Roger Federer markiert einen einsamen Bestwert und erreicht sein neuntes Wimbledon-Final. Mit der Chance auf den achten Titel gegen einen alten Bekannten – Novak Djokovic.
Es war der heisseste Tag des Jahres im Inselreich Ihrer Majestät. Doch ein hitziger Sensationstag auf den Grüns des All England Club in Wimbledon war er nicht, dieser 4. Juli 2014, an dem die alte Tennis-Weltordnung vorerst noch bestehen blieb.
Keiner der jugendlichen Revoluzzer wird am Sonntag auf dem Centre Court um den Hauptpreis kämpfen, sondern zwei sehr vertraute Gesichter und prägende Figuren der letzten Jahre: Roger Federer (32), der schon sieben Mal auf den Grüns siegreiche Maestro. Und Novak Djokovic (27), der als Nummer eins gesetzte Serbe.
Aufstand abgeblasen, Hackordnung gewahrt – nun machen Federer und Djokovic in ihrem 35. Kopf-zu-Kopf-Duell die Silberware an der Church Road aus, im erst zweiten Karrierevergleich auf Rasen nach Federers Halbfinalsieg vor zwei Jahren hier.
«Es ist ein unglaubliches Gefühl, hier wieder um den Titel spielen zu können. Ich bin überglücklich», sagte Federer, der wieder einmal die eigenen Rekordwerte in seinem grünen Tennis-Paradies pulverisierte.
Auf Messers Schneide
Mit der neunten Finalteilnahme, dem 25. Grand Slam-Endspiel überhaupt und der Tatsache, noch nie in Wimbledon ein Halbfinale verloren zu haben – auch nicht im Fight gegen Kanadas Hammeraufschläger Milos Raonic, den er mit 6:4, 6:4 und 6:4 distanzierte. Zuvor hatte Djokovic den Bulgaren Grigor Dimitrow mit 6:4, 3:6, 7:6 (7:2) und 7:6 (9:7) geschlagen, in einem Match, das bis zu den Schlusssekunden auf Messers Schneide stand.
Ging es nach den Eindrücken der beiden Halbfinalauftritte, musste der alte Rasen-Meister Federer, der langjährige Wimbledon-Herrscher, als Favorit für den Showdown am Sonntag gelten.
Gegen Raonic zeigte der 32-Jährige, was auch schon den Federer ausgezeichnet hatte, der vor fünf Jahren oder einer ganzen Dekade auf dem Centre Court stand – die natürliche Begabung für das schnelle, intuitive, reflexartige Spiel auf dem Grün, enorme Nervenstärke und die Qualität, in einem umkämpften Match die Big Points zu setzen. Also jene Wirkungstreffer zu erzielen, die speziell gegen einen Aufschlaggiganten wie den jungen Kanadier wichtig sind.
Hellwacher Federer
Federer begann damit früh, sehr früh: Gleich im allerersten Spiel nahm er Raonic das Service ab, verteidigte seinen Vorsprung bis zum Satzgewinn hartnäckig. Bestens getimt war auch das Break im zweiten Akt, zum 5:4, nach zuvor ausgeglichem Verlauf.
Federer, nun nach Ken Rosewall der zweitälteste Wimbledon-Finalist in der Historie, machte im dritten Satz genau so weiter: zupackend, wenn nötig, hellwach in den prickelnden, alles entscheidenden Momenten. Wieder breakte er Raonic beim Stande von 4:4, wenig später war für den Kanadier alles vorbei und für Federer alles Roger.
«Ich musste mich extrem konzentrieren, die wenigen Chancen nutzen», sagte Federer. «Ich war unglaublich effektiv, habe unter Druck grossartiges Tennis gespielt.»
Hartes Match für Djokovic
Djokovic hatte enorme Mühe, den Ansturm von Murray-Bezwinger Dimitrow abzuwehren – vor allem, weil er sich mit unschöner Regelmässigkeit Konzentrationsschwächen leistete. So schien beim Zwischenstand von 6:4, 3:1 und Breakball für den Serben die Partie schon vorentschieden, doch binnen zehn Minuten war der schöne Vorsprung des Weltranglisten-Zweiten und dann auch sein Selbstbewusstsein dahin. «Es war ein hartes Match. Es war eine Berg- und Talfahrt für mich», sagte Djokovic später.
Auch im dritten und vierten Satz fand Djokovic nicht die erhoffte Konstanz, aber seine Willenskraft und Beharrungsvermögen brachten ihn doch noch über die Ziellinie. Gleich vier Satzbälle musste er im vierten Akt abwehren, allein drei Im Tiebreak bei einem 3:6-Defizit, ehe er die Glückslotterie mit 9:7 für sich entschied. «Er wird besonders glücklich sein, dass er diese Herausforderung mental durchgestanden hat», sagte BBC-Experte John McEnroe über den an Nummer eins gesetzten «Djoker», «er hat ein paar Mal am Abgrund balanciert.»
Djokovic erreichte sein drittes Wimbledon-Endspiel bei den letzten vier Auflagen im All England Club, 2011 gewann er zum ersten und einzigen Mal, im Vorjahr verlor er in der denkwürdigen, historischen Final-Verabredung dem Lokalmatadoren Andy Murray. Seit dem Pokalcoup Anfang September 2011 hat Djokovic fünf Grand Slam-Finals in Serie verloren, es war auch ein Grund, Ende 2013 Boris Becker an seine Seite zu holen, den deutschen Altmeister.