Der Gang nach Canossa

Aleksandar Dragovic hat sich bei einem Besuch in Bern persönlich bei Ueli Maurer für seine wiederholten Flegeleien entschuldigt. Der Bundesrat wünscht sich, dass damit ein Strich unter die Angelegenheit gezogen ist.

Und zum Schluss ein FCB-Trikot mit Autogrammen: Sünder Dragovic und Bundesrat Maurer. (Bild: VBS)

Aleksandar Dragovic hat sich bei einem Besuch in Bern persönlich bei Ueli Maurer für seine wiederholten Flegeleien entschuldigt. Der Bundesrat wünscht sich, dass damit ein Strich unter die Angelegenheit gezogen ist.

Zum Gang nach Canossa war Aleksandar Dragovic am Freitag aus seiner Heimatstadt Wien in die Schweiz geflogen. Der FC Basel hatte seinen österreichischen Verteidiger, der am Samstag zu Nationalmannschaft stösst, umgehend wieder zurückbeordert, als die Watschen-Affäre in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag noch einmal aufgewärmt worden war.

In Begleitung von FCB-Präsident Bernhard Heusler trat der 21-jährige Dragovic am Freitagnachmittag seinen Bittgang an. Der mag nicht den erniedrigenden Charakter gehabt haben wie jener von König Heinrich IV im Investiturstreit 1076, es brauchte dieses Treffen aber nun ganz offensichtlich, um die Luft aus der medial mächtig aufgeblasenen Affäre zu nehmen.

Wie es in einem Communiqué des Eidgenössisches Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport heisst, habe sich Dragovic «für sein fehlerhaftes Verhalten nach dem Cupfinal 2012 sowie seine unangemessenen Äusserungen zum Vorfall anlässlich der offiziellen Meisterfeier entschuldigt». Das hatte er vergangene Woche schon einmal getan, an der Meisterfeier dann aber in einer Mischung aus Trotz und Uneinsichtigkeit und angestachelt von der Menschenmenge auf dem Barfüsserplatz nachgelegt

Der Bundesrat hat die Entschuldigung angenommen und verlangt keine Genugtuung. Dragovic wird also weder öffentlich ausgepeitscht noch ausgeschafft werden. Ganz im Gegenteil hat Maurer die Gelegenheit genutzt, dem FC Basel zu seinen Titeln zu gratulieren und gleich noch alles Gute für die kommende Saison zu wünschen. Was wiederum dem Rest der Fussball-Schweiz nach der überlegenen Saison der Basler in den Ohren klingen muss.

Geleitschutz für Dragovic

Damit nichts, aber auch gar nichts schiefgehen kann beim Versöhnungstermin, wurde Dragovic von einer pazifistisch eingestellten und rhetorisch sattelfesten Delegation begleitet. Neben Heusler gaben Sportdirektor Georg Heitz und Medienchef Josef Zindel Geleitschutz zum Treffen im Bundeshaus in Bern.

«Es ist mein Wunsch, dass jetzt wieder vom Fussball gesprochen wird und dass Dragovic seine Karriere ohne anhaltenden Imageschaden fortsetzen kann», sagte der Schweizer Verteidigungs- und Sportminister und will es sich nicht nehmen lassen, «gerne mal den Formstand Dragovics als Besucher eines Spiels in Basel zu überprüfen». Was zum Anziehen hat der Bunderat dannzumal schon: Dragovic überreichte ihm ein von den Spielern handsigniertes FCB-Trikot.

Überhaupt hat sich Maurer in der Affäre Dragovic sehr souverän gegeben. Den ersten Fauxpax bagatellisierte und entschuldigte er, und seine Öffentlichkeitsabteilung bat den FCB vergangene Woche, bloss kein Entschuldigungsschreiben zu schicken, weil es sich dann wiederum gehöre, darauf zu antworten. Diese Arbeit wollte man sich im VBS gerne ersparen. Es war ja auch mal schön, dass ein SVP-Politiker in der Opferrolle war und für einmal nicht andere an den Pranger stellen musste. Aus der Medienstelle wurde der Ton erst am Donnerstag etwas zackiger, weil man die Integrität des Bundesrat durch Dragovics Balkonansage dann doch tangiert sah.

«Ich bin erleichtert»

Maurer wiederum hat am Freitag auf Dragovics offensichtliche Ignoranz was Person und Stellung des Menschen, dem er auf der Ehrentribüne in Bern einem kindischen Streich gespielt hatte, durchaus angemessen reagiert. Er drückte dem Österreicher mit serbischen Wurzeln eine Lektüre in die Hand: eine Broschüre mit Erläuterungen zum politischen und staatlichen Funktionieren der Schweiz.

Und Dragovic, zwischen Flughafen und Bundesbern vermutlich ordentlich von der Cluboberen in den Senkel gestellt, begegnete Maurer in Sack und Asche: «Ich betone noch einmal, wie leid es mir tut, dass ich gleich zweimal einen so groben Fehler begangen habe. Das wird mir eine Lehre für die Zukunft sein», versprach er nach dem Empfang laut einer Mitteilung des FCB, «gleichzeitig bin ich sehr erleichtert und dankbar, dass Herr Bundesrat Maurer meine Entschuldigung akzeptiert und einen Schlussstrich unter die Affäre gezogen hat.»

Danach reiste Dragovic nach Wien zurück. Marcel Koller, der Schweizer Nationaltrainer der Österreicher, hat Dragovic für die beiden Länderspiele in Innsbruck am 1. Juni gegen die Ukraine am 5. Juni gegen Rumänien aufgeboten.

Heuslers Kritik an Streller und Huggel

FCB-Präsident Heusler hatte am Donnerstag keinen Zweifel an seinem grossen Ärger über Dragovics Auftritt auf dem Balkon des Stadtcasinos gemacht: «Es war absolut unnötig und eine Respektlosigkeit, es widerspricht unseren Prinzipien, und natürlich hätte ich eine gewisse Lernfähigkeit erwartet.»

Heusler schickte aber auch eine unmissverständliche Botschaft an die sogenannten Führungsspieler der Mannschaft, nahm von dieser Kritik explizit Alex Frei aus und konnte somit nur Captain Marco Streller und Benjamin Huggel gemeint haben, der am Mittwoch als Spieler seine letzte rauschende Party erlebt hat: «Ich hatte noch gewarnt: Passt auf! Von den Führungsspielern auf dem Balkon hätte ich erwartet, dass man ihn schützt und dafür sorgt, dass Dragovic kein Mikrofon in die Hand bekommt.» Zwar sei jeder selbst verantwortlich für sein Handeln, so Heusler, «aber wenn wir vom funktionierenden Team reden, dann hat es auf dem Platz funktioniert, aber nicht auf dem Balkon.»

Dragovic von SFL mit 3000 Franken gebüsst

Nachdem Dragovic schon für seine Handgreiflichkeiten im Berner Stade de Suisse mit einem, wie es hiess, «namhaften Betrag» clubintern gebüsst wurde, kommt er nun um eine weitere Sanktion der Clubleitung nicht herum. Wie die aussehen wird, ist nicht bekannt.

Teuer wird der ganze «Spass» für Dragovic sowieso. Für die brennende Pyrofackel, die er bei der ersten, spontanen Meisterfeier am 29. April auf dem Balkon über dem Barfüsserplatz geschwenkt hat, wurde ihm von der Disziplinarkommission der Swiss Football League eine Busse von 3000 Franken aufgebrummt. Und die Basler Behörden ermitteln deswegen auch noch gegen ihn.

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