Mit ihm gelangte Roger Federer wieder an die Weltspitze und mit Stan Wawrinka und Co. ins Davis-Cup-Finale. Der Tennislehrer Severin Lüthi ist der stille Erfolgsgarant hinter den Schweizer Tennis-Assen.
Schon vor ein paar Wochen, als die ATP-Karawane in Basel Station machte, hat sich Severin Lüthi mal einen kleinen Scherz über sich selbst erlaubt: «Es wäre gar nicht schlecht, wenn es gerade zwei Lüthis gäbe.» Lüthi ist kein Mann, der sich über Arbeit beklagt.
Er ist alles andere als ein Müssiggänger. Deshalb drückte die auch leicht sarkastische Bemerkung nur sein Bedauern aus, nicht alles tun zu können, was er vielleicht gerne tun möchte. Schliesslich wird der 39-jährige Berner zurzeit von Anfragen, Interviewwünschen, Terminverpflichtungen geradezu überrollt.
Zielorientiert und fokussiert
Er ist ein gefragter Mann, der Schweizer Davis-Cup-Kapitän, der diskrete Berater von Stan Wawrinka und der persönliche Trainer von Roger Federer. «Mein Tag könnte sicher auch 48 Stunden haben», sagt Lüthi vielsagend. Kein Zweifel: Auch diese 48 Stunden wären bestens ausgefüllt.
Lüthi ist ein ein Mann, der sich am allerliebsten auf die nächste Aufgabe, auf das nächste Ziel, den nächsten Erfolg konzentriert. Das hat er mit seinem prominentesten Klienten Roger Federer, aber auch mit den Teammitgliedern der Schweizer Tennisauswahl gemein.
Während manch einer auch beim ATP-Tour-Finale in London seine Erkenntnisse und Beobachtungen stets vor dem Hintergrund des kommenden Davis-Cup-Endspiels formuliert, lässt sich Lüthi auf solches Spekulieren und Theoretisieren gar nicht ein. Immer schön ein Wettkampf und eine Herausforderung nach der anderen, sagt sich der vielbeschäftigte und gefragte Tennislehrer.
Erfolgsfaktor Lüthi
In diesem Jahr ist er einer noch breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Als Mann auch, der erstaunlich geräuschlos Diener mehrerer Herren war und die Schweiz erstmals nach 22 Jahren wieder mit Federer, Wawrinka und Co. in ein Davis-Cup-Endspiel lenkte. Dass das Gemeinschaftsprojekt Davis Cup so gut funktionierte, hat auch und besonders mit Lüthi zu tun. Mit seiner professionellen wie wertvollen Arbeit – sowohl bei Hauptarbeitgeber Federer als auch (unentgeltlich) bei Wawrinka.
Dass einer wie Lüthi sich in London wechselweise in die Spielerloge seiner beiden Top-Spieler setzen und ihnen erstklassige Hilfsdienste leisten kann, ist keineswegs selbstverständlich in der Welt des internationalen Spitzentennis. Hätten Spieler wie Boris Becker oder Pete Sampras ihren Trainern erlaubt, sich zu Spielern wie Michael Stich oder Andre Agassi zu setzen? Sicher nicht.
Da, wo es ihn braucht
Federer indes animierte Lüthi sogar immer wieder dazu, wenn die Zeit und der Ort es ermöglichten, sich auch um Wawrinka zu kümmern. Zum Beispiel bei den Australian Open. Dort blieb Lüthi nach Rücksprache mit dem bereits ausgeschiedenen Federer noch bis zum Titelcoup des Romand vor Ort. Und anschliessend trafen sich alle Beteiligten wieder zum Davis-Cup-Auftakt in Belgrad.
«Selbstverständlich ist das alles auf keinen Fall», sagt Lüthi, «nicht auf diesem Niveau jedenfalls.» Federer, so sagt Lüthi, versuche immer wieder, Wawrinka zu helfen. Deshalb habe es sogar schon Situationen gegeben, in denen er ein Training mit dem Maestro ausgelassen habe, um sich ein Spiel Wawrinkas anzuschauen.
«Das ist schlicht ein grossartiger Zug von Roger», sagt Lüthi – und das klingt einfach ehrlich und nicht nach billiger Schwärmerei. «Ohne dieses Verständnis, ohne diese Toleranz wäre vieles schwieriger.» Es helfe aber, so Lüthi, «dass beide so freundschaftlich miteinander umgehen und sich mögen.»
Optimist Feder und der emsige Wawrinka
Lüthi hat wie kaum ein zweiter den Blick aus der Nahdistanz auf die beiden Schweizer Topspieler, die in London noch getrennt um den WM-Titel kämpfen, die Woche darauf aber gemeinsam für den ersten Schweizer Davis-Cup-Sieg streiten werden. Der Trainer weiss um die Unterschiedlichkeit der Charaktere. Und er weiss auch, wie unterschiedlich er Federer und Wawrinka in der Zusammenarbeit nehmen muss.
Der eine, Federer, ist für den Coach ein «Mann, der immer ans Gelingen denkt, ein Optimist, ein harter Arbeiter zudem, nicht bloss der Künstler, den alle Welt in ihm sieht.» Der andere, Wawrinka, habe sich «selbst durch alle Rückschläge nicht beirren lassen». Er sei einer, der «ungemein emsig und hart arbeiten kann», aber auch noch lerne, «wie vielfältig man gefordert ist in der Spitzenregion der Rangliste.»
Eins verbinde beide Spielerpersönlichkeiten aber in jedem Fall, so Lüthi: «Das Wissen, dass Talent allein nicht ausreicht, sondern dass man auch so intensiv an sich und seinem Spiel zu arbeiten hat, dass man Grosses gewinnt.»
Am übernächsten Wochenende soll dann das gesammelte Wissen und Können auch zum vereinten Erfolg in Lille führen. Aber wie erwähnt: Das ist noch Zukunftsmusik für Lüthi. Noch zählt das Saisonfinale von London. Und hier könnten sich Federer und Wawrinka durchaus noch freundschaftlich, aber entscheidend in die Quere kommen. Hier, in der O2-Arena, kann nur einer von beiden gewinnen.