zehn Spielen aber nicht auf dem Feld.

Dazu nahm Wicky am Dienstag auf Nachfrage Stellung: «Dominik hat eine sehr gute Vorbereitung gehabt und ist auf einem sehr guten Weg. Ein Spieler, der sicher eine gute Zukunft vor sich hat, wenn er so weiterschafft. Aber auf den Positionen, die er spielt, herrscht eine relativ grosse Konkurrenzsituation. Da muss er sich in jedem Training reinkämpfen, und wenn er die Chance bekommt, dann muss er sie nutzen.»

Noch bekommt das Publikum wenig zu sehen vom Potenzial

Die Ausschöpfung des Jugendreservoirs ist bisher also überschaubar. Einzig in der ersten Cuprunde setzte Wicky drei der fünf Jungen über 90 Minuten ein und nutzte so 60 Prozent seines Jugendpotenzials. Bereits gegen den FC Chiasso aus der Challenge League lag der Wert in der zweiten Cuprunde nur noch bei knapp über 20 Prozent. Und in der Meisterschaft sind die knapp 13 Prozent gegen den FC Luzern der einsame Höhepunkt in der Umsetzung des neuen Konzeptes.

Ansonsten bekommt das Basler Publikum die proklamierte Jugend nicht zu sehen. Der FCB hangelt sich mit arriviertem Personal durch das erste Viertel der Saison, mal überzeugender, öfters aber mit dürftigen Auftritten.

Die Jungen brauchen Einsätze, um näher an das Level der ersten Mannschaft herangeführt zu werden. Deswegen setzt sie der FCB auch immer wieder in der U21 ein, Dominik Schmid beispielsweise durfte in der Promotion League einmal über 90 Minuten ran, Torerfolg inklusive.

Am vergangenen Wochenende kam Innenverteidiger Pedro Pacheco auf 90 Minuten beim 0:0 der U21 in Bavois, und Manzambi spielte 62 Minuten.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Pacheco wurde am meisten in der zweiten Mannschaft eingesetzt, und eigentlich müsste seine Stunde nun in der Super League schlagen, da Marek Suchy und Eder Balanta für das Spiel an diesem Mittwoch beim FC St. Gallen gesperrt fehlen. Doch Wicky hat angekündigt, Michael Lang neben Manuel Akanji in der Innenverteidigung zu nominieren. 

https://tageswoche.ch/sport/fcb-dezimiert-nach-sankt-gallen/

Unmittelbar nach dem Cupspiel in Chiasso dachte der Trainer bereits laut über diese Variante nach. Das Signal an Pacheco und an die ganze Jugend ist deutlich: Der Nachwuchs kommt auch dann nicht zum Einsatz, wenn eine Vielzahl des gestandenen Personals nicht zur Verfügung steht. Es sei denn, es gibt eine Dreierkette – dann wäre ein Platz für Pacheco frei.

Wie auch immer. Stellvertretend am Beispiel von Dominik Schmid skizziert Wicky seine Überlegungen: «Ich mache mir da überhaupt keine Sorgen. Wir machen uns keinen Druck, wir machen dem Spieler keinen Druck, und wenn er so weiterschafft, wird er seine Einsatzzeit haben.»

Die Einsatzstatistik der FCB-Spieler beim TagesWoche-Tool rotblaulive.ch

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