Die Saison läuft alles andere als nach Wunsch für Sporting Lissabon. Immerhin hat man die schlechteste Startbilanz nicht unterboten – und mit einem Sieg in Basel am Donnerstag (19.00 Uhr, St.-Jakob-Park) könnte man sogar in der Europa League noch einmal ins Rennen zurück kehren.
Am 11. November ist eine Leidenszeit für Sporting Lissabon zu Ende gegangen. Die längste Leidenszeit, an die man sich in der Stadt des Lichts erinnern kann. In den 50er-Jahren startete der stolze Sporting Clube de Portugal zum letzten mal so schlecht in die Meisterschaft. In dieser Saison stellte die Mannschaft den Negativrekord ein: acht Pflichtspiele ohne Sieg, Platz 13 in der Liga. Tristesse im Alvalade.
Was sich beim spielerisch armen 0:0 gegen den FC Basel an dieser Stelle vor zwei Monaten angedeutet hatte, ist zur Gewissheit geworden: Dieses Sporting besitzt nicht mehr die Ausstrahlung vergangener Jahre und wirkte von Spiel zu Spiel verkrampfter. Und so war es kein Wunder, dass Ricardo Sa Pinto, eigentlich eine Galionsfigur des Vereins, Ende Oktober gehen musste.
Zuversicht nach dem ersten Sieg
Sporting Lissabon
Die Tabelle der portugiesischen Liga
Das Kader von Sporting
Die Tore von Ricky van Wolfswinkel
Für ihn kam François Vercauteren, den alle nur Franky nennen. Der war in den Untiefen des Fussballs auf der arabischen Halbinsel gestrandet und bekam beim Al Jazira Club in den Vereinigten Arabischen Emiraten im März dieses Jahres nach nur sieben Monaten den Stuhl vor die Türe gestellt.
Mit Sporting verlor der neue Trainer erst in Setubal, dann gab es das 1:1 in der Europa League daheim gegen Genk, als die Belgier erst in der Nachspielzeit ausgleichen konnten, und mit dem 1:0-Heimerfolg am 11. November gegen den Tabellendritten Sporting Braga haben die Hauptstädter nicht nur die Serie beendet, sondern schöpfen neue Zuversicht daraus.
Torjäger Ricky van Wolfswinkel – sieben Tore in 15 Wettbewerbsspielen in dieser Saison – trifft wieder, auch gegen Genk und Braga. Nationaltorhüter Ricardo Patricio lief gegen Braga zu grosser Form auf und rettete den glücklichen Sieg. Und das grosse spanische Talent Diego Capel schwärmt bereits: «Der neuen Trainer hat uns neues Vertrauen gegeben.»
Der neue Trainer stellt um – auch überraschend
Vercauteren hat das mit ein paar wenigen, dafür bemerkenswerten Umstellungen erreicht. Capel etwa, ein begnadeter Linksfuss aus der Talentschmeide des FC Sevilla, beorderte er vom rechten zurück auf den angestammten linken Flügel. Und im zentralen offensiven Mittelfeld findet sich plötzlich einer wieder, der das wohl selbst am wenigsten erwartet hätte: Danijel Pranjic, der im Sommer von der Ersatzbank des FC Bayern München nach Portugal geholt wurde.
Der bald 31-jährige kroatische Nationalspieler wird vom Trainer für seine Vielseitigkeit gelobt und soll nun für kreative Momente sorgen. Sie werden auch am Donnerstag in Basel mehr denn je gefragt sein, da Stijn Schaars, der holländische Passgeber für Landsmann van Wolfswinkel, wegen einer Roten Karte gesperrt ist.
Fernandes‘ irrwitzige Ausstiegsklausel
Für ihn könnte im defensiven Mittelfeld Gelson Fernandes zum Einsatz kommen, der in den beiden vergangenen Spielen jeweils nach gut einer Stunde für Pranjic eingewechselt wurde. Den Schweizer Nationalspieler will Christian Constantin im Winter zu seinem Stammverein FC Sion zurück holen, was wohl nur noch eine Frage des Geldes ist: Sporting würde für den 26-Jährigen, der im Sommer ablösefrei von der AS St-Etienne gekommen war, gerne noch was sehen. Wenn auch weniger als die irrwitzig anmutenden 25 Millionen Euro laut einer Ausstiegsklausel, die auf der iberischen Halbinselgerne in Spielerveträgen festgehalten wird.
Am Mittwoch in Basel gab sich Gelson Fernandes professionell zurückhaltend, was diesen Wechsel angeht: «Ich sehe moch nicht im Trikot von Sion, sondern im Trikot von Sporting.» Zwar hat er seine nein Einsätze mit Lissabon mehrheitlich zu Beginn der Saison gehabt, «aber das ändert nichts an meiner Entschlossenheit, das Beste für die Mannschaft herauszuholen.» Und er sagte: «Ich weiss nicht, ob ich im Januar bei Sion bin.»
Geld aus einem Transfer kann der Sporting Clube immer gebrauchen. Chronisch sind die finanziellen Kalamitäten, die sich durch den ambitionierten Bau eines Geschäftskomplexes unmittelbar neben dem Estádio José Alvalade nicht gebessert haben. Was als einträglicher Nebenerwerb gedacht war, ist nun in der wirtschaftlichen Krise zum Ballast geworden.
Vercauteren – ein Mann der goldenen Generation
So lässt sich wohl auch erklären, dass Sporting Vercauteren aus der Versenkung geholt hat: er gilt als preiswert. Bei den grossen Drei FC Porto, Benfica und Sporting, aber auch bei aufstrebenden Clubs wie Braga gaben in den vergangenen Jahren – angefangen bei José Mourinho – fast durchweg einheimische Trainer den Ton an. Sie waren ein Rohstoff aus dem sich Geld machen liess, so wie mit André Villas-Boas, den Chelsea für 15 Millionen Euro aus dem Vertrag in Porto auslöste.
Vercauteren gehörte zur goldenen Generation des belgischen Fussballs, die Auswahl der Jean-Marie Pfaff, Eric Gerets, Enzo Scifo oder Rekordnationalspieler Jan Ceulemans. Die Roten Teufel kamen bei der WM 1986 in Mexiko bis in den Halbfinal, unterlagen dort dem späteren Weltmeister Argentinien durch zwei Tore Maradonas 0:2 und wurden schliesslich Vierter. Diese Blütezeit des belgischen Fussballs gestaltete der 1,74 Meter grosse offensive Mittelfeldspieler Vercauteren mit, den sie den «kleinen Prinzen» nannten.
Meister mit Anderlecht und Genk
Sein Verein war der RSC Anderlecht, für den er zwischen 1975 und 1987 367 Spiele (93 Tore) absolvierte und mit dem er vier Mal die belgische Meisterschaft gewann. Von 1998 bis 2005 war er Assistenztrainer, übernahm 2005 den Chefposten und holte 2006 und 2007 zwei Mal den Meistertitel.
Er übernahm danach im Jahr 2009 für einige wenige Monate die belgische Nationalmannschaft, bis zu einer Niederlage gegen Armenien, die seinen Kopf kostete. Danach war er anderthalb Jahre beim aktuellen Gruppengegner KRC Genk, mit dem er 2011 Meister wurde, um anschliessend dem Lockruf der Petrodollars zu folgen.
Gegen den FC Basel noch nie ein Tor kassiert
Nun darf man gespannt sein, ob Vercauteren, der nur einen Vertrag bis Sommer 2013 besitzt, in der Alles-oder-Nichts-Situation in Basel die Kräfte für die Europa League bündelt. Ein paar Prämien-Euros mehr täte dem Verein, der es vergangene Saison bis in den Halbfinal geschafft hatte, in jedem Fall gut. Andererseits ist die Situation in der portugiesische Meisterschaft nach erst neun gespielten Runde und sieben Punkten Rückstand auf einen Champions-League-Platz noch nicht aussichtslos.
Sporting hat – weil früh ausgeschieden – ein spielfreies Cup-Wochenende hinter sich. Und mit einem «Dreier» gegen den FC Basel, dem noch nie ein Sieg gegen Sporting, geschweige denn ein Tor gelungen ist, läge im letzten Gruppenspiel daheim gegen Videoton noch etwas drin.
«Gewinnen wollen wir auch»
Vercauteren blieb am Mittwoch in Basel eher ein bisschen im Allgemeinen und Grossen und Ganzen. «Viel zu tun» gebe es noch, angreifen, wie es sein Basler Kollege für sein Team angekündigt hat, wolle er auch, auch sie wollten «unser Spiele machen», und, so der 56-Jährige, «gewinnen wollen wir genauso wie der FC Basel».
Dem System seiner Mannschaft, wie es von den Medien analysiert wird, misst er keine grössere Bedeutung zu: 4-4-2, 4-3-3 oder ein 4-2-3-1, was der Grundordnung wohl am nächsten kommt, sei einerlei. Wichtig seien «andere Dinge», wichtig sei, wie dynamisch sich seine Mannschaft auf dem Platz bewege. «Und da haben wir noch viel Arbeit.»
Der 1:0-Sieg von Sporting in der Meisterschaft gegen Braga im Video: