Novak Djokovic verteidigt den Titel bei den Offenen Englischen Meisterschaften und triumphiert nach 2011 und 2014 zum dritten Mal in Wimbledon. Roger Federer scheitert in seinem zehnten Finale wie im Vorjahr am Serben, der im Endspiel seine beste Leistung des Turniers zeigt.
Der dritte Triumph in Wimbledon: Novak Djokovic verteidigt seinen Titel, nachdem er wie schon im Vorjahr Roger Federer in London bezwingt.
(Bild: Reuters/SUZANNE PLUNKETT)Es ist nicht der Preis, den man in Wimbledon bekommen möchte: Roger Federer mit dem Silberteller für den Verlierer des Finals.
(Bild: Reuters/TOBY MELVILLE)Gefeiert wurde Roger Federer trotzdem vom Publikum im All England Lawn Tennis and Croquet Club.
(Bild: Reuters/STEFAN WERMUTH)Abgang Federer – und Novak Djokovic geniesst das Blitzlichtgewitter.
(Bild: Reuters/Jonathan Brady)Hat gut lachen: 30 Jahre nach seinem Triumph als 17-Jähriger an gleicher Stätte plaudert Boris Becker nach dem Final mit Novak Djokovic’ Frau Jelena Djokovic.
(Bild: Reuters/SUZANNE PLUNKETT)Bälle für die Fans: Novak Djokovic nach der Siegererhung im All England Lawn Tennis and Croquet Club.
(Bild: Reuters/SUZANNE PLUNKETT)Für eine ganze Generation von Profikollegen war Roger Federer der Partyschreck auch in Wimbledon – der sympathische Nimmersatt, der ihnen mit unglaublicher Hartnäckigkeit die Träume vom grossen Pokalcoup zerstörte. Jahr für Jahr, Turnier für Turnier.
Doch auf der Zielgeraden seiner einmaligen Karriere erlebt Federer ausgerechnet in seinem grünen Tennisparadies nun selbst traumatische Finalmomente und bittere Centre-Court-Enttäuschungen: Zum zweiten Mal hintereinander scheiterte er am Sonntag am unbeugsamen, widerspenstigen Frontmann Novak Djokovic, dem Spieler, der mit dem dramatischen 7:6 (7:1), 6:7 (10:12), 6:4 und 6:3-Sieg zu seinem Trainer Boris Becker aufschloss.
Für Federer platz der Traum vom Rekord
30 Jahre nach dessen Urknall-Sieg auf der Hauptwiese des All England Club war nun auch Djokovic der dreimalige Gewinner der Offenen Englischen Meisterschaften – der Spieler, der sich mit aller Kraft und Leidenschaft gegen das Traumszenario Federers stemmte, gegen dessen achten Rekordsieg und 18. Grand-Slam-Titel, gegen den vielbeschworenen «Triumph für die Unsterblichkeit».
Die Fakten zum Endspiel:
«Es ist ein aufregendes Gefühl. So oft verteidigst du in deinem Leben nicht den Titel beim wichtigsten Turnier der Welt», sagte der strahlende Gewinner Djokovic, «es war immer mein grösster Kindertraum, Wimbledon zu gewinnen.»
Djokovic’ Sieger-Ritual: Er isst Gras
Um 17.27 Uhr ballte Djokovic im Augenblick des Sieges die Fäuste zum Himmel, sank zu Boden und verspeiste dann, Ritual seiner Siege hier, einige Grashalme. Obenauf war er gleichwohl wie nie zuvor in der Grün-Anlage an der Church Road. Als erfolgreicher Titelverteidiger, als neuer Machthaber im Rasenreich. Dort, wo Federer so viele Jahre mit ruchloser Souveränität seine Klasse ausgespielt, seine Dominanz entfaltet hatte.
Kein Wunder, dass Djokovic’ Coach Becker nach erledigter Arbeit ein langgezogenes «Jaaaaaa» in den Himmel über dem Centre Court schrie, schliesslich hatte auch er noch einmal – 30 Jahre nach seinem ersten Sieg als 17-Jähriger – und wieder Wimbledon gewonnen. Nun als Rasenflüsterer seines Titel-Helden. «Der Pokal gehört Boris genau so wie mir», sagte Djokovic.
Djokovic präsentierte sich im wichtigsten Tennismatch der Saison auch als Bollwerk mentaler Festigkeit – fünf Wochen nach seinem niederschmetternden French-Open-Finaldebakel gegen Stan Wawrinka. Gute zehn Tage hatte der 28-jährige Serbe nach der unvollendeten Mission auf dem Roten Platz gebraucht, um sich wieder zu berappeln und Wimbledon als neues Ziel ins Auge fassen zu können. «Ich wollte nichts mehr vom Tennis hören und sehen. Aber das Wichtigste ist: Du kannst hinfallen, musst aber auch wieder aufstehen können», sagte Djokovic.
Federer über Djokovic: «Er war eisenhart heute»
Das tat er in den beiden Wochen im All England beeindruckend, von der ersten bis zur letzten Runde. Bis zum Showdown mit Federer, dem Publikumsliebling, dem sie fast alle das Happy-End wünschten, den Erfolg Nummer 8. Einer vor allem hatte aber etwas dagegen – und das war der schliesslich unbezähmbare, unangreifbare Djokovic.
Alle Endspiele von Wimbledon seit 1877 | Alle Endspiele in Roger Federers Karriere | |||
Die Wimbledon-Endspiele von Roger Federer | |||
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2015 | Novak Djokovic | Federer | 7:6, 6:7, 6:4, 6:3 |
2014 | Novak Djokovic | Federer | 6:7, 6:4, 7:6, 5:7, 6:4 |
2012 | Federer | Andy Murray | 4:6, 7:5, 6:3, 6:4 |
2009 | Federer | Andy Roddick | 5:7, 7:6, 7:6, 3:6, 16:14 |
2008 | Rafael Nadal | Federer | 6:4, 6:4, 6:7, 6:7, 9:7 |
2007 | Federer | Rafael Nadal | 7:6, 4:6, 7:6, 2:6, 6:2 |
2006 | Federer | Rafael Nadal | 6:0, 7:6, 6:7, 6:3 |
2005 | Federer | Andy Roddick | 6:2, 7:6, 6:4 |
2004 | Federer | Andy Roddick | 4:6, 7:5, 7:6, 6:4 |
2003 | Federer | Mark Philippoussis | 7:6, 6:2, 7:6 |
«Er hat schlichtweg gezeigt, warum er die Nummer 1 der Welt ist», sagte TV-Experte Andy Roddick, «das war ein Meistertstück.» Auch Federer blieb nur der für ihn selbstverständlich faire Glückwunsch an den Sieger: «Er hat es verdient. Er spielt schon die ganze Zeit grosses Tennis. Wieder und wieder. Er war eisenhart heute.»
Federers Blitzstart
Federer hatte in diesem «Treffen der Titanen» («The Mirror») losgelegt wie ein 100-Meter-Sprinter, der seinen Gegner aus dem Startblock heraus schocken will. Sofort setzte der Maestro seinen Titelrivalen unter Druck, servierte mit Präzision und Power, und mit seiner Überroll- und Überrumpelungs-Strategie schien er mit dem Break zum 4:2 auch den gewünschten Erfolg zu haben.
Aber Djokovic war aus anderem Holz geschnitzt als die bisherigen Federer-Gegner in diesem Turnier-Jahrgang, er schlug umgehend zurück, schaffte das Rebreak zum 4:3. Zwei Satzbälle wehrte der Serbe dann bei einem 5:6-Rückstand nervenstark ab, und auch im fälligen Tiebreak-Lotteriespiel behielt er seine Coolness, hielt seine Nerven eisern beisammen, siegte haushoch 7:1. Den letzten Punkt schenkte ihm Federer mit einem Doppelfehler.
Der aufregende 12:10-Tiebreak im zweiten Satz
Federer war zwar der stärkere Mann im ersten Satz, aber der Verlierer im Tiebreak. Unter umgekehrten Vorzeichen wiederholte sich das im zweiten Akt des Gigantenfights, allerdings schon mit wesentlich mehr Drama, Aufregung und Thrill. Djokovic verpasste die 2:0-Satzführung bereits bei einer 5:4-Führung mit einem Breakball.
Doch das war nichts gegen das, was im Tiebreak folgen sollte. 6:3 führte er da, die Tür zum beruhigenden 2:0-Vorsprung stand sperrangelweit offen, doch Federer holte zum 6:6 auf, auch wegen eines unfassbaren Fehlers von Djokovic bei 6:5. Djokovic liess weitere Satzbälle liegen, bei 7:6, 8:7 und bei 10:9. Und so musste er sich nicht wundern, dass im Centre Court-Tollhaus der langjährige Rasen-Meister Federer doch noch den 1:1-Satzausgleich schaffte — mit 12:10 in diesem Tiebreak-Krimi. Federer in seiner Lieblingsrolle: Allen Widrigkeiten trotzend, der Unbeirrbare.
WATCH @DjokerNole can’t hide his delight after defending his #Wimbledon title http://t.co/zlWgwnDJbc
— Wimbledon (@Wimbledon) 12. Juli 2015
Aber Djokovic wäre nicht die Nummer 1 der Welt, könnte er nicht selbst solche monumentalen Tiefschläge wegstecken. Gleich zu Beginn des dritten Satzes breakte er Federer zum 2:1, liess sich auch durch eine 20-minütige Regenpause nicht beirren und verteidigte seinen Vorsprung mit einer plötzlich entspannten Souveränität bis zum 6:4 und einer 2:1-Satzführung, die nur verblüffen konnte. Djokovic liess nicht locker, holte sich auch im vierten Satz schnell ein Break zum 3:2. Bei 5:3 nutzte er gleich den ersten Matchball zum Sieg.
Djokovic ballt die Faust und freut sich über seinen Sieg. (Bild: Keystone/FACUNDO ARRIZABALAGA)