Das kleine Finale

Höhere Ziele wie nationale Meisterschaft oder Champions League haben sie verpasst – heute machen Benfica Lissabon und der Basel-Bezwinger Chelsea in Amsterdam den Europa-League-Sieger untereinander aus (20.45 Uhr, SRF 2 live).

A man sells scarves for the upcoming Europa League final soccer match in central Amsterdam May 14, 2013. Chelsea will play Benfica in their Europa League final soccer match in Amsterdam on Wednesday. REUTERS/Cris Toala Olivares (NETHERLANDS - Tags: SPORT (Bild: REUTERS/Cris Toala Olivares)

Höhere Ziele wie nationale Meisterschaft oder Champions League haben sie verpasst – heute machen Benfica Lissabon und der Basel-Bezwinger Chelsea in Amsterdam den Europa-League-Sieger untereinander aus (20.45 Uhr, SRF 2 live).

John Terry kann wegen einer Knöchelverletzung leider nicht den Europa-League-Final gegen Benfica spielen, aber seine Schienbeinschoner hat der Captain natürlich trotzdem eingepackt. Chelsea bestätigte, dass der 32-Jährige im Falle eines Sieges in der Amsterdam-Arena den Pokal mit in die Höhe stemmen dürfe, wie vor einem Jahr in München. Terry, damals für das Champions-League-Endspiel gesperrt, erschien nach dem Schlusspfiff stolz und in voller Spielermontur zur Siegerehrung.

Die Geschichte könnte sich am Mittwoch auch in anderer Hinsicht wiederholen. Mit Rafael Benítez steht schon der dritte Chelsea-Interimstrainer in einem europäischen Finale. Vorgänger Roberto Di Matteo gewann in dieser Funktion die Champions League, Avram Grant verlor 2008 im gleichen Wettbewerb im Elfmeterschiessen. Vielleicht haben die Fussballlehrer ohne feste Anstellung mehr Handlungsspielraum im Club des launischen Rohstoff-Oligarchen Roman Abramowitsch – sie müssen nicht um die eigene Zukunft kümmern, sondern nur um die Gegenwart.

Das 68. Pflichtspiel für Chelsea

Benítez zum Beispiel rotiert seit Wochen den Kader ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten des «ancien regime» um Terry und Frank Lampard, der gegen die Portugiesen voraussichtlich nicht in der Startelf stehen wird. «Wir müssen das Beste aus dem Kader herausholen», sagt der 53-jährige Spanier. 67 Pflichtspiele haben an der Kondition gezehrt, und in Amsterdam fällt der brillante Mittelfeldspieler Eden Hazard verletzt aus.

Benfica – 51 Jahre Warten

Den FC Porto nach zwei Meistertiteln wieder abzulösen hat Benfica Lissabon am vergangenen Wochenende im mit 1:2 verlorenen Spitzenspiel wahrscheinlich verpasst. Das Triple (letzte Runde am kommenden Wochenende, Cupfinal am 25. Mai) ist zwar noch möglich, aber in Amsterdam haben die Portugiesen nun zunächst die Chance, eine lange Durststrecke zu beenden und den ersten internationalen Titel seit 51 Jahren zu holen. Seit dem letzten Triumph im Meistercup 1962 verlor Benfica sechs Europacup-Finals, zuletzt 1990 gegen die AC Milan im Landesmeister-Wettbewerb.

Basler Spitzenwerte

Mit Paraguays Nationalstürmer Oscar Cardoso (sechs Treffer) steht in Reihen von Benfica der beste noch im Wettbewerb vertretene Torschütze. In der von der Uefa zusammengetragenen Statistik zur Europa League wurden beim Halbfinalisten FC Basel die meisten Torschüsse gezählt, und Yann Sommer zeigte die meisten Paraden. (cok)

Nach dem 2:1-Sieg in der Premier League bei Aston Villa haben die drittplatzierten Blues das Minimalziel, die Qualifikation für die Champions League, fast schon sicher. Nun können die West-Londoner nach Juventus, Ajax und dem FC Bayern der vierte Club werden, der alle drei europäischen Pokale schon einmal gewonnen hat.

Mehr als ein prestigeträchtiger Trost für das frühe Aus in der Gruppenphase der Königsklasse und wechselhaften Leistungen in der Meisterschaft kann ein Sieg in der Europa League jedoch nicht bedeuten. «Um Platz vier zu spielen kann nicht unser Anspruch sein», sagt Frank Lampard.

Wieviel – oder wie wenig der zweitwichtigste europäische Wettbewerb den Blauen wirklich wert ist, wurde in einer kulinarischen Metapher von David Luiz offensichtlich. «Wir sind immer hungrig auf Titel», sagte der brasilianische Verteidiger, «im letzten Jahr habe ich Fleisch gegessen, jetzt gibt es eben Huhn.» Enthusiasmus hört sich doch etwas anders an.

Benítez sucht neuen Job

Ungewöhnlich an diesem Endspiel ist aus Londoner Sicht auch, dass in Amsterdam keinerlei Weichen gestellt werden, von dem Resultat hängt nicht viel ab. Benítez, der bei den Fans wegen seiner Vergangenheit als Liverpool-Coach ungeliebte Spanier, verlässt unabhängig vom Resultat den Club nach Saisonende; «ich suche nach einem neuen Job in der Premier League», gab der 53-Jährige vor der Abreise in die Niederlande offen zu. Unabhängig vom Ausgang in Amsterdam wird es für «Rafa», wie ihn die Spieler rufen, schwer, noch einmal Fuss zu fassen – für den englischen Geschmack verfügt er nicht über genügend Siegeraura.

Dieses Problem hat José Mourinho nicht. Der 50-Jährige, der im September 2007 nach einem Streit mit Abramowitsch gefeuert wurde, wird an die Stamford Bridge zurück kehren, das steht seit Wochen fest. Der Russe hat sich mit dem Portugiesen schon lange ausgesöhnt, man will es noch einmal miteinander versuchen. Auch, weil beiden Parteien die Alternativen fehlen.

Chelseas Poker um Mourinho

Mourinho hatte auf das Amt von Alex Ferguson bei Manchester United spekuliert, war jedoch im Old Trafford wegen seiner Art, die Schlagzeilen zu monopolisieren, nie ein ernsthafter Kandidat. Chelsea wiederum hätte gerne Pep Guardiola verpflichtet. Nur die Modalitäten von Mourinhos Abgang bei Real Madrid sind noch zu klären. Abramowitsch ist nicht bereit, den Spaniern eine Abfindung für einen Trainer zu zahlen, den diese nach vielen Querelen nur allzu gerne loswerden. Andererseits hoffen die Madrilenen, dass der Egomane aus freien Stücken geht, weil ihm sonst eine zweistellige Millionensumme zusteht.

In London wird spekuliert, dass «the Special One» als erste Amtshandlung darauf bestehen könnte, dass Lampard einen neuen Vertrag bekommt. Die perfekte PR-Aktion wäre es auf jeden Fall. Chelsea hat dem 34-Jährigen, der mit zwei Treffern gegen Villa am Samstag zum Rekordtorschützen des Vereins wurde (203 Treffer), bisher noch keine Verlängerung seines Engagements über den Sommer hinaus angeboten. Sehr zum Unmut der Fans.

John Terry, das ist die gute Nachricht für alle Freunde der alten Garde, ist nächste Saison auf jeden Fall noch dabei. Sein Vertrag läuft bis 2014.

Die Sieger in Uefa-Cup und Europa League seit 2000
Jahr Finalort Endspielpaarung Resultat
2000 Kopenhagen Galatasaray–FC Arsenal 4:1 n.P. (0:0)
2001 Dortmund FC Liverpool-CD Alaves 5:4 n.V.
2002 Rotterdam Feyenoord Rotterdam–Borussia Dortmund 3:2
2003 Sevilla FC Porto–Celtic Glasgow 3:2 n.V.
2004 Göteborg FC Valencia–Olympique Marseille 2:0
2005 Lissabon ZSKA Moskau–Sporting Lissabon 3:1
2006 Eindhoven FC Sevilla–FC Middlesbrough 4:0
2007 Glasgow FC Sevilla–Espanyol Barcelona 3:1 n.P (2:2)
2008 Manchester Zenit St. Petersburg–Glasgow Rangers 2:0
2009 Istanbul Schachtjar Donezk– Werder Bremen 2:1 n.V.
Europa League
2010 Hamburg Atlético Madrid–FC Fulham 2:1 n.V.
2011 Dublin FC Porto-Sporting Braga 1:0
2012 Bukarest Atlético Madrid–Atheltic Bilbao 3:0
2013 Amsterdam Benfica Lissabon–Chelsea FC Mi, 15.5., 20.45 Uhr

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