Der FCB gelangt an einen Tiefpunkt

Eine Mannschaft, die eine fussballerische Bankrotterklärung abliefert und ein Klub, der Marcel Koller als Retter in der Not verpflichten will – der FC Basel nach dem Aus gegen Paok Thessaloniki.


Als es dann vorbei ist, Paok seine letzte Chance für ein noch höheres Ergebnis liegen gelassen hat und Schiedsrichter Paolo Valeri dem Trauerspiel ein Ende setzt, da gibt es – nichts. Keine Regung im Publikum, keine Pfiffe, keine Unmutsäusserungen. Rund 12’000 FCB-Fans – der Rest der 14’328 Menschen im Joggeli sin glückselige Griechen – nehmen eine schwarze Stunde des FC Basel stumm und erstarrt zur Kenntnis. Mehr nicht.

Der Abend ist in der noch jungen und an Enttäuschungen und Aufregung schon so reichen Saison ein Tiefpunkt. Vor allem, weil die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit so schonungslos aufgezeigt wird. Hier eine eingespielte Mannschaft aus Griechenland, die einen Plan und Organisation hat, der eine frühe Führung in die Karten spielt. Dort ein FCB, der mit Eigenfehlern (Eray Cümart und Luca Zuffi) einen ruhenden Ball auf dem Silbertablett serviert. Heftiger kann ein Nackenschlag kaum sein.

«Haben in der Champions League nichts verloren»

Schon nach sieben Minuten zeichnet sich ab, dass die Champions League für diesen FCB ein illusorisches Ziel ist. Nach zwei weiteren Gegentoren und einer krachenden 0:3-Heimniederlage, wie sie der FCB gegen einen Gegner dieses Formats noch nie auf europäischer Ebene hat einstecken müssen, stellt Interimscoach Alex Frei unverblümt fest: «So hat man in der Champions League nichts verloren.»

Die TV-Zusammenfassung bei «Teleclub»

Ein solch hartes Verdikt, zumal aus dem Mund eines FCB-Verwaltungsrates, musste der Klub noch selten über sich ergehen lassen. Und wahrscheinlich ist das, was sich auf dem Rasen gegen Paok Thessaloniki abspielte, ein ziemlich gutes Spiegelbild dessen, wie der Klub sich präsentiert: tief verunsichert, führungslos, auch glücklos. Aleksandar Prijovic etwa reichen ein weiter Torwartabschlag und ein Lapsus von Marek Suchy, um mit einem lässigen, technisch feinen Heber das 0:2 zu erzielen. Beim FCB bringt Ricky van Wolfswinkel den Ball aus drei Metern nicht über die Linie.

Alex Frei stellt sich vor seine Mannschaft, greift niemanden heraus, auch nicht Eder Balanta, dessen Nominierung als Linksverteidiger eine willkommene Einladung für Paok ist. Auch nicht Silvan Widmer, dessen wachsweiche Flanken untauglich sind. Und auch nicht Valentin Stocker, auf dessen besondere Momente in besonderen Partien sein ehemaliger Mitspieler Frei gesetzt hatte, und der zur Pause angeschlagen in der Kabine bleibt. Und auch nicht Aldo Kalulu, der wie eigentlich alle überfordert wirkt.

Die Spieler gehen in Sack und Asche

Gemessen an früheren Sternstunden und dem, was vor diesem Rückspiel postuliert wurde (Zuffi: «Wir kommen weiter, weil wir die bessere Mannschaft sind.»), ist der Auftritt eine Bankrotterklärung. Da steht ein Team ohne Ausstrahlung, ohne Wasserverdrängung, ohne Selbstvertrauen auf dem Platz. «Es ist unglaublich, wie wir spielen – einfach schlecht. Wir haben keine Kreativität», gibt Captain Marek Suchy wahrhaftig zu Protokoll.

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Jonas Omlin, bei den Gegentoren machtlos, geht ebenfalls in Sack und Asche: «Wir haben als Mannschaft versagt. Diese Situation ist nicht einfach für uns Spieler und den Verein. Wir werden uns hart kritisieren, auch gegenseitig.»

Am Willen und an Einsatzbereitschaft habe es nicht gefehlt, meint Frei, er hat Bemühen gesehen und Ballbesitz, «aber wir haben das Spiel ohne Ball nicht dominiert». Drastisch fällt Freis generelle Einschätzung des Teams aus, mit dem er vier Trainingseinheiten und zwei Spiele hinter sich hat. «Wir waren naiv bei den Gegentoren, wir waren physisch unterlegen. Wir müssen robuster werden, ein bisschen böser und erwachsener.»

Marcel Koller ante portas

Das anzuleiten und zu moderieren wird bald nicht mehr Alex Freis Aufgabe sein. Ein neuer Trainer steht quasi vor der Türe, vielleicht wird er schon an diesem Donnerstag bekannt gegeben, und alles läuft auf Marcel Koller hinaus. Womöglich wird aber auch noch zugewartet, vielleicht spielt eine Rolle, dass es im nächsten Spiel am Samstag gegen Kollers Klub geht, die Grasshoppers.

Ob Koller der richtige Mann ist, steht auf einem anderen Blatt. Der 57-Jährige wäre zumindest so etwas wie der Gegenentwurf zu seinem Vorgänger Raphael Wicky. Wahrscheinlich ist das aber auch nicht von Belang, denn beim FC Basel muss rasch etwas geschehen, um das Team aus der Abwärtsspirale zu befreien und die von Alex Frei beschworenen «Erfolgserlebnisse» zu holen nach einer sieglosen Reihe von nun vier Pflichtspielen (ein Remis, 3:8 Tore).

Vor dem Spiel hat FCB-Präsident Bernhard Burgener, seit Tagen auf Tauchstation, sich zu Wort gemeldet. Er bestätigt Verhandlungen mit Marcel Koller, den der «Blick» am Nachmittag vor Burgeners Firmensitz in Pratteln fotografiert hat. Unterschrieben sei noch nicht, schränkt Burgener am Abend im «Telelcub» ein und erklärt: «Wir sind uns in all den Gesprächen einig gewesen, dass wir an der Philosophie festhalten.»

FCB-Präsident Bernhard Burgener bei «Teleclub»

Die ist von Wicky in die griffige Formel «verjüngen, verkleinern, verbaslern» gepackt worden. Burgener deutet am Mittwoch jedoch auch an, bereit zu sein, dem neuen Chefcoach auch Wünsche auf dem Transfermarkt erfüllen zu wollen: «Man kann sich nicht allem verschliessen. Ich bin da offen.»

Die zweite Chance: Auch die wird schwer 

Geld ist nach den Transfers in diesem Jahr, die sich gegen 60 Millionen Franken summieren, genügend in der Kasse beim FCB. Den Jackpot in der Champions League – notabene gefüllt von der Vermarktungsfirma, die Burgener gehört – von weiteren nahezu 40 Millionen Franken muss sich der FC Basel abschminken. Eine Chance, die womöglich so schnell nicht wiederkommen wird.

Immerhin hat dieses Ausscheiden Netz und doppelten Boden. Das Minimalziel auf europäischer Ebene, die Teilnahme an der weit weniger lukrativen Europa League, kann der FC Basel immer noch erreichen. Auch wenn man sich das unter dem aktuellen Eindruck nur schwer vorstellen kann. Am Donnerstagabend wird bekannt, wer am 9. August (Auswärtsspiel) und 16. August die Gegner sein werden: entweder Viitorul Constanta aus Rumänien oder Vitesse Arnheim (Hinspiel: 2:2).

«Aufpassen! Auch das wird schwer», meint Alex Frei noch, bevor er am Mittwoch in die Nacht entschwindet, um die Partie gegen Paok zu verdauen und GC vorzubereiten.

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