Die Stellung des Trainers beim FC Basel wurde in den letzten Jahren geschwächt. Darum muss Murat Yakin damit leben, unabhängig von Resultaten öffentlich hinterfragt zu werden.
Der Traum ist geplatzt. Statt Champions heisst es im kommenden Frühjahr Europa League für den FC Basel. Damit ist zwar das offiziell ausgegebene Saisonziel erreicht, in einem europäischen Wettbewerb zu überwintern. Aber die Enttäuschung, die bleibt, nachdem die Achtelfinals der Königsklasse zum Greifen nah schienen. Und mit der Enttäuschung kommt die Frage, ob die Niederlage auf Schalke den Druck auf Murat Yakin erhöhen wird.
Doch so paradox es klingen mag: Das Resultat aus Gelsenkirchen wird kaum Einfluss darauf haben, wie sich die Zusammenarbeit zwischen dem FCB und seinem Cheftrainer entwickelt. Die Basler scheinen längst über die Phase hinweg zu sein, in der die Resultate einzelner Partien – oder das Abschneiden in einem internationalen Wettbewerb – über das Schicksal eines Trainers entscheiden können.
Was für den Club selbst gilt, scheint inzwischen auch für die Medien Gültigkeit zu besitzen. Wie anders wäre es sonst möglich, dass sozusagen als Einstieg in jene 14 Tage, in denen der FCB den Spitzenkampf gegen die Grasshoppers und das Endspiel auf Schalke vor der Brust hat, landesweit die Stellung des Basler Trainers diskutiert wird, von «Blick» bis BaZ, von NZZ bis BZ?
Die Trainer haben gewechselt, der Erfolg ist geblieben
Es ist eine durchaus beobachtenswerte Entwicklung, die da geschieht. Und sie hat bei Weitem nicht allein mit den Medien zu tun. Sie steht auch im Zusammenhang damit, wie sich der FCB seit längerer Zeit als Organisation aufzustellen versucht.
Seit Jahren schon, eigentlich seit der schon fast omnipotent auftretende Christian Gross 2009 seine Kabine im St.-Jakob-Park räumen musste, will sich der Club unabhängiger machen von einzelnen Personen.
Zumindest was die Stellung des Trainers betrifft, scheint das Ziel erreicht. Nach Gross sind in vier Jahren drei Trainer gekommen und zwei gegangen, ohne dass das auf den sportlichen Erfolg irgendwelchen Einfluss gehabt hätte. Und wenn, dann höchstens einen positiven: vier Meistertitel, zwei Cupsiege, ein Europa-League-Halbfinal, drei Teilnahmen an der Champions League, ein Achtelfinal in der Königsklasse – mehr geht fast nicht als Schweizer Club.
Bloss ein Joggeli an der Linie?
Es könnte gar der Eindruck entstehen, es sei eigentlich egal, wer beim FCB an der Seitenlinie steht. Weil es das Gebilde um ihn herum ist, das den Erfolg garantiert: eine gewachsene Mannschaft, gute Nachwuchsarbeit, eine Scouting-Abteilung, die immer wieder Juwelen entdeckt, die später für teures Geld zu grösseren Clubs weiterreisen, und ein Präsident, der den Club auch ohne das finanzielle Rettungsnetz einer Gigi Oeri in neue Budget-sphären treibt und gleichzeitig das rotblaue Sparkonto füllt.
Ganz unwesentlich dürfte es allerdings schon nicht sein, wer die Übungseinheiten in der Brüglinger Ebene leitet. Darum sagt ein Mitglied des inneren FCB-Kreises auch, man müsse aufpassen, «dass der Trainer nicht bloss noch als Joggeli an der Linie» wahrgenommen werde.
Was wiederum nicht bedeutet, dass es der Clubführung ungelegen käme, wenn der Trainer von aussen nicht mehr als alleinige Galionsfigur des Vereins wahrgenommen wird. So lässt sich nachhaltiger eine Struktur aufbauen, in der der Trainer jener Philosophie folgen muss, die ihm der Club vorgibt. Und in der nicht mit jedem neuen Trainer wieder alles über den Haufen geworfen wird, weil er mit neuen Ideen, neuem Funktionsteam und neuen Forderungen kommt.
Die Emanzipation vom Trainer strahlt jetzt auch nach aussen
Diese Emanzipation vom eigenen Cheftrainer hat allerdings nicht nur Einfluss auf clubinterne Vorgänge. Sie strahlt – mit etwas Verzögerung – auch nach aussen. Früher galt ein FCB-Trainer, der im richtigen Moment das richtige Resultat lieferte, als unantastbar. Heute ist das anders.
Bot etwa Christian Gross zu seiner Anfangszeit beim FCB Angriffsfläche durch wenig attraktiven Fussball oder durch ein 1:8 beim FC Sion, dann wurden bei der BaZ die «Kanönchen» hervorgeholt, so damals der gängige Begriff auf der Sportredaktion. Gewann der Trainer, mussten die Geschütze «wieder unter Deck».
Als der FCB in einem tristen November 2008 mit einem 0:5 im Gepäck aus Donezk heimreiste, geschah etwas für die Ära Gross Atypisches: Ein FCB-Spieler gelangte von sich aus an einen BaZ-Journalisten und verlangte, er solle «jetzt mal diesen Trainer weg schreiben – es geht nicht mehr».
Die Reaktion: Geschrieben wurde … nichts. Weil es nach der Meinung der Redaktion nichts zu schreiben gab. Zu unverzichtbar schien Gross für den FCB, zu sehr waren die errungenen Erfolge mit dem Höngger verknüpft. Und spielte der FCB nicht in der Champions League, hatte der Club nicht die Chance, wieder Schweizer Meister zu werden?
Das Signal, das die Vogel-Entlassung gab
Wenn sich heute Spieler bei Journalisten über Trainer Yakin beklagen, dann wird das durchaus geschrieben. Auch ohne dass die Profis mit ihrem Namen zur Kritik stehen würden. Und das hat nicht damit zu tun, dass Yakin im Gegensatz zu Gross auch unter steigendem Druck den Medien gegenüber bislang stets freundlich und zuvorkommend geblieben ist. Nein, Yakin wird deswegen öffentlich derart in Frage gestellt, weil der Trainer beim FCB nicht mehr unantastbar auf einem Podest steht.
Als die Clubleitung im Herbst 2012 Heiko Vogel ohne von aussen wahrnehmbare Warnsignale freistellte, hatte auch das eine Signalwirkung: Seht her! In diesem Club sind Resultate nicht die einzige Währung, in der Trainer bewertet werden. So jedenfalls ist die Nachricht unter anderem angekommen. Und das offenbar nicht nur bei der Presse, sondern auch bei den Spielern.
Apropos Emanzipation: Die scheint inzwischen auch in der Kabine Einzug gehalten zu haben. Gab es schon einmal eine FCB-Mannschaft, die so häufig erklärte, sie habe sich auf dem Feld selbst organisiert wie die aktuelle? Ja, gab es das überhaupt schon mal? «Gar nichts» habe der Trainer in der Pause des 1:0-Siegs über Chelsea gesagt, berichtet Valentin Stocker. Fabian Frei erzählt davon, wie die Mannschaft in Razgrad selbstständig auf ein Pressing umgestellt habe. Marco Streller erklärt, wie die Mannschaft auswärts bei Tottenham den Gegner von sich aus höher angriff.
Andere Clubpräsidenten sollen bereits neidisch auf den FCB schielen
Nein, beim FCB reichen einem Trainer Siege alleine nicht mehr, um sich eine ruhige Kabine und eine wohlgesinnte Presse zu sichern. Auch darum kamen so viele Interna an die Öffentlichkeit: Weil auch die Spieler gemerkt haben, dass der Trainer selbst im Erfolgsfall angreifbar bleibt, solange er intern nicht alle mit seiner Art und Arbeit zu überzeugen weiss.
Und der Vorstand? Der untergräbt zwar nicht aktiv den Trainer. Er unternimmt derzeit aber auch wenig, um seine Position zu stützen. Dem sportlichen Erfolg tut diese Zurückhaltung bislang keinen Abbruch. Zumal es teamintern in letzter Zeit wieder zu einer deutlichen Annäherung zwischen Spielern und Yakin gekommen zu sein scheint.
Auf europäischer Ebene sollen gewisse Club-Präsidenten bereits etwas neidisch auf den FCB und seine Unabhängigkeit vom eigenen Trainer schielen. Und zu Hause löffelt Murat Yakin die Suppe aus. Indem er damit rechnen muss, latent öffentlich infrage gestellt zu werden – Ausscheiden aus der Champions League hin oder her.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 13.12.13