Es gibt tatsächlich Menschen in der Region, die an Spitzensport jenseits des FC Basel glauben. Sie alle kämpfen mit denselben Problemen. Eine Bestandsaufnahme.
Die Nachricht kommt am Montagabend als Kurzmitteilung auf das Mobiltelefon. Tenor: Ach, schreibt doch nicht bloss über Budgets und Defizite: «Geld ist sooo langweilig.» Absender: Alex Ebi, Präsident des RTV Basel.
Aber eine Geschichte über die vier Clubs der Region, die neben dem alles überragenden FC Basel Spitzensport betreiben, ohne Blick auf die Finanzen? Schwierig. Das weiss Ebi natürlich nur zu gut. Nicht umsonst begrüsst die Homepage des RTV ihre Besucher zu jeder Tages- und Nachtzeit mit der Bankverbindung des Vereins. Jede Spende ist willkommen.
Seit Ebi 2002 Präsident des RTV geworden ist, muss er um jeden Franken kämpfen. Und er weiss sich in bester Gesellschaft. Egal ob der EHC Basel im Eishockey, die Starwings im Basketball, Sm’Aesch-Pfeffingen im Volleyball oder eben die Handballer des RTV: Nur schon semiprofessionellen Teamsport zu betreiben, ist teuer. Sehr teuer. Ein Budget von 300’000 Franken scheint die unterste Grenze zu sein. Der EHC, der als Einziger der vier nur in der zweithöchsten Liga spielt, gibt gar das Zehnfache davon aus.
Ein paar Tage vor seiner SMS über das angeblich ach so langweilige Geld empfängt uns Ebi in seinem Büro. Der 47-Jährige hat noch nicht einmal Platz genommen, da wird er schon grundsätzlich. Erst kürzlich ist ihm wieder einmal vorgeworfen worden, beim RTV werde nicht professionell gearbeitet. «Unprofessionell» – wenn Ebi das nur schon hört. «Wenn alles als unprofessionell gilt, was weniger gut organisiert ist als der FC Basel, dann kann man gleich alles andere dichtmachen!»
Rückzug. Wäre das so schlimm?
Lichter aus. Rückzug aus der obersten Schweizer Liga. Nur noch Amateur-Handball in der Region Basel. Und der Spitzensport wird durch den FCB abgedeckt, der allen anderen Vereinen der Region sowieso schon um Welten enteilt ist. Wäre das so schlimm? Ja, findet Ebi: «Dieser Sport darf in Basel nicht sterben.» Jetzt spricht der ehemalige Nationalspieler aus ihm. Ebi erzählt, wie er im Handball schon einmal ein ganzes Leben durchgemacht hat. Vom unbekümmerten Talent zum Leistungsträger und von dort wieder bis zum nicht mehr gefragten Alten.
Ebi spricht eine Stunde, zwei Stunden, drei. An einer Wand liegt Informationsmaterial zu einem Projekt, das er 2010 angeschoben hat. «RTV On the Map – 2016» steht da. Das Ziel: der Meistertitel bis in fünf Jahren. Das klingt gut. Nur ist der RTV derzeit erst einmal damit beschäftigt, die Reduktion der Swiss Handball League von zwölf auf zehn Teams zu überstehen.
Daneben strampeln die Basler, um ihr für Nationalliga-A-Verhältnisse schmales Budget von 400’000 Franken zu decken – und zugleich Schulden abzubauen, die 2009 durch den Tod ihres grössten Gönners entstanden sind. Als der Davidoff-Patron Ernst Schneider starb, fehlte dem RTV auf einen Schlag eine halbe Million. «Seither rennen wir dem Geld nach», sagt Ebi. Und er verhehlt nicht, dass das keine dankbare Aufgabe ist: «Akquirieren klingt gut. Betteln ist es auch. Meistens ist es etwas dazwischen.»
Fest steht, dass es ohne Ebi den RTV in der heutigen Form nicht gäbe. Als er 2002 antrat, übernahm er das Erbe einer Budget-Unterdeckung von rund 600’000 Franken. Seither hat der 47-Jährige so ziemlich alles gemacht, was es im Club zu tun gibt. Er arbeitete an Heimspielen im Club-Restaurant, er wischte den Schweiss vom Spielfeld, er bediente die Musikanlage. Er hat eigenes Geld gegeben. Und seit kurz nach Saisonstart der Trainer abgetreten ist, steht er auch noch an der Seitenlinie.
Als One-Man-Show will er sich trotzdem nicht sehen: «Ich bin bei Weitem nicht alleine. Wer nur schon an unsere Heimspiele kommt, sieht, wie viele Freiwillige mithelfen.» Und doch. In einem Jahr möchte Ebi zurücktreten. Eigentlich. «Bis dahin muss das Ding auf eigenen Beinen stehen», sagt er. Und wenn das nicht gelingt? «Daran will ich gar nicht denken.»
Der Präsident zahlt mit
Schulden, die Suche nach einer breiteren Abstützung des Vereins, ein Präsident, der selber mitfinanziert – der RTV steht exemplarisch für alle anderen Mannschaftssportarten, die im Schatten des FCB Spitzensport betreiben. Wobei Pascal Donati überzeugt ist, dass seine Starwings einen Schritt weiter sind.
Dass ohne ihn heute in der Region nicht NLA-Basketball gespielt würde, stellt der 48-Jährige gar nicht in Abrede: «Vor dem Aufstieg waren die Starwings gleich Donati. Aber so ist das seither nicht mehr. Ein Club darf nicht von einer Person alleine abhängig sein.» Als er noch Trainer war, hat Donati selbst Spieler bezahlt. Heute amtet er noch als Vizepräsident und sagt: «Jetzt mache ich das nicht mehr.»
Grundsätzlich geht es den Starwings gut, befindet Donati. Wobei auch die Basketballer dabei sind, Schulden abzubauen. Die sind ausgerechnet in der Stunde des grössten Erfolges angefallen. Nachdem die Starwings 2010 den Schweizer Cup gewonnen hatten, stand der Club mit 220’000 Franken in den Miesen. Erst Ende dieser Saison sollen die Schulden abbezahlt sein.
Die Basketballer mussten dieselbe Erfahrung machen, die den RTV schon 2002 ereilt hatte: Eine Strategie, bei der Geld im Voraus in sportlichen Erfolg investiert wird, um im Nachhinein neue Sponsorengelder zu generieren, funktioniert nicht. Zumindest nicht in der Region Basel. «Es entstand nicht die Euphorie, die wir erwartet hatten», sagt Donati. Heute weiss er: «Bei Einnahmen von 450’000 Franken ist für die Starwings derzeit einfach Schluss.»
Nachwuchs statt Ausländer
Vorerst haben sich die Birstaler vom Traum eines weiteren Titelgewinns verabschiedet. Anderes steht im Zentrum. Anstatt mit fünf US-Amerikanern zu spielen, soll nun der Nachwuchs gefördert werden. «Wir müssen die eigenen Wurzeln stärken», sagt Donati und nennt damit das Konzept, in dem offiziell gleich alle vier Clubs ihr Heil sehen, egal ob Starwings, RTV, EHC oder Sm’Aesch: die Ausbildung eigener Talente.
Auf den RTV wartet da die grösste Arbeit. Von der U15 bis zur U21 will Ebi eigentlich vier Nachwuchsteams stellen. Doch im Sommer hat der Club Junioren verloren und besitzt derzeit nur noch eine U21.
Werner Schmid dagegen hat eine Nachwuchs-Akademie gegründet. Der Präsident von Sm’Aesch-Pfeffingen lächelt, als er gefragt wird, was ohne ihn aus dem Verein würde. Er will nicht, dass der Eindruck entsteht, er erzähle herum, dass er unverzichtbar sei. Aber das muss er gar nicht – das ist für alle, die sich mit dem NLA-Frauenteam beschäftigen, sowieso klar. Also sagt er schliesslich: «Ich arbeite daran, dass es auch eine Zeit ohne Werner Schmid gibt.»
Schmid will mit vielen Donatoren, die wenig einzahlen, unabhängig von einzelnen Sponsoren werden, die viel Geld bringen. Und die Talentförderung ist eine weitere Möglichkeit, den Club breiter abzustützen. 45’000 Franken hat er im ersten Jahr der Akademie zusammenbekommen. In vier bis fünf Jahren sollen die ersten Abgängerinnen im Fanion-Team debütieren. Für den Garagisten Schmid schliesst sich so der Kreis: Ein NLA-Team hat für ihn nur eine Daseinsberechtigung, wenn es gut verankert ist. «Und ein Team in der NLA vereinfacht es, eine solche Basis zu schaffen.»
Dass es eine Mannschaft im Spitzenbereich braucht, um eine Sportart in der Region am Leben zu halten, davon ist nicht nur Schmid überzeugt. Sollte der RTV von der Bildfläche verschwinden, sagt Ebi dem Handball in Basel «einen langsamen Tod» voraus. Donati sagt: «Ohne NLA-Team wären wir doch in der medialen Betrachtung nur noch unter ‹ferner liefen›.»
Matthias Preiswerk benutzt das Wort «Flaggschiff», das es für eine funktionierende Nachwuchsförderung brauche. Ein solches soll sein EHC Basel für das Basler Eishockey sein. Sportlich sind die Sharks auf dem vorletzten Platz der NLB in gefährlichen Gewässern unterwegs. Und die AG hat die letzte Saison mit einem Minus von 1,4 Millionen Franken abgeschlossen. Für einmal hat nicht der Verwaltungsrat mit Preiswerk an der Spitze das Defizit aus dem eigenen Sack beglichen. Stattdessen wurde ein Kredit bei der Basler Kantonalbank aufgenommen.
Aber das war mehr symbolisch. Es sollte öffentlich bewusst gemacht werden, dass es nicht normal ist, wenn stets Private die Löcher stopfen. Aber natürlich muss der Kredit irgendwann zurückgezahlt werden. «Das ist dann mein Problem», sagt Preiswerk trocken und spricht selbstironisch vom «Gesundheitsbild des Patienten», wenn er den Zustand des EHC beschreiben soll.
Der 50-Jährige betrachtet die Lage, wie das vom Teilhaber einer Bank wohl erwartet werden darf: mit scharfem Blick für Zahlen. Er liest die Jahresabschlüsse der grossen Schweizer Fussball- und Eishockey-Clubs. Er addiert schweizweit Zuschauerzahlen und in der Region Basel Sponsorengelder. So kommt er zum Schluss, dass es in einem Ballungsraum wie Basel rund 30’000 Menschen gibt, die sich für Spitzensport interessieren. Und dass pro Jahr rund 60 Millionen Franken in der Region ins Sportsponsoring fliessen; Swiss Indoors und das Reitturnier CSI Basel eingerechnet.
Nüchtern betrachtet bleibt da neben einem Riesen wie dem FCB mit einem Zuschauerschnitt derzeit von knapp 28’000 kaum mehr Platz. Wobei es auffällt, dass keiner der vier die dominierende Stellung des Platzhirsches beklagen mag. Schon eher spricht die Bewunderung aus den Präsidenten. Vor allem, was die Nachwuchsabteilung der Rotblauen betrifft.
Der FC Basel als Vorbild
Die ist auch für den EHC ein Vorbild, auch wenn Preiswerk weiss, dass die Hockeyaner nie dieselbe Grösse im Nachwuchsbereich erreichen werden wie der FCB. Aber er will beweisen, «dass in Basel Raum ist für einen zweiten Spitzenclub in einem kostenintensiven Sport». Sein Ziel lautet, bis in ein paar Jahren einen NLB-Spitzenclub zu haben, der zu grossen Teilen mit Spielern bestückt ist, die im eigenen Nachwuchs ausgebildet wurden.
Damit könnte auch das Budget entlastet werden. Doch grossen Illusionen gibt sich Preiswerk nicht hin. Daran, dass der EHC Basel dereinst eine schwarze Null schreiben wird, glaubt er nicht: «Das können Sie vergessen. Es wird im professionellen Sport immer einen Geldgeber brauchen, der mit genügend Leidenschaft bei der Sache ist.» Bis zur übernächsten Saison wird er diese Rolle mindestens noch übernehmen.
Preiswerk reiht sich damit ein in die Reihe dieser Männer, ohne die ihr Verein nicht mehr im Spitzensport vertreten wäre. Ebi, Donati, Schmid, Preiswerk – sie alle wissen, wie es sich anfühlt, für ihren Verein «Brotkrumen zu sammeln», wie es der EHC-Präsident ausdrückt. Spass macht das nicht immer. Dafür kostet es Zeit, Energie und Nerven. Und es drängt sich die Frage auf: Wieso übernimmt jemand diese Aufgabe? Wieso sucht jemand diesen Tanz auf der Rasierklinge, bei dem der Absprung nur schon eines Geldgebers oder Sponsors den Absturz bedeuten kann?
Geltungsdrang kann es nicht sein: Zwischen 300 und 1500 Zuschauer haben die einzelnen Spiele der vier Clubs bislang in dieser Saison angezogen. Da wird ein Mann mit Profilierungssucht kaum glücklich. Das Einfachste wäre wohl, diese scheinbar Verrückten zu belächeln, die ihr Geld und ihre Freizeit investieren ohne offensichtlichen Gegenwert. Aber das wäre zu billig. Wer mit den vier Männern über ihre Clubs spricht, der spürt vor allem eins: viel Herzblut.
Das Problem: Ob es nachhaltig vergossen wurde, liegt nicht allein in ihren Händen. Sie müssen Menschen finden, die ihre Leidenschaft teilen. Sonst verschwindet ihr Werk mit ihnen.
Die fünf Spitzenclubs
FC Basel
Im Jahr 2010 hat der FCB mit der Champions-League-Teilnahme 57,5 Millionen Franken an Einnahmen generiert. Er ist damit im Budgetvergleich der regionalen Vereine der Riese, dem die anderen Clubs nicht einmal bis zu den Knien reichen. Ein guter Ausländer verdient bei den Rotblauen rund 1 Million Schweizer Franken. In der Super League dürfen gleichzeitig fünf Spieler aus Nicht-EU-Staaten auf dem Feld stehen. Zuschauerschnitt bei den Heimspielen: 28’000.
EHC Basel
Verglichen mit dem FCB ist der EHC ein Zwerg, im Verhältnis zu den anderen Clubs aber noch immer ein Riese mit seinem Budget von rund 3 Millionen Franken. Ein guter Ausländer in der National League B kostet im Eishockey rund 250’000 Franken. In der NLB dürfen zwei Ausländer pro Team spielen. Zuschauerschnitt bei den Heimspielen: 1200.
RTV Basel
Das Budget der Handballer in der Nationalliga A beträgt 400’000 Franken. Der Isländer Sveinsson (Bild) ist extern finanziert. Ein NLA-Ausländer kostet mit Auto, Versicherung und Wohnung rund 90’000 Franken. Erlaubt sind zwei Nicht-EU-Ausländer, EU-Bürger uneingeschränkt. Zuschauerschnitt bei den Heimspielen: 400.
Sm’Aesch Pfeffingen
Mit einem Budget von rund 350’000 Franken in der Volleyball-Nationalliga A. Alles eingerechnet kostet eine gute NLA-Ausländerin rund 65’000 Franken für acht Monate. Einzige Einschränkung: Während einer NLA-Partie muss immer mindestens eine Schweizerin spielen. Zuschauerschnitt bei den Heimspielen: 400.
Starwings
Das Budget wurde auf rund 320’000 Franken reduziert, um Schulden abzubauen. Für 60’000 Franken für acht Monate ist ein für Schweizer Verhältnisse guter US-Amerikaner zu haben. Inklusive Auto, Versicherung, Steuer und Wohnung. Erlaubt sind in der Nationalliga A fünf Ausländer auf dem Feld. Zuschauerschnitt bei den Heimspielen: 450.
Die Macher
Matthias Preiswerk (50) liess sich 2006 in den Verwaltungsrat des EHC Basel wählen. Der Teilhaber der Bank Baumann & Cie übernahm das Präsidium, als sich 2008 Mäzen Rudolf Maag zurückzog und der Club aus der NLA abgestiegen war.
Alex Ebi (47) sprang 2002 als Präsident ein, als dem RTV Basel der Konkurs drohte. Der Basler Generalagent der Helvetia Versicherungen war in seiner Aktivzeit selbst Rückraumspieler beim RTV und im Schweizer Nationalteam.
Werner Schmid (61) hat den VBC Pfeffingen mitgegründet und war im Jahr 2000 beteiligt bei der Fusion zu Sm’Aesch Pfeffingen, dessen Präsident er ist. Er ist mit seiner Garage zugleich Hauptsponsor des Frauen-NLA-Teams.
Pascal Donati (48) war entscheidend dafür, dass die Starwings als Zusammenarbeit zwischen CVJM Birsfelden und dem BC Arlesheim entstanden. Der Leiter der Baselbieter Motorfahrzeugkontrolle ist heute Vizepräsident.
Das Ende kam ganz plötzlich
Die Region Basel kennt Beispiele genug dafür, was passiert, wenn ein Spitzenteam nicht breit genug abgestützt ist. Jüngstes Beispiel: die Challenge-League-Equipe des FC Concordia, die im Mai 2009 von Präsident Stephan Glaser zurückgezogen wurde. Es war das Ende eines Projektes, das grossspurige Züge angenommen hatte. Höhepunkt war die Vorstellung von Neubauplänen für ein 300 Millionen Franken teures Stadion samt Mantelnutzung auf dem Rankhof. Nachdem Glaser das Team wie eine heisse Kartoffel hatte fallen lassen, durfte Concordia nur dank Goodwill der anderen Vereine in die 2. Liga regional einsteigen.
Nicht nur ein Club, sondern gleich eine ganze Sportart verschwand in Basel medial von der Bildfläche, als sich 2008 Basel Magic aus der Unihockey-NLB zurückziehen musste. 2003 hatte der Verein unter dem starken Mann Christoph Buser mit Verweis auf das Freizügigkeitsabkommen mit der EU die Ausländerbeschränkung in der Schweiz ausgehebelt. Ironie der Geschichte: Am Ende fehlte Magic das Geld, um auch nur einen Ausländer zu bezahlen. 2007 trat Buser zurück, und ein weiteres Jahr später war auch der Verein Geschichte.
Innerhalb weniger Tage kam 2003 das Aus für die NLA-Volleyballerinnen des KTV Riehen. Als die National-Versicherung als Hauptsponsor ausstieg, zog der damalige Präsident Rolf Schwer das Team zurück. Heute spielt der KTV immerhin wieder in der NLB.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 11/11/11