Die Fans von Roger Federer werden sich heute die Ohren geputzt haben: Der Tennis-Star liess seiner Enttäuschung freien Lauf – immerhin half es beim Sieg. Stan Wawrinka fluchte nicht, gewann aber trotzdem.
Nein, es gab keinen Platzstürmer an diesem frischen Frühlingstag in Paris. Niemand von den vielen Kids und Jugendlichen, der Roger Federer bei oder nach der Arbeit zu nahe gekommen wäre. Und doch war es alles andere als ein harmloser oder problemfreier Auftritt für Federer, dieser 6:2, 7:6 (7:1), 6:3-Sieg gegen den früheren Top-20-Spieler Marcel Granollers (Spanien) auf Court Suzanne Lenglen: «Es war viel härter, als es vom Ergebnis her aussieht», sagte der Baselbieter nach seinem nunmehr 63. Erfolg in den gesammelten Roland-Garros-Jahren.
Zweimal musste Federer sogar einen Break-Rückstand aufholen, alles aufbieten, um nicht noch kraftraubende Extraschleifen drehen zu müssen. In der Hitze des Gefechts präsentierte sich der Meisterspieler dabei zuweilen recht angespannt und nervös, so entfuhr ihm im dritten Satz ein für Fernsehmikrofone und Fans vor Ort unüberhörbares «Scheisse». Auch in sein Handtuch murmelte er einmal: «Das macht mich wahnsinnig hier.»
Grund zum Fluchen hatte Wawrinka
Zu solchen Bemerkungen hätte durchaus auch Stan Wawrinka Anlass gehabt, der in seiner Partie gegen den Serben Dusan Lajovic unnötige Überstunden einlegte. Der aber, nach haarsträubend verlorenem dritten Satz, wenigstens schnell wieder die Kurve kriegte und schliesslich noch klar mit 6:3, 6:4, 5:7 und 6:3 sein Mitwirken in der dritten Runde sicherte. Drei Matchbälle liess der Romand auf der Zielgeraden aus, ehe er den vierten Siegpunkt mit einer fabelhaften Rückhand verwandelte, einem der besten Schläge im ganzen Turnier bisher.
Wawrinka trifft nun auf den US-Amerikaner Steve Johnson, einen Rivalen, dem er im Tourbetrieb bisher noch nicht auf dem Court begegnet ist. Johnson hatte am frühen Mittwochnachmittag etwas überraschend den Ukrainer Sergej Stachowski ausgeschaltet.
Musste unnötige Überstunden einlegen: Stan Wawrinka. (Bild: JEAN-PAUL PELISSIER)
Wawrinka und Federer bewegten sich mit ihren Siegen auch wieder etwas näher auf ein mögliches Viertelfinal-Duell am kommenden Dienstag zu. Es wäre dann der dritte Match der beiden Schweizer Stars in Paris auf der Turnieranlage nahe dem Bois de Boulogne – 2010 und 2011 hatte jeweils Federer in drei Sätzen schonungslos dominiert. Doch auf dem Weg zu diesem eidgenössischen Rendezvous warten noch genügend Stolpersteine und Fallstricke.
Federer betritt in der dritten Runde Neuland
Federers Partie gegen den energiegeladenen Granollers zeigte, wie schnell sich überlegen geführte Partien hin und her wenden können. «Ich musste schwer kämpfen für diesen Sieg. Marcel hat mir alles abverlangt», sagte Federer später über Granollers, der inzwischen eigentlich eher in der Spezialdisziplin des Doppels den grösseren Palmarès vorzuweisen hat. Auch betritt Federer personell Neuland am Freitag in Runde 3: Dann bekommt er es mit dem aus Bosnien-Herzegowina stammenden, 23-jährigen Damir Dzumhur zu tun. «Ich kenne ihn nicht, weiss wenig über ihn», sagte Federer.
Auf seinen Ärger im dritten Satz angesprochen, sagte der vierfache Familienvater: «Ich spielte ein schlechtes, grausames Game, liess die Enttäuschung richtig raus. Und dann hatte ich eigentlich meine beste Phase im Match. Alles okay also.» Zufrieden war Federer auch mit den Sicherheitsvorkehrungen – nach dem Zwischenfall am Sonntag: «Tennis ist ein Sport, bei dem die Zuschauer den Sportlern sehr nahe sind. Das ist gut. Aber man muss eben Grenzen setzen, damit sich die Spieler auch gut aufgehoben, beschützt fühlen im Match», sagte er, «ich denke, das war ein Alarmruf auch, den alle gehört und verarbeitet haben.»