Einer der ganz Grossen des Basketballs hängt seine Schuhe an den Nagel. Die Leidenschaft für den Sport hat Kobe Bryant von seinem Vater. Dieser zog mit der Familie durch Europa – und machte auch in Basel halt, wo Kobe zur Schule ging. Weggefährten von damals erinnern sich aus aktuellem Anlass.
1996, als Kobe Bryant 17 Jahre alt war, wurde er nach dem Draft von den Charlotte Hornets an die LA Lakers weitergegeben.
(Bild: SUSAN STERNER)In diesem Dress machte Kobe Karriere.
(Bild: LARRY W. SMITH)Ein Foto aus jüngerer Zeit: Kobes Hand und diejenigen seiner Teamkollegen vor dem Spiel.
(Bild: LARRY W. SMITH)Der NBA-Superstar weilte mit seiner Familie in jungen Jahren in Basel – und hat dort Spuren hinterlassen.
(Bild: LARRY W. SMITH)In Bottmingen ging er zur Schule – in den USA wurde er zum Star.
(Bild: ALONZO ADAMS)Die grosse Karriere geht in der Nach vom 13. auf den 14. April zu Ende.
(Bild: MARK J. TERRILL)Bekannt für Spektakel.
(Bild: MARK J. TERRILL)Der Gewinn der Meisterschaft 2000: Kobe Bryant zusammen mit seinem Coach Phil Jackson.
(Bild: KEVORK DJANSEZIAN)Szenen von Kobes Spielweise.
(Bild: BRANIMIR KVARTUC)Die Basketball-Welt verliert einen Grossen.
(Bild: LARRY W. SMITH)Er erinnere sich noch daran, wie er neben den vielen grünen Trams immer in ein «goldenes» steigen musste, um zur Schule zu fahren. Das soll Kobe Bryant geantwortet haben, als er auf seine Zeit in Basel angesprochen wurde. Richtig, der grosse Kobe Bryant, der in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag seine Karriere in der glitzernden NBA beendet, hat einst in Basel gelebt.
Und das kam so: Nachdem Joe Bryant acht Jahre in der NBA bei den Philadelphia 76ers gespielt und an der Seite des legendären Julius «Dr. J.» Erving die NBA-Finals erreicht hatte, suchte Kobes Vater den Weg nach Italien. In den Jahren 1984 bis 1991 zog Joe «Jelly Bean» Bryant mit seinen basketballerischen Talenten von Rieti über Kalabrien und Pistoia nach Reggio nell’Emilia. Stets mit dabei: seine Ehefrau Pam und die drei Kinder Sharia, Shaya – und Kobe.
Sieben Jahre Italien lehrten Kobe nicht nur fliessend Italienisch, sie entfachten auch seine Leidenschaft für den Sport. Die Heissblütigkeit der italienischen Sportfans steckte Kobe an. Und auch der «Calcio» liess den jungen Basketballer nicht unberührt.
Über Italien nach Mulhouse und weiter nach Basel
Seine italienischen Freunde erkannten das athletische Potenzial des gross gewachsenen Kobe – und sie streiften ihm Torwarthandschuhe über. Die meiste Zeit aber hatte der junge Kobe seine Hände am orangen Leder: «Ich kann mich an kaum einen Tag erinnern, der nicht vom Geräusch eines dribbelnden Balles begleitet wurde», soll Kobe in einem Interview gesagt haben.
1991 verabschiedeten sich die Bryants vom Stiefel und zogen einige 100 Kilometer weiter nach Norden. Der Vater schloss sich dem FC Mulhouse Basket an, mit dem er das Halbfinale des Korac Cups erreichte.
Kobes Welt drehte sich immer um die Agenda des Vaters. Oft begleitete er ihn zu Trainings, studierte seine Bewegungen und verpasste kaum ein Spiel. Und in den Halbzeitpausen soll Kobe die Zuschauer mit seinen Wurffähigkeiten unterhalten haben.
Joe Bryant, Kobe Bryants Vater in Aktion für den FC Mulhouse Basket.
Yann Skoczylas aus Mulhouse erinnert sich gut an seinen temporären Freund. «Kobe hat bei uns im Team trainiert. Weil ich der Einzige war, der ein bisschen Englisch sprach, hatte ich mehr Kontakt mit ihm als die anderen», erklärt der 37-jährige Gendarm. «Wir haben einige Male miteinander abgemacht, gingen immer zusammen auf den Bus und haben bei mir ferngeschaut. Kobe hat versucht, das französische Fernsehen zu verstehen – aber das war nicht leicht für ihn.»
«Kobe war ein bisschen langsam»
Als Nicht-Franzose durfte der junge Bryant in Mulhouse keine Matches spielen. Aber er war bei jedem Training. «Kobe war damals sicher ein auffälliger Spieler, aber ich muss Ihnen ehrlich sagen: Er war nicht ausserordentlich gut. Nicht sehr viel besser als wir», erklärt Skoczylas mit einem Schmunzeln.
Sein damaliger Coach beim FC Mulhouse Basket, Alain Hemmerlein, erinnert sich: «Er hatte viele Qualitäten und ich habe mich gefreut, ihn in meinem Team zu haben.» Doch Kobe blieb nicht lange genug in Mulhouse, um eine Spielberechtigung zu erhalten.
Alain Hemmerlein. Für kurze Zeit Kobes Trainer. Hat einmal ein 1:1 gegen Kobe gespielt – und 50 zu 28 gewonnen. Altersmässig stand es damals aber auch 30 zu 13. Sagt mit einem Augenzwinkern, dass er der erste Franzose war, der Kobe besiegt hat. Heute ist er Sportbeauftragter der Stadt Mulhouse.
«Ich habe meinen Spielern damals gesagt, dass es in den USA viele solcher Basketballer gibt», erinnert sich Hemmerlein, «Kobe war ein bisschen langsam und behäbig. Dass er es in die NBA schafft, hätte ich niemals gedacht. Aber natürlich habe ich mich sehr gefreut.»
Wie der «gentle giant» in Bottmingen zur Schule ging
Weil die Kinder bereits zu alt waren, um in sämtlichen Fächern auf Französisch einzusteigen, und vielleicht auch deswegen, weil eine Heimkehr in die USA bereits im Hinterkopf war, sollten Sharia, Shaya und Kobe in dieser Zeit eine englischsprachige Schule besuchen. Diese fanden die Bryants in Bottmingen. Die International School Basel mietete sich zu Beginn der 1990er-Jahre im Schulhaus Burggarten in Bottmingen ein.
Die Klassenliste aus Kobes Schulzeit in Bottmingen. Und irgendwie war sich der Lehrer nicht sicher, ob man Kobe jetzt mit «K» oder «C» schreibt.
Für Kobe bedeutete das einen fast zweistündigen Schulweg. Lloyd Hacker begann damals seine berufliche Laufbahn als Science-Lehrer an der International School Basel. Und noch heute wird er von seinen Schülern gefragt, ob es wirklich stimme, dass er Kobe unterrichtet habe.
Tatsächlich erinnert sich der Lehrer nur noch vage an Kobe. «Ich habe ihn nur ein bis zwei Monate unterrichtet – und das vor 25 Jahren», erzählt Hacker, «aber ich kann mich erinnern, dass er ein angenehmer Mensch war, ein ‹gentle giant›.»
Die grossartige Karriere in der NBA
Was nach der Heimkehr der Bryants in die USA kam, ist den Basketball-Fans bestens bekannt. Nachdem er den NBA-Scouts an der Lower Marion High School in Pennsylvania aufgefallen war, wurde Kobe als jüngster Spieler aller Zeiten und als erster Spieler direkt von der High School in die NBA gedraftet. Die Charlotte Hornets sicherten sich die Rechte an Kobe und tauschten ihn kurz nach dem Draft zu dessen Lieblingsverein, den LA Lakers.
Kobe Bryants Lehrer in Bottmingen: Lloyd Hacker
«Wir hatten keine Ahnung, dass es dieser Kobe, der vor ein paar Jahren noch mit uns Fussball spielte, in die NBA schaffen würde», erinnert sich Yann Skoczylas, Kobes Mitspieler in Mulhouse. Und Kobe hat sich von Beginn weg mit den grossen Namen gemessen.
Besonders den Vergleich zu seinem Vorbild Michael Jordan scheute er nicht. Was Air Jordan beim prestigeträchtigen Slam-Dunk-Contest erst im zweiten Anlauf gelang, schaffte Kobe in seiner Rookie-Saison. Mit einem für damalige Verhältnisse spektakulären Dunk unter den Beinen gewann Bryant den Wettbewerb.
Die Unschlagbarkeit der Lakers mit Kobe
«Uns fiel schon damals auf, wie sprunggewaltig Kobe war», erinnert sich Skoczylas an den jungen Kobe in Mulhouse. «Bereits im Alter von 13 Jahren, und dabei war er nicht viel grösser als wir, schaffte er einen Dunk. Das hat uns schon beeindruckt.»
Szenen aus einer grossen Karriere. (Bild: BRANIMIR KVARTUC)
Als Team fehlten den Lakers aber noch einige Puzzle-Teile. Mit dem Zuzug von Shaquille O’Neal und Coach Phil Jackson konnten die Lakers diese Lücken schliessen. Mit der sogenannten «Triangle Offense» sicherte sich Jackson mit den Bulls (Michael Jordan, Scottie Pippen, Dennis Rodman) drei Meister-Ringe und machte die Lakers zu einem konstanten Titelanwärter für die kommenden Jahre. Von 1999 bis 2002 waren die Lakers nahezu unschlagbar und holten sich den Three-Peat, drei Meisterschaften in Serie.
Der Tiefpunkt: Anklage wegen sexuellen Missbrauchs
Nach dem Sonnenschein kam der Regen nach Los Angeles. 2003 war Kobe mit einer Anklage wegen sexuellen Missbrauchs konfrontiert. Auch als das mutmassliche Opfer seine Anklage zurückzog, blieb für Kobe ein erheblicher Imageschaden.
Der Tiefpunkt: Kobe Bryant mit seiner Frau Vanessa während einer Pressekonferenz – als der Basketballer wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt war. (Bild: KEVORK DJANSEZIAN)
Mit dem Abgang von Jackson und Shaq, mit dem Kobe von Beginn weg einen Hahnenkampf um die teaminterne Rangordnung austrug, kam auch der sportliche Erfolg ins Stocken. Und mit seiner egozentrischen Spielweise und seiner oft arroganten Ausstrahlung auf und neben dem Feld machte er sich viele Feinde ausserhalb von Los Angeles.
Oft machte der Guard mit individuellen Leistungen auf sich aufmerksam: Gegen die Seattle Sonics gelangen ihm in einer Partie zwölf Dreipunktewürfe, ein NBA-Rekord. Und in einem Spiel gegen die Toronto Raptors am 22. Januar 2006 blieb der Zähler der individuellen Punkte erst bei 81 stehen – der zweithöchste Wert in der Geschichte der NBA (Rekord: Wilt Chamberlain, 100 Punkte).
Als Krönung seiner individuellen Klasse wurde er im Jahre 2008 mit der MVP-Trophäe ausgezeichnet. Erst als die Lakers Pau Gasol verpflichteten und Phil Jackson wieder zurück an die Seitenlinie kehrte, kam auch der sportliche Erfolg zurück. Von 2009 und 2010 holten sich die Lakers nochmals zwei Meisterschaften. Für Kobe waren diese besonders wichtig, weil er damit bewies, dass es auch ohne Shaq geht.
Die beste Kopie von Michael Jordan
Wenn Kobe in der Nacht auf Donnerstag sein letztes Spiel in der lila-gelben Uniform absolviert, kann er auf eine der erfolgreichsten Sportkarrieren des US-amerikanischen Sports zurückblicken. Fünf Meisterringe, einmal MVP, 18-facher Allstar, zweifacher Olympiasieger.
Doch für viele wird Kobe immer ein Abbild Michael Jordans sein. Auch wenn man in seinen Bewegungen, Gesten, seiner Mimik und im kompromisslosen Führungsdrang immer eine Kopie des grossen Meisters sah, so müssen wohl auch seine Kritiker eingestehen: Kobe ist eine unheimlich gute Kopie – wahrscheinlich die beste.
Der beeindruckende Vergleich der Spielweisen von Kobe Bryant und Michael Jordan:
Kobes hinterlassene Spuren in Basel
Und wo Kobe in seinen jungen Jahren die Region Basel gestreift hat, hinterlässt er auch heute noch seine Spuren. Wenn viele Hobby-Basketballer ihre Air-Jordan-Sneaker schnüren, schwört Starwings-Urgestein Niels Matter seit Jahren auf Kobes Schuhwerk.
«Viele gross gewachsene Spieler tragen Schuhe, die über die Knöchel ragen. Ich fühle mich in Kobes Schuhen, die eher tief geschnitten sind, viel mobiler. Die Schuhe sind viel basketorientierter als die modischen Air Jordans», erklärt Matter, der in den nächsten Tagen mit den Starwings in die Playoff-Begegnung mit Fribourg Olympic steigt.
Und wie sich die Schuhe im Regal sammelten, hat sich Matter auch mit dem Sportler Bryant angefreundet. «Ich habe Kobe wegen seiner Art eigentlich nicht so gemocht. Mit den Jahren habe ich mich aber mehr mit ihm auseinandergesetzt und muss sagen, dass ich sehr beeindruckt bin von seinem Arbeitsethos und von seiner Persönlichkeit.»
Niels Matter mit seiner Sammlung an Kobe-Schuhen.