Davide Callà nennt das Kind beim Namen: Winterthur gegen Basel – das sei mittlerweile zum Cup-Klassiker geworden. Drei Mal sind die beiden Klubs seit 2012 aufeinander getroffen, jedes Mal setzte sich der Favorit aus Basel durch, mindestens einmal unter fragwürdigen Umständen, und die letzten beiden Mal stand Callà in der Startelf des FCB.
Von Revanchegelüsten kann Callà selbst nicht ausgehen – «ich stand damals ja auf der anderen Seite» –, aber er spürt natürlich diese unverhohlene Hoffnung auf der Schützenwiese auf eine Cup-Sensation. Diese Hoffnung wird genährt dadurch, dass der FC Winterthur besser dasteht als je zuvor und der FCB schlechter.
Im Sommer ist Callà zu dem Verein zurückgekehrt, bei dem er als Junior gross geworden ist. Im Spätherbst seiner Karriere hatte er bei den Rotblauen einen nicht mehr für möglich gehaltenen Höhenflug erlebt. Vier Mal ist er Meister geworden, einmal Cupsieger, er hat 128 Spiele für den FCB absolviert und 50 Skorerpunkte beigesteuert. Auch wenn er hie und da an seine Grenzen kam, war er doch unbestritten ein Spieler, der mit seiner kämpferischen Mentalität überzeugte, ein Musterprofi und ein Führungsspieler, als der er nun auch in Winterthur vorangeht.
Sein letztes Vertragsjahr in Basel verlief nicht mehr nach Wunsch. Auf zwölf Einsätze kam er noch, ein einziges Mal nominierte ihn Raphael Wicky in der Super League in der Startelf und ansonsten musste der Oldie hinter den Jungen anstehen, mit denen der FCB die Welt erobern wollte. Beklagen will sich Callà nicht. «Es war eine wunderschöne Zeit in Basel», sagt er, «die ich mir durch die letzte Saison nicht kaputtmachen lasse.»
Zur aktuellen Lage des FCB sagt Callà: «Die Rollen in der Super League haben sich vertauscht: YB hat eine starke Mannschaft und eine Bank, von der man Erfahrung einwechseln kann. Und YB gewinnt jetzt in alter FCB-Manier.»
Im Schwebezustand
Callà fühlt noch Tatendrang in sich. Die Winterthurer wollten ihn schon vergangenen Winter holen, aber es gab Gründe, den Vertrag in Basel zu erfüllen, nicht zuletzt die gute Dotierung. Jetzt aber ist Callà quasi das Gesicht des neuen Anlaufs beim FC Winterthur, eine bessere Figur abzugeben als in den vergangenen Jahren, besser als vorige Saison, die als Vorletzter beendet wurde.
Der Klub, in Winterthur sowieso und darüber hinaus auch mit einem Kultstatus versehen, wie es ihn in der Schweiz sonst kaum gibt, schwebt seit 2015 und dem schrittweisen Rückzug von Mäzen Hannes W. Keller in einem merkwürdigen Zustand. Das Präsidentenamt ist seither verwaist und die Defizitgarantie ausgelaufen. Zusammengehalten wird der Laden vom ewigen Geschäftsführer Andreas Mösli. Und von den Fans, die den Klub bei den Heimspielen mit im Schnitt 3600 Zuschauern unterstützen.
Mit Sportchef Oliver Kaiser, einem ehemaligen «Winti»-Spieler, der zuvor für den ebenso ewig im FCW-Umfeld präsenten Spieleragenten Wolfgang Vöge arbeitete, wurde eine Mannschaft umgebaut, deren erste Zwischenbilanz sich sehen lassen kann: Winterthur gehört nach dem ersten Saisondrittel zu einem Quartett, das punktgleich (21 Zähler) an der Spitze der Challenge League steht. Zum Vorjahreszeitpunkt hatte Winterthur 14 Punkte weniger und lag bereits 23 Längen hinter Leader Xamax.
Der Winterthurer Mentalitätwandel
Das hat nicht nur mit Davide Callà zu tun, aber auch. Er ist nicht der Weltenretter allein, seine Leistungen unterliegen Schwankungen wie bei jedem anderen auch. Aber mit drei Toren und fünf Assists – zuletzt leistete er beide Vorlagen zum 2:2 in Schaffhausen – ist er der beste Skorer des Teams. Und er übernimmt neben dem sportlichen Teil, seinem vorbildlichen kämpferischen und läuferischen Beitrag, vor allem auch neben dem Platz eine Rolle, die auf ihn zugeschnitten ist: Er geht darin auf, die Mannschaft zu führen.
Mit Callà sind zwei andere Ex-Winterthurer zurückgekehrt, die Verteidiger Sead Hajrovic (25) und Granit Lekaj (28), und mit Ralf Loose wurde ein Trainer ausgegraben, der schon ein bisschen in Vergessenheit geraten war. Nach Wanderjahren in Deutschland (Siegen, Augsburg, Dresden und Münster) war der 55-Jährige seit Dezember 2015 ohne Klub, hat in Winterthur bloss für eine Saison unterschrieben und überzeugt mit seiner routinierten und unaufgeregten Arbeit.
Unter dem Strich, findet Callà, «sind es die richtigen Leute am richtigen Ort». Mit dem gebürtigen Dortmunder Loose, der von 1996 an sieben Jahre lang Nationaltrainer in Liechtenstein war und seither in Vaduz seinen Lebensmittelpunkt hat, verbindet Callà eine gemeinsame Zeit beim FC St. Gallen. Dort machte ihn Loose 2005/06 schon einmal zum Captain, eine Saison, die für den Trainer mit der Entlassung als Tabellensechster vorzeitig endete.
«Es findet beim FC Winterthur ein Mentalitätswandel statt und es macht riesig Spass», sagt Callà, der sich mit der Rückkehr zu seinen Wurzeln auch einen kleinen Traum erfüllt hat: In Wiesendangen hat er mit seiner Frau und dem dreijährigen Sohn ein Haus gekauft und schwärmt: «Ich war schon immer verliebt in dieses Dörfchen.»
Callà hofft auf einen emotionalen, engen Match
Nun kommt also der FC Basel. Schöner hätte es sich für Callà und den FC Winterthur nicht ergeben können in diesem Cup-Achelfinal. Die Schützenwiese mit ihrer Kapazität von 9000 Zuschauern wird rappelvoll sein, bloss ein paar wenige Tickets sind am Tag vor dem Spiel noch zu haben. Man rechnet auch damit, dass der Gästesektor mit seinen 1800 Plätzen gut gefüllt sein wird (Callà: «Ich weiss, dass die FCB-Fans die Schützi mögen»). Und für die vergangene Woche in Feuer aufgegangene Wurstbude neben der Haupttribüne werden sie in Winterthur auch eine Ersatzlösung finden.
«Natürlich glauben wir daran, dass wir gegen Basel eine Runde weiterkommen», sagt Callà, «wir sind uns jedoch auch bewusst, dass der FCB mehr PS hat. Aber ich spüre, dass die Leute hier auf eine Sensation hoffen. Weil Winterthur derzeit besser platziert ist als in der Vergangenheit und der FCB schlechter. Aber Winterthur, das ist immer noch Challenge League, und Basel ist eine andere Dimension.»
Callà selbst, Anfang Oktober 34 Jahre alt geworden, ist jedenfalls parat: «Gesund und motiviert», wie er sagt, «und ich hoffe einfach, dass es wieder einen emotionalen und engen Match gibt.»
Tief im Winterthurer Gedächtnis: Der Halbfinal 2012
Obwohl die beiden Klubs uralt sind – der FC Winterthur wurde 1896, drei Jahre später als der FC Basel, gegründet – führte sie das Los im seit 1925 ausgetragenen Schweizer Cup lange Zeit nur einmal zusammen: 1948/49 gewann der FCB in Winterthur 2:1. 1975 trafen sie im Final aufeinander, wieder hiess der Sieger Basel (2:1 nach Verlängerung), und dann dauerte es bis 2012, ehe man sich wiedersah.
Das 1:2 im Halbfinal hat sich tief ins Gedächtnis der Winterthurer eingegraben, weil sie sich, als das Spiel Spitz auf Knopf stand, von Schiedsrichter Alain Bieri ungerecht behandelt fühlten, weil er ein Foul von Yann Sommer weder mit Elfmeter noch mit Platzverweis sanktionierte.
Auch die beiden anderen Aufeinandertreffen entschieden die Basler für sich, beide Male mit Davide Callà in der Startelf. 2014/15 hiess es nach drei Toren von Breel Embolo 4:0 gegen einen FCW, bei dem ein gewisser Manuel Akanji verteidigte, und 2016/17 setzte sich der FCB auf dem Weg zum vorerst letzten Double mit Ach und Krach 3:1 durch .
Es heisst nun in Winterthur, die Verwandlung der Mannschaft gehe so weit, dass sie in der Lage sei, enge Spiele zu gewinnen. Davide Callà will dem nicht widersprechen und drückt es so aus: «Von zehn Spielen gegen Basel verliert der FC Winterthur immer noch neun.»
Die Partie in Winterthur wird am Mittwoch um 20 Uhr angepfiffen. Die Achtelfinal im Schweizer Cup im Überblick.