Der harte Kampf um ein neues Stadion für den SC Freiburg

Am 1. Februar wird in Freiburg über das Bauprojekt für ein neues Stadion des SC Freiburg abgestimmt. Eine Woche vor dem Termin ist die Stimmung in der Stadt aufgeheizt. Die Ja-Seite zerstört Wahlplakate der Stadiongegner und diese operieren im Gegenzug teilweise mit falschen Behauptungen.

Auf dem Standort des Flughafens am Wolfswinkel soll das neue Stadion des SC Freiburg gebaut werden. Wie das Stadion tatsächlich aussehen soll, steht noch nicht fest. (Bild: Patrick Seeger/fra)

Am 1. Februar wird in Freiburg über das Bauprojekt für ein neues Stadion des SC Freiburg abgestimmt. Eine Woche vor dem Termin ist die Stimmung in der Stadt aufgeheizt. Die Ja-Seite zerstört Wahlplakate der Stadiongegner und diese operieren im Gegenzug teilweise mit falschen Behauptungen.

Marcel Reif, das wäre jetzt geklärt, ist mitnichten Fan des FC Bayern. Das Herz des deutschen TV-Reporters, der inzwischen in Zürich lebt, schlägt vielmehr für den 1. FC Kaiserslautern. Also für einen Verein, der sich 2006 mit einem überdimensionierten Arena-Neubau übernommen hat.

Warum er trotzdem für das geplante neue Stadion des SC Freiburg ist, sagte der Sportkommentator am Donnerstag bei einer Veranstaltung im Freiburger Jazzhaus: «Der SC soll sich angucken, wie es Gladbach gemacht hat. Die haben mit ihrem Stadionbau nicht überdreht und stehen nun gut da.» Im Übrigen müsse sich der SC den Mechanismen der Branche stellen: «Das derzeitige Stadion ist malerisch, aber nicht mal mehr zweitligatauglich. Unter diesen Bedingungen die Klasse halten zu wollen, ist die Quadratur des Kreises.»

Bei den Stadioneinnahmen liegt Freiburg in der Bundesliga ganz weit hinten

Das war natürlich Wasser auf die Mühlen der SC-Verantwortlichen, die aus dem Klatschen nicht mehr herauskamen. «Wir brauchen andere finanzielle Möglichkeiten», sagte SC-Trainer Christian Streich. «Mit den bisherigen stehen wir im Vergleich auf Platz neun, zehn oder elf – der 2. Liga wohlgemerkt.»

Das dürfte ein wenig zu schwarz gemalt gewesen sein, der SC verzeichnete in der vergangenen Saison immerhin einen Umsatz von 70 Millionen Euro. Dass die Stadioneinnahmen neben jenen des Aufsteigers SC Paderborn die niedrigsten der Liga sind, ist aber Fakt.

Im Jazzhaus hatten die Befürworter ein Heimspiel, die grosse Mehrheit der etwa 600 Zuhörer dürfte beim Volksentscheid am 1. Februar für den Neubau im Freiburger Quartier Wolfswinkel votieren. Wie die Mehrheitsmeinung in der Stadt ist, ist deutlich schwerer einzuschätzen. Bei einer Podiumsdiskussion im bürgerlich-alternativen Stadtteil Vauban am Tag zuvor war die Stimmung eher auf Seiten der Gegner, die ebenfalls mit hohem Aufwand für ihre Argumente werben.



Abstimmungskampf: Mit solchen Plakaten – links eine Anhängerin, rechts der ehemalige Skispringer und bekennende SC-Fan Martin Schmitt – macht der SC Freiburg Werbung für den Stadionneubau.

Abstimmungskampf: Mit solchen Plakaten – links eine Anhängerin, rechts der ehemalige Skispringer und bekennende SC-Fan Martin Schmitt – macht der SC Freiburg Werbung für den Stadionneubau.

Schon seit Wochen unterhalten beide Seiten in der Innenstadt Infostände, die Briefkästen sind gut gefüllt mit den Werbematerialien beider Seiten. 170’000 Freiburger ab 16 Jahren sind am 1. Februar zur Abstimmung aufgerufen. Dabei ist die Abstimmung nur gültig, wenn über ein Viertel aller Stimmberechtigten entweder mit Ja oder mit Nein stimmen. Wird dieses Quorum nicht erreicht, liegt die Entscheidung beim Gemeinderat. Dort sind die Mehrheitsverhältnisse eindeutig: 33 der 43 Räte haben sich Mitte November für den Neubau ausgesprochen.

An dessen Kosten in Höhe von 110 Millionen Franken beteiligt sich das Land Baden-Württemberg mit 11 Millionen. Die Infrastrukturkosten von 38 Millionen übernimmt die Stadt, den Stadionkörper (60 Millionen) zahlt der SC – 15 bis 20 Millionen stehen als Startkapital bereit, der Rest soll langfristig abbezahlt werden. Im SC-Lager herrscht denn auch Einigkeit. Die Ultraszene, die andernorten traditionalistischer argumentiert, unterstützt den Neubau ebenso wie die Vereinsgremien.

Die Gegner: Segelflieger und besorgte Bürger

Erbitterter Widerstand kommt hingegen von der Bürgerinitiative des betroffenen Quartiers, das einen Verlust an Lebensqualität befürchtet. Auch die Segelflieger, die das Areal neben der Messe bislang als Flugzone nutzen konnten, sind auf den Barrikaden.

Anderen Stadiongegnern ist der städtische Zuschuss ein Dorn im Auge. Sie befürchten, dass Schulen und Kindertagesstätten darunter leiden, wenn die Stadt Millionen in den Stadionneubau steckt. Neue Nahrung bekam diese Sichtweise, als kurz vor Weihnachten Urin durch die marode Toilette einer Freiburger Grundschule ins Büro der Schulsozialarbeiterin sickerte.

Der SC wiederum verweist darauf, dass er in den vergangenen 20 Jahren 14 Millionen Euro Steuern allein an die Kommune gezahlt habe, einen im Ligavergleich exorbitant hohen Eigenanteil am Stadion-Neubau stemme und ein wichtiger Imagefaktor für die Stadt sei.

Der Ton verschärft sich

In den letzten Tagen vor der Abstimmung scheint sich derweil der Ton zu verschärfen. So wurde auf Plakaten wahrheitswidrig der Eindruck erweckt, durch ein neues Stadion würden 5000 Rettungsflüge gefährdet, wogegen sich der SC sofort auf seiner Website wehrte. Auch war es nicht sonderlich redlich, in eine Fotomontage statt des geplanten Stadions mit 35’000 Plätzen die gigantische 94’000-Mann-Arena von Johannesburg hinein zu montieren. Umgekehrt wird allerdings ebenfalls mit harten Bandagen gekämpft: Immer wieder sind in den vergangenen Wochen Plakate der Stadiongegner beschädigt und abgerissen worden.

Die Vehemenz, mit der sich beide Parteien befehden, erinnert also zuweilen an die schrillen Auseinandersetzungen um den Stuttgarter Bahnhof («Stuttgart 21»), der eine 700’000-Einwohner-Stadt monatelang in Atem hielt.

Doch zumindest die Politik in Baden-Württemberg scheint dazu gelernt zu haben: Sowohl über die Suche nach einem Standort als auch über die Stadionpläne konnten sich die Bürger jederzeit informieren, beide Seiten stellten ausführliche Dossiers mit ihren Argumenten ins Netz. Am übernächsten Wochenende haben dann die Bürger das letzte Wort. Danach, so hoffen sie nicht nur beim Verein, wird sich die aufgeheizte Stimmung in der Stadt wieder abkühlen.

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