«Das ist peinlich. Das ist nicht FCB-like. Das ist alarmierend. Das ist extrem enttäuschend.» Was eher wie eine Medienschelte nach einem Fussballspiel klingt oder wie ein frustrierter Fan, das waren die schonungslosen Worte von Cheftrainer Raphael Wicky in einem Statement für das Klub-TV, als der FC Basel am vergangenen Freitag in einem Testspiel gegen Feyenoord Rotterdam 0:5 verloren hatte.
Da prangerte ein deprimierter Cheftrainer die Leistung seines Teams an, «das eigentlich alles hat vermissen lassen, was man im Fussball braucht: Leidenschaft, Wille, Laufbereitschaft, Intensität, miteinander arbeiten». Man kann Wicky verstehen: Es war die völlig missratene Generalprobe vor dem Start in die neue Saison. Am Samstag geht es in der Super League mit dem Heimspiel gegen den FC St. Gallen los. Und dann geht es gleich in dichtem Takt weiter mit der ersten Qualifikationshürde zur Champions League. Da hätte man gerne einen anderen Beleg für die Arbeit in vier Wochen Vorbereitungszeit.
Wer sich nun Sorgen macht um den FC Basel nach einem Sommer, in dem er den Verlust der Vormachtstellung im Schweizer Fussball zu verdauen hatte, während er einen weiteren Aderlass gestandener Spieler verkraften muss, der mag sich ein wenig damit trösten, dass der Cheftrainer fünf Tage später gut erholt scheint vom Schock.
«Ich kann diese Niederlage ja nicht schönreden», erklärte Wicky bei der Medienzusammenkunft zur Saisonvorschau. «Es war nicht mehr und nicht weniger als eine Empfindung, eine Emotion nach dem Match. Das ist in vier Wochen Vorbereitung ein schlechter Tag gewesen.» Zur Verdeutlichung: Eine B-Elf unterlag vormittags dem zweitklassigen FC Aarau mit 1:4, und eine Elf, die man sich mehr oder weniger auch zum Startspiel gegen St. Gallen vorstellen kann, gab gegen den Spitzenklub aus der niederländischen Eredivisie eine bestürzende Figur ab. Auf einen Zusammenschnitt der Gegentore wurde auf der Webseite des FCB verzichtet, bei Feyenoord dagegen sind sie schon zu besichtigen:
Nun hat man ja schon alles erlebt – von blendenden Vorbereitungsresultaten und verpatztem Saisonbeginn bis zur umgekehrten Variante. Wicky klingt jedenfalls drei Tage vor dem Start schon wieder ganz anders, eher besänftigend: «Wir sind bereit und freuen uns darauf. Und ich bin überzeugt, dass die Qualität stimmt.»
Klare Vorgabe des Präsidenten: ein heimstarker FCB
Er und die sportliche Leitung um Marco Streller und Clubchef Bernhard Burgener gehen in ihre zweite Saison. Eine, bei der die Ziele unverändert den Basler Ansprüchen der vergangenen Jahre entsprechen: Meister werden (also den Kübel aus Bern zurückholen), den Cupfinal erreichen (und gewinnen) sowie international spielen. Dafür muss der FCB mindestens die erste Qualifikationsrunde überstehen, womit er schon die Teilnahme an der Gruppenphase in der Europa League auf sicher hätte. Unterliegt er PAOK Saloniki, bekommt der FCB in der Ausscheidung zur Europa League eine zweite Chance.
Eine klare Vorgabe hat Burgener seinen Technikern gemacht: Er will wieder einen heimstarken FCB erleben. Ansonsten frohlockt der Präsident: «Ich habe wieder richtig Lust auf Fussball nach dieser WM, die weltweit Jung und Alt begeistert hat.» Fragt sich vor diesem Hintergrund vielleicht, wie es der FCB machen wird: So wie die Deutschen? Die Schweizer? Oder eher wie die Franzosen?
Streller: «Wir haben die Abgänge kompensiert»
63 Tage liegen zwischen dem letzten Spieltag in der Super League und dem Auftakt in die neue Spielzeit. Und es ist einiges passiert beim FCB, mehr jedenfalls als man sich auf Basler Seite gewünscht hätte, und doch war es vorhersehbar, dass der Klub in jeder Hinsicht wertvolle Spieler verlieren wird. In Tomas Vaclik (Tor), Michael Lang (Defensive) und Mohamed Elyounoussi (Offensive) ist dem FCB eine Achse weggebrochen.
«Ich vertraue unseren Leuten – und nicht nur in guten Zeiten.» FCB-Präsident Bernhard Burgener
«In unseren Augen haben wir diese drei Abgänge kompensiert», sagt Marco Streller, «und wir halten unser Kader für gut genug. Definitiv.» Der Sportdirektor sieht den FCB in der Rolle des Jägers, glaubt, dass mit neuen Spielern wie Martin Hansen (Tor), Silvan Widmer (Defensive) und Aldo Kalulu (Offensive) genügend neuer Erfolgshunger aus der Mannschaft erwächst. Und es ist ihm bewusst, dass der Erwartungsdruck auf den Branchenkrösus nicht kleiner geworden ist: «Wir müssen liefern.»
Klubeigner Burgener untermauert das Vertrauen, das er in sportliche Leitung und Cheftrainer hat. Wirtschaftlich ist das Jahr eingedenk aller Transfers, die seit Januar abgewickelt wurden, selbst ohne den grossen Jackpot, der mit der Champions League winkt, bereits ein gutes Jahr. «Aber wir sind bei den Transfers nicht von den Zahlen getrieben», beteuert Burgener und verweist auf die Investitionen, die gleichzeitig getätigt wurden. Er verkniff sich mit Blick auf die kommenden Monate auch eine Metapher nicht: «Wenn wir auf hoher See sind, dann müssen wir das Schiff durch die Stürme führen.» Und wenn dann der Wind dem FCB einmal ins Gesicht blasen sollte, wird Burgener auch an diesen Satz erinnert werden: «Ich vertraue unseren Leuten – und nicht nur in guten Zeiten.»
Erneut viele Kadermutationen – doch die Verantwortlichen schlichten
Als die Verantwortlichen beim FC Basel nach der der letzten Saison Bilanz zogen, waren sie zum Schluss gekommen, dass der Transferwinter zu viel durcheinandergebracht hatte. In Renato Steffen und Manuel Akanji verliessen zwei Stammspieler das Team, Valentin Stocker und Fabian Frei waren die namhaftesten Zuzüger.
Die Mannschaft geriet, auch wegen der vielen Kadermutationen, aus dem Tritt und musste den Young Boys in der Meisterschaft das Feld überlassen. Der Plan, das Team im Sommer zusammenzuhalten, ist mit den schwerwiegenden Abgängen von Vaclik sowie den 46 Scorerpunkten, die Lang und Elyounoussi auf sich vereint hatten, nicht aufgegangen.
Streller lässt sich davon jedoch nicht im Urteil über die Neubesetzungen beirren: «Wir sind überzeugt von dieser Mannschaft. Lang haben wir durch Silvan Widmer ersetzt, Aldo Kalulu haben wir schon vor Elyounoussis Abgang verpflichtet und Jonas Omlin hat im Tor des FC Luzern eine grossartige Saison gespielt.» Martin Hansen, der seit Dienstag zum FCB-Kader gehört, ist als «klare Nummer 2» im Tor hinter Omlin geholt worden, wie der Sportdirektor verdeutlicht.
«Was die Führungsspieler anbelangt, sind wir nicht schlechter besetzt als letzte Saison.» FCB-Sportdirektor Marco Streller
Der Sportchef sagt zu den drei Verpflichtungen weiter: «Die drei waren absolute Stammkräfte, wir haben keine Ersatzspieler geholt. Zudem haben wir Fabian Frei und Valentin Stocker im Winter auch hinsichtlich der neuen Saison verpflichtet. Was die Führungsspieler anbelangt, sind wir nicht schlechter besetzt als letzte Saison.»
Der FCB hat in der aktuellen Transferperiode über den Daumen gepeilt knapp zehn Millionen Franken für neue Spieler ausgegeben – bei Einnahmen von gut 30 Millionen. Und die Einkäufe waren vor allem reaktive Handlungen: Die drei namhaftesten Zuzüge wurden wegen Abgängen respektive in Erwartung von sich anbahnenden Abgängen geholt.
Der einzige Spieler, den sich die Basler als Versprechen für die Zukunft geleistet haben, ist der Stürmer Julian von Moos. Für rund 1,3 Millionen Franken kommt er von der U18 der Grasshoppers zum FCB, was ein stolzer Betrag ist für einen 17-Jährigen. Von Moos, ebenso ein Perspektivspieler wie der griechische Innenverteidiger Konstantinos Dimitriou, soll an die erste Mannschaft herangeführt und – dem Basler Geschäftsmodell entsprechend – dereinst für ein Mehrfaches des Kaufpreises weitergegeben werden.
Manzambi will nicht – und der FCB auch nicht mehr
Rund 20 Mutationen verzeichnet der FC Basel auch im dritten Transferfenster unter der neuen Führung. Und eine weitere bahnt sich an: Neftali Manzambi ist in die U21 zurückgestuft worden und kann den Verein verlassen. «Neftali ist der Meinung, dass er Stürmer ist. Und wenn einer bei uns nicht Rechtsverteidiger spielen will, dann gilt es das zu respektieren», sagt Streller.
Wicky hatte versucht, den Offensivspieler für die rechte Abwehrseite umzuschulen, «weil ich Qualität sehe», sagt der Trainer. Die ablehnende Haltung des Spielers gegenüber der neuen Aufgabe «kann ich nicht verstehen», sagt Wicky weiter. «Es ist normalerweise sehr schwierig, den Sprung in ein solches Kader zu schaffen. Er hatte die Chance und will nicht, das kann ich nicht verstehen. Und dann ist es auch richtig, dass man sagt, es ist vorbei.» Der FCB versucht, Manzambi an einen anderen Verein abzugeben. Ein Angebot hat er für den 21-Jährigen jedoch noch nicht.
Kuzmanovic: Schritt für Schritt
Gewillt, den Anschluss zu schaffen, ist derweil Zdravko Kuzmanovic. Der Rückkehrer soll in Basel bleiben und Schritt für Schritt an die Mannschaft herangeführt werden. «Wir wollen ihn dahin bringen, dass er der Mannschaft nicht nur teilweise, sondern jeden dritten Tag helfen kann», sagt Wicky.
Weil der zentrale Mittelfeldspieler Taulant Xhaka und Spielmacher Samuele Campo verletzt sind, muss der Trainer seine Stammelf der letzten Saison auf rund vier Positionen verändern: Omlin steht neu im Tor, Widmer verteidigt auf der rechten Seite, Geoffroy Serey Dié agiert im defensiven Mittelfeld und Kalulu könnte die Position hinter der Spitze übernehmen.
Die Startelf könnte am Samstag gegen den FC St. Gallen zum Saisonauftakt in einer 4-2-3-1-Grundordnung so aussehen: Omlin – Widmer, Suchy, Frei, Riveros – Serey Dié, Zuffi – Stocker, Kalulu, Bua – Ajeti.
Bei YB könnte die Erosion noch kommen
Wer auch immer auf dem Platz steht – die Basler sehen sich gerüstet für die neue Saison, auch das wird mehrfach betont am Mittwoch. Der neue Anlauf zum Meistertitel werde aber kein Selbstläufer, sagt Streller, das sei es mit Ausnahmen auch während der achtjährigen Titelserie nicht gewesen: «Wir werden hart dafür kämpfen müssen.»
Trainer Wicky sieht die Super League als «sehr ausgeglichen» und erwartet eine «sehr spannende und sehr interessante» Saison. Dass die Young Boys als grösste anzunehmende Konkurrenz gelten, liegt auf der Hand. Nicht nur, weil sie mit dem Rückenwind des ersten Titelgewinns nach 32 Jahren ins Rennen gehen und beim florierenden Saisonkartenverkauf erstmals die Marke von 15’000 durchstossen haben. Zum Vergleich: Mit rund 400 zusätzlich verkauften Halbjahreskarten liegt der FCB bei etwas über 22’000 Abonnenten.
Während der FCB eine weitere personelle Häutung erlebt, bleibt eine offene Frage, ob YB noch Hochkaräter aus dem Meisterkader bis Ende August verlieren wird. Offenbar sind die Preisvorstellungen der Berner bisher noch sehr hoch. Am Mittwoch verdichteten sich Hinweise auf einen ersten Transfer: Innenverteidiger Kasim Nuhu soll für acht Millionen Euro zu Hoffenheim in die Bundesliga wechseln. Womöglich ist das erst der Beginn einer Erosion, die der FCB schon hinter sich hat.
Historisches Logo und ein dreitägiges Stadionfest zum 125-jährigen Jubiläum
In der Saison 2018/19 tragen die Spieler des FC Basel ein historisches Logo auf der Brust, am Mittwoch wurde das neue Trikot offiziell präsentiert. Der Grund für die Wahl des Logos ist das 125-jährige Jubiläum des FCB, der dieses von Saisonstart bis Saisonende feiern will.
Verschiedene Aktivitäten gehörten zu den Feierlichkeiten, sagt Kommunikationsdirektor Remo Meister. Beispielsweise Veränderungen beim Stadion-Catering, wo das «Waldfest» eine Auferstehung erlebt, oder eine Ticketing-Aktion, wonach jeweils eine Institution in der Region Basel 125 Tickets für ein Heimspiel geschenkt erhält. Zudem werden in Zusammenarbeit mit der Basler Kantonalbank Jubiläumsmünzen geprägt.
Am 15. November feiert der FC Basel Geburtstag, und im Herbst werden Retro-Matchplakate gedruckt. Am Geburtstag selbst veranstaltet der Verein eine Gala, am gleichen Tag organisiert die Muttenzerkurve ein Fest. Meister betont, dass «die beiden Organisationen zusammenarbeiten werden».
Zudem erscheint aus der Feder des FCB-Historikers Josef Zindel ein Buch in zwei Bänden zum Jubiläum, und im Juli 2019 findet ein dreitägiges Stadionfest statt.
» Weitere Informationen unter fcb.ch
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— FC Basel 1893 (@FCBasel1893) 18. Juli 2018