Der alte Mann und die Spurs

In der Nacht auf Freitag schaut die amerikanische Sportwelt nach San Antonio. In einer Wiederholung der letztjährigen Final-Serie wollen die San Antonio Spurs zurückholen, was ihnen die Miami Heat auf dramatische Weise weggenommen haben.

San Antonio Spurs forward Boris Diaw (33) shoots around Oklahoma City Thunder guard Reggie Jackson (15) during Game 6 of the Western Conference finals NBA basketball playoff series in Oklahoma City, Saturday, May 31, 2014. San Antonio won 112-107. (AP Pho (Bild: Keystone/SUE OGROCKI)

In der Nacht auf Freitag (MEZ) schaut die amerikanische Sportwelt nach San Antonio. In einer Wiederholung der letztjährigen Final-Serie wollen die San Antonio Spurs zurückholen, was ihnen die Miami Heat auf dramatische Weise weggenommen haben.

In der 66-jährigen Geschichte der NBA gab es nicht mehr als eine Handvoll Dynastien, Teams, die eine Äre bestimmt haben und an denen es über Jahre hinweg kaum ein Vorbeikommen gab. Lange haben die Boston Celtics mit Bill Russell das orange Leder dominiert – insgesamt gewann sie zwischen den Jahren 1957 und 69 elf NBA-Meisterschaften.

Die 2014 NBA Finals

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In puncto Quantität wird an diesem Rekord auch in Zukunft wohl kaum viel zu rütteln sein. In den 80er-Jahren lies die erbitterte Rivalität zwischen den LA Lakers (Magic Johnson) und den Celtics (Larry Bird) kaum einen Rest für andere Teams übrig. Der doppelte «Three-peat» der Chicago Bulls um Superstar Michael Jordan erhöhte dann in den 90er-Jahren sämtliche Messlatten des Sports.

Heute stehen zwei Mannschaften davor, in diesen exklusiven Kreis aufgenommen zu werden und sich einen festen Platz in den Geschichtsbüchern der NBA zu sichern. Als zweifacher Titelverteidiger stehen die Miami Heat vor ihrem dritten Titelgewinn in Serie und kämen damit ihrer etwas vorlauten Vorankündigung von mehr als fünf Titeln näher.

Miami Heat und die Maschine Lebron James

Der grosse Macher dieses Erfolgs trägt einen Namen: Lebron James. Seit Michael Jordan hat kein Spieler die Liga so dominiert wie «King» James. Er ist physisch übermächtig, trifft von aussen und sieht seine Mitspieler. Lebron ist so etwas wie eine komplette Basketball-Maschine.

Ihr stellt sich in den NBA Finals eine Gruppe alter Männer gegenüber. Die gleiche Gruppe alter Männer, wie bereits im letzten Jahr. Eine Final-Serie, die vielen Fans noch lange in Erinnerung bleiben wird: Die Spurs waren im sechsten Spiel 20 Sekunden von ihrem fünften Titel entfernt, bevor Ray Allen mit einem der gewichtigsten Dreipunktewürfe der Geschichte den Heat den Kopf aus der Schlinge zog.

Das dramatische 2013er-Final zwischen den Spurs und Miami Heat:

Vor 15 Jahren konnten die Spurs unter dem heute 65-jährigen Trainer Gregg Popovich und mit dem jungen Tim Duncan (heute 38) ihren ersten Meistertitel feiern. Bis heute sind unter anderen der Argentinier Manu Ginobili (36), der Franzose Tony Parker (32) und mit ihnen drei weitere NBA-Meistertitel hinzugekommen.

Für Puristen sind die Spurs und ihr fundamentales Team-Basetkball etwas vom Schönsten, was der Sport seit Jahren hervorgebracht hat.

Die Spurs unterscheiden sich von anderen Teams. Sie passen nicht in das auf Individuen fokussierte Geschäft der NBA. Da gibt es keinen alles überschattenden Superstar in San Antonio, keine Bad Boys und keine Diven. Sie versprühen kaum Glamour und werden manchmal auch vergessen. Es geht ihnen nicht um die spektakulären Dunks. Bei den Spurs geht es nur um die Sache: Fundamentaler Team-Basketball. Und für viele Puristen ist der am Ende etwas vom Schönsten, was der Sport seit Jahren hervorgebracht hat.

Wenn andere Teams ihren besten Spieler auf einer Seite des Spielfeldes so isolieren, dass er dann Mann gegen Mann zeigen kann, dass er besser, grösser oder stärker ist als sein direkter Gegenspieler und es mit ein paar wilden Aktionen in die Highlights des Abends schafft, lässt man in San Antonio den Ball laufen bis er dort ist, wo er mit grösster Wahrscheinlichkeit den Weg in den Korb findet. Welcher Spieler dann am Ende der Pass-Stafette steht und die Punkte verbucht, spielt keine grosse Rolle.

Lehrstunden in Sachen Kollektiv

Gleichwohl haben auch die Spurs Spieler, die ihre Mannschaft tragen, die die Pläne des Trainers ausführen. Diese Spieler werden aber meistens nicht für teures Geld eingekauft, sondern über Jahre hinweg zu dem gemacht, was sie sind. Dass die Spieler, die sich San Antonio holt, als Rookies oft noch keine grossen Stars sind (Ausnahme: Tim Duncan), mag dem Umstand geschuldet sein, dass die Spurs über Jahre hinweg erfolgreich waren und daher beim NBA-Draft sich meistens erst ganz zum Schluss Spieler aus den Töpfen des College-Nachwuchs bedienen dürfen.

Wie die San Antonio Spurs ticken:

Nichtsdestoweniger ist es erstaunlich, was «Pop» daraus macht: Tony Parker wurde 2001 an 28. Stelle gedraftet, Ginobili 1999 gar erst als 57. Jedes NBA-Team hat sich also jeweils mindestens einmal gegen einen dieser Spieler entschieden.

Heute ist Tony Parker der wohl beste Aufbauspieler der Welt und Ginobili aus dem Kollektiv der Spurs nicht mehr wegzudenken. Beide haben sie, wie auch Tim Duncan, nie eine andere Farbe getragen als das Schwarz-Weiss-Silber der San Antonio Spurs. Ob sie in einem «cooleren» Team dieselbe Entwicklung gemacht hätten, ist fraglich.

In den aktuellen Playoffs kam es in den Western Conference Finals zum erklärten Gegensatz. Die Spurs trafen auf ein Team, das grösser, schneller und stärker ist und mit dem diesjährigen MVP Kevin Durant auch über den besseren Individualisten verfügt. Doch mehr als eine Lehrstunde im Bereich «Teamwork» gab es für die Oklahoma City Thunder nicht.

Sefolosha – ein Opfer der in den Halbfinals unterlegenen Thunders

Gefühlt spielten die Spurs pro Angriff mehr Pässe als OKC in einem ganzen Spiel. Tatsächlich lief bei den Thunder fast alles über ihre beiden Superstars Durant oder Westbrook. Die übrigen Spieler verkommen offensiv zu Statisten. So auch der Schweizer Thabo Sefolosha.

Nach zwei Spielen mit Null Punkten wurde der eigentlich in der Starting Five spielende Sefolosha ganz aus den Plänen des Trainers Scott Brooks gestrichen. Ob Sefolosha jemals wieder für die Thunder spielen wird, scheint im Moment fraglich, zumal er sich nun als Free Agent um einen neuen Vertrag bemühen muss.

Auf dem Weg zum Final stellten sich den Heat in der relativ schwachen Eastern Conference keine grossen Hürden in den Weg. Weder die Charlotte Bobcats noch die Brooklyn Nets konnten die Heat nerven. Und auch in den Finals konnten die Indiana Pacers, die zwar eine bessere Saisonbilanz aufweisen, nur sehr bedingten Schaden anrichten.

Wer sich für spektakuläre Dunks und grosse Helden interessiert, wird in der Finalserie auf die Miami Heat schauen. Wer sich für ebenso spektakulären und cleveren Mannschaftssport begeistert, wird seine Daumen den San Antonio Spurs drücken. Für beide steht jedenfalls viel auf dem Spiel.

Nicht eins, nicht zwei, nicht drei… – das Versprechen des LeBron James:

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