Der FCB, der Transfermarkt und der Dominoeffekt

Still ruht der See beim Schweizermeister kurz vor dem Start in die neue Saison. Noch gehen die Schockwellen eines heiss laufenden Spielermarktes an Basel vorbei, der FCB selbst will nächste Woche noch einen Stürmer holen – und hofft, niemanden mehr abgeben zu müssen.  

Alle Spieler halten und einen zusätzlichen Stürmer holen – FCB-Sportchef Marco Streller (links) im Gespräch mit Trainer Raphael Wicky. (Bild: Stefan Bohrer/EQ Images)

Der jüngste Transfer in die Super League, einer, der zumindest in der Schweiz für ein bisschen Aufregung gesorgt hat, ist den Young Boys geglückt. Sie haben den Challenge-League-Torschützenkönig Jean-Pierre Nsamé verpflichtet. Dies nach einigem Tauziehen mit dem abgebenden Club. Zuletzt war kolportiert worden, dass Servette Genf die 800’000 Franken Ablöse, die die Berner geboten haben sollen, zu wenig waren.

Damit ist immerhin ein junger Mann, genauer ein 24-jähriger Kameruner, der zuvor in Amiens und Anger gespielt hatte, dem Schweizer Fussball erhalten geblieben. Beobachtet wurde Nsamé im Frühjahr übrigens auch vom angehenden FCB-Sportchef Marco Streller. Aber die Basler haben umdisponiert.

Wer kommt, wer geht? – Die Übersicht der Transfers in der Super League bei sfl.ch

Sie haben einerseits Ricky van Wolfswinkel aus Arnheim geholt für eine überschaubare Ablöse um die 3,5 Millionen Franken. Dazu sind zwei Stürmertalente aus dem Nachwuchs, Neftali Manzambi und Afimico Pululu, zur ersten Mannschaft gestossen.

Weil der FCB drei Angreifer – Marc Janko, Seydou Doumbia und den nach Bielefeld ausgliehenen Andraz Sporar – weggeschickt hat, besteht bei einer Planstelle noch Handlungsbedarf. Keinen Schnellschuss wolle man machen, hat Kaderplaner Remo Gaugler vor 14 Tagen gesagt. Nun kündigt er an, dass in die Angelegenheit nächste Woche, also nach dem Saisonstart, «Bewegung reinkommen» werde.

Der Irrsinn in der Premier League

Neues Shirt und schon im Eimer: Romelu Lukaku, der bis dato teuerste Transfer des Sommers, im Testspiel von Manchester United gegen Los Angeles Galaxy.

In Bewegung ist der Transfermarkt ohnehin gewaltig. Angetrieben vom Motor der Premier League. Manchester United soll der belgische Nationalspieler Romelu Lukaku mit allen Nebengeräuschen 100 Millionen Euro Ablöse an den FC Everton wert gewesen sein. Kyle Walker (Tottenham) und Nelson Semedo (Benfica Lissabon) sind für 60 und 30 Millionen Euro zu Manchester City und zum FC Barcelona gewechselt. Und Chelsea hat innert zwei Wochen fast 160 Millionen ausgegeben für Verteidiger Antonio Rüdiger (Roma, 38 Millionen), Mittelfeldspieler Tiemoué Bakayoko (Monaco, 40 Millionen) sowie Alvaro Morata, der für Real Madrid in der vergangenen Saison gerade einmal fünf Spiele über die volle Distanz bestritten hat. Macht 80 Millionen.

Für die «Süddeutsche Zeitung» sind das Auswüchse auf dem «demnächst für komplett unzurechnungsfähig zu erklärenden Transfermarkt». Kenner der Szene sprechen ausserdem von einem geradezu hysterischen Jugendwahn: Was nur halbwegs überdurchschnittliches Potenzial verspricht und bei drei nicht auf dem Baum ist, landet in einer der fünf grossen europäischen Ligen.

Wer kommt, wer geht – die Wechsel in der Premier League im Überblick

In England macht allein der Verkauf der Fernsehrechte jeden Irrsinn möglich. 2,3 Milliarden Euro verteilt die Liga pro Saison unter den 20 Premier-League-Clubs. Da nehmen sich die 40 Millionen Franken netto, die der neue Vermarktungsvertrag der Swiss Football League (SFL) und ihren 20 Clubs in der Super und der Challenge League bringt, wie ein Nasenwasser aus. Und dabei hat sich die SFL bei Vertragsabschluss ehrlich über 70 Prozent Steigerung zum vorhergehenden Deal gefreut.

Basel leistet sich in der Schweiz den Teuersten

Dass die Schweizer Clubs unter solchen Voraussetzungen weiterhin keine grossen Sprünge machen, versteht sich. Basel hat sich mit van Wolfswinkel den teuersten Zugang geleistet, ansonsten aber eher Zurückhaltung an den Tag gelegt. Die Qualität des Kaders beim Doublegewinner hat sich ja auch nicht über eine Sommerpause hinweg in Luft aufgelöst, und frisches Blut wurde aus dem eigenen Nachwuchs zugeführt. Es würde nicht verwundern, wenn der vielversprechende Dominik Schmid am Samstag in Bern zur Startelf gehörte.

Jugendstil beim FCB: Mittelfeldspieler Dominik Schmid.

YB hat mit den Abgängen von Yvon Mvogo (Leipzig) und Denis Zakaria (Borussia Mönchengladbach) für einmal den grössten Reibach gemacht und soll addiert rund 17 Millionen Franken Ablöse kassiert haben. Ansonsten gab es bislang etwas über 160 Mutationen in den zehn Super-League-Clubs, womit rund drei Viertel des Volumens der Transferperiode von vor einem Jahr erreicht sind. Und das sechs Wochen vor Ende der Wechselfrist, die innerhalb der Schweiz sogar noch vier Wochen länger dauert.

Streller: «Unser grosses Ziel ist es, alle Spieler zu halten»

Was das alles für den FC Basel bedeutet? «Unser grosses Ziel ist es, alle Spieler zu halten», sagt Marco Streller. Am Mittwoch hat sich der Sportchef ein internes Testspiel der ersten Mannschaft gegen die U21 auf dem Kunstrasen des Campus zu Gemüte geführt. Er hat in der ersten Halbzeit von Trainer Raphael Wicky eine Formation präsentiert bekommen, die so auch am Samstag auf dem Berner Plastikuntergrund auflaufen könnte, hat Tore von Kevin Bua, Mohamed Elyounoussi und zweimal Pululu registriert und drei Tage vor dem Saisonstart geurteilt: «Was ich sehe, stimmt mich sehr zuversichtlich.»

Einen zusätzlichen Stürmer, einen, der dezidiert vorderste Spitze spielen kann, wollen die Basler dennoch holen. Alles andere wäre angesichts der Dichte des Programms mit mindestens 26 Pflichtspielen auch leichtfertig. Und für den Fall, dass der FCB doch noch eine etablierte Kraft verlieren sollte, ehe am 31. August das internationale Transferfenster schliesst, fühlen sie sich beim Meister gewappnet. «Wir wären in der Lage zu reagieren», sagt Streller.

Der Dominoeffekt am Beispiel Vaclik

Wie ein Dominoeffekt entstehen könnte, der sich bis in die Schweiz auswirkt, lässt sich an der Torhütersuche von Benfica Lissabon schildern: Dort hat Ederson für 40 Millionen Euro zu Manchester City gewechselt und dazu noch eine grundsätzliche Betrachtung des Daseins mitgeliefert: «Fussball ist zu einem Business geworden. Der mit dem meisten Geld hat die besten Spieler.»

Die portugiesische Sportzeitung «Record» und ihr Titelblatt vom 19. Juli.

Lesen Sie auch: FCB leiht Goalie Nikolic nach Schaffhausen aus

Nun wird auf dem portugiesischen Zeitungsmarkt oder genauer bei Benficas Hausblatt «Record» Tomas Vaclik ins Spiel gebracht. Was der Tscheche am Mittwoch trocken mit der Bemerkung quittierte: «Habe das Titelblatt auch gesehen. Aber ich habe nichts Näheres oder etwas Offizielles gehört.»
Vacliks gelobtes Land ist ohnehin England und die Premier League, und dort hat das Karussell ja gerade erst so richtig Tempo aufgenommen. «Stand jetzt», sagte Marco Streller am Mittwoch um die Mittagszeit und schwang sich aufs Velo, um an den Schreibtisch zurückzukehren, «Stand jetzt kann ich reinen Gewissens sagen, dass es keinerlei Angebote für unsere Spieler gibt.»

Das kann sich heutzutage allerdings schon geändert haben, kaum ist man die fünf Minuten vom Campus bis zum Joggeliturm geradelt.

Die Super League startet am Wochenende in die neue Saison. Für den FC Basel geht es am Samstag, 22. Juli, 19 Uhr, mit dem Schlagerspiel bei den Young Boys los. Was es Neues gibt in der Liga finden Sie hier.

Nächster Artikel