Der verglühte Nordstern am Basler Fussballhimmel

Einst war er der hellste Stern am Basler Fussballhimmel, war dreimal Meisterschaftszweiter und stand zweimal im Cupfinal. Heute spielt der FC Nordstern noch in der sechsthöchsten Liga der Schweiz. Die Geschichte eines Basler Traditionsclubs.

FC Nordstern, 1904/05: Stehend von links: Herwig (Präsident), Häuselmann, Schmidt, Ottiker. – Kniend von links: Schwarb, Grell, Häfeli. – Sitzend von links: Weibel, Dörflinger, Seibert, Nyffeler, Wunderlin. (Bild: 50 Jahre FC Nordstern. Robert Sexauer)

Einst war er der hellste Stern am Basler Fussballhimmel, war dreimal Meisterschaftszweiter und stand zweimal im Cupfinal. Heute spielt der FC Nordstern noch in der sechsthöchsten Liga der Schweiz. Die Geschichte eines Basler Traditionsclubs.

Der «Blick» schrieb von einer «grossen Fussballsensation» am Tag nach dem 5. April 1981. Der Grasshopper-Club Zürich, Tabellenführer der Nationalliga A, hatte sein Spiel gegen den Tabellenletzten mit 0:1 verloren. Und dieser Tabellenletzte hiess FC Nordstern. Die Basler gewannen dank eines Tores von Enrique Mata, der später auch für den FC Basel kickte.

Es war der Auftakt für eine starke Schlussphase für die «Sterne», die die rote Laterne bis zum Ende der Saison mit drei weiteren Siegen noch abgeben konnten. Der Platz in der höchsten Schweizer Spielklasse wurde ein letztes Mal verteidigt.

Fussballgeschichten aus der Region

Zum 75. Geburtstag des Fussballverbandes Nordwestschweiz kommt es zu einer ­Kooperation mit der Tages­Woche. Das Ziel: Online entsteht eine interaktive Geschichte des Fussballs in der Region, auf der die wichtigsten Ereignisse des regionalen Fussballs, Anekdoten und Erinnerungen auf einer Zeitleiste dargestellt werden. ­

Ein Jahr später war das Ende des ruhmreichen Basler Clubs auf oberster nationaler Ebene trotzdem besiegelt. Die Nordsterne stiegen nach ihren letzten beiden Jahren in der Nationalliga A als Zweitletzte der Tabelle ab. Nie wieder sollte der Verein vom Rankhof wieder in die NLA zurückkehren.

Die Ära von «Zick-Zack» Cebinac

Die letzten ganz grossen Erfolge des FC Nordstern sind unweigerlich mit dem Namen von Zvezdan «Zick-Zack» Cebinac verbunden. 30 Länderspiele hatte dieser für Jugoslawien bestritten, dreimal war er Meister mit Partizan Belgrad geworden, einmal auch deutscher Meister mit dem 1. FC Nürnberg.

Welche Nummer Cebinac im Weltfussball gewesen war, zeigt folgende Anekdote: Nach der WM 1974 gab der Titelträger Deutschland im September ein Stelldichein im Basler St. Jakobstadion. Im Vorprogramm des Länderspiels gegen die Schweiz fertigte der FC Nordstern den FC Wettingen mit 9:0 ab.

Beim Einlaufen entdeckten Franz Beckenbauer, Sepp Meier & Co. den spielenden Zvezdan Cebinac, begrüssten ihn überschwänglich und riefen während dem Testspiel ständig seinen Namen aufs Feld. Eine Würdigung der gehobenen Klasse …

Zvevdan «Zick-Zack» Cebinac, von 1972 bis 1980 erfolgreicher Trainer des FC Nordstern.

Zvevdan «Zick-Zack» Cebinac, von 1972 bis 1980 erfolgreicher Trainer des FC Nordstern.

Als Cebinac 1972 als Spielertrainer zum FC Nordstern stösst, ist er zwar schon 33-jährig, doch noch immer kann er dem Team als aktiver Fussballer helfen. Vor allem aber ist er ein ausgesprochen ehrgeiziger Trainer.

Nordstern war vor der Ankunft von Cebinac einige Male dem Abstieg in die regionale 2. Liga entgangen und zeichnete sich vor allem durch einen überdurchschnittlichen Verschleiss von Übungsleitern aus. Auch Otto Pfister, der spätere Fussballweltenbummler, zählte zu ihnen.

Doch Cebinac brachte Struktur ins Gebilde. Er liess ungewohnt hart trainieren und die Erfolge stellten sich schnell ein. Schon im ersten Jahr erfolgte der Aufstieg in die NLB. Dort verbrachten die «Sterne» mit grossen Spielernamen wie Rudi Schribertschnig, Peter Wenger, Bruno Kaufmann, Ruedi Kägi oder Milos Radakovic fünf erfolgreiche Jahre und bewiesen ihre Ambitionen, noch eine Stufe weiter zu kommen.

Der Aufstieg 1978

1978 war es so weit, Nordstern kehrte nach 35 Jahren Abwesenheit in die höchste Schweizer Liga zurück. Nach der Niederlage gegen Mitkonkurrent FC Chiasso und dem Heimsieg in der letzten Runde gegen den FC Winterthur waren die «Sterne» am Ende der Spielzeit punktgleich mit den Tessinern an der Spitze. Beide Teams stiegen auf – und Nordstern durfte sich am Ende jener Saison sogar als NLB-Meister ausrufen lassen, die Zinnkanne, die in Aarau für den FC Chiasso bereitgestellt war (die Tessiner verloren jedoch 1:3), wurde später nachgereicht.

Nordstern stieg gleich im Folgejahr wieder in die NLB ab, schaffte aber, ein letztes Mal unter «Zick-Zack» Cebinac, die sofortige Rückkehr. Ein gewisser Ruedi Zbinden, heute Chefscout beim FC Basel, trug elf Saisontore bei, Topskorer war Roger Ries mit 17 Treffern.



Das Cluborgan des FC Nordstern feiert den Aufstieg 1978.

Das Cluborgan des FC Nordstern feiert den Aufstieg 1978. (Bild: 50 Jahre FC Nordstern. Robert Sexauer)

Doch schon 1982 war der sportliche Höhenflug endgültig vorbei. Konrad Holenstein war als Nachfolger des 1980 auch aufgrund der angespannten finanziellen Situation geschiedenen Trainers Zvezdan Cebinac gekommen und konnte die Mannschaft noch eine Saison in der NLA halten. Dann erfolgte der Abstieg in die NLB, 1984 jener in die 1. Liga.

Cebinac selbst entdeckte in Wohlen Ciriaco Sforza und kehrte im September 1988 für ein kurzes Gastspiel nach Basel zurück. Er betreute für einige Wochen als Nachfolger Marcel Hottigers den BSC Old Boys in der NLB.

Nordstern aber erholte sich vom Absturz Anfangs der 1980er-Jahre nie mehr richtig. Heute spielt die erste Mannschaft noch in der 3. Liga – also der sechsthöchsten Schweizer Spielklasse.

Schwarz mit gelbem Stern

Gegründet worden war der FC Nordstern am 21. März 1901. Schon damals verfolgten die Gründer die Idee, dass ein neuer Stern am nördlichen Fussballhimmel aufgehen sollte. Anfänglich spielten die «Sterne» in schwarzen Trikots mit einem leuchtenden gelben Stern auf der Brust. Beginnen musste man in der Serie C, die besten Plätze waren durch die vier bereits bestehenden Basler Serie-A-Vereine FC Basel, FC Old Boys, FC Fortuna und FC Excelsior schon besetzt.

Doch zwei Jahre später gab es in der Serie A nur noch OB und den FCB, Nordstern war in der Saison 1904/05 der einzige Basler Serie-B-Verein. Die Serie war in jenen frühen Jahren des neuen Jahrhunderts noch eine «geschlossene Gesellschaft». Der Aufstieg erfolgte nicht sportlich, sondern musste bei der Schweizerischen Football Association (SFA) beantragt werden.

Der Verzicht auf Alkohol und Nikotin

Diese lehnte erste Begehren des FC Nordstern noch ab, doch nach der Fusion mit dem FC Young Fellows im Jahr 1910 wurden die Basler immer spielstärker und errangen am Ende der Saison 1910/1911 – nun in rot-schwarzen Jerseys – den Meistertitel der Serie B. Der sportliche Erfolg hatte wohl auch mit Disziplin zu tun: die Spieler verpflichteten sich auf das «freiwillige Entsagen jedes Genusses von Alkohol und Nikotin 48 Stunden vor jedem Wettspiel».

Der Weg in der Serie A blieb jedoch ein hürdenreicher – auf und neben dem Platz. Einerseits verfügte Nordstern über kein eigenes Spiel- und Trainingsfeld, andererseits war dem Team gleich im ersten Spiel der Meisterschaft in Biel gegen die Young Boys der Schiedsrichter nicht wohl gesonnen. Der Präsident des FC Biel aber wusste, dass der Referee sogar YB-Mitglied gewesen sei. Nordstern entschloss sich, Protest einzulegen, und tatsächlich wurde die verlorene Partie wiederholt. Die Basler gewannen die Reprise und stürmten zur Meisterschaft in der Serie B.

Doch der Titel allein genügte noch nicht zur Aufnahme in die Serie A. Es brauchte an der Delegiertenversammlung eine Zweitdrittelmehrheit. Am 30. Juli 1911 stimmten die Delegierten in der erforderlichen Mehrheit zu, obwohl sich aus Basel der FC Old Boys der Stimme enthielt und der FC Basel sogar gegen die Aufnahme stimmte.

Wesentlichen Anteil am sportlichen und administrativen Erfolg hatte Arthur Schmidt. Er war bei Nordstern Spieler, Trainer und Präsident der Spielkommission in Personalunion und vertrat den Club auch an der entscheidenden Delegiertenversammlung in La Chaux-de-Fonds.

Drei «Sterne» an den Olympischen Spielen

Nordstern entwickelte sich zu einer fixen Grösse in der damals noch dreigeteilten obersten Liga. Die erfolgreichste Zeit wurde von Dori Kürschner eingeleitet, dem ersten Profitrainer, den sich der Club leistete. Unter ihm wurde Nordstern 1924 erstmals Zentralschweizer Meister und musste sich im Kampf um den Schweizer Meistertitel bloss dem FC Zürich beugen.



Der FC Nordstern 1924 als Zentralschweizer Meister. Stehend von links: Breh, Schlecht, Flubacher, Heine II, Schwegler, Meier, Hummel, Reifner, Ehrenbolger, Hossli, Trainer Kürschner. – Kniend von links: Berrel, Heine I, Oberhauser.

Der FC Nordstern 1924 als Zentralschweizer Meister. Stehend von links: Breh, Schlecht, Flubacher, Heine II, Schwegler, Meier, Hummel, Reifner, Ehrenbolger, Hossli, Trainer Kürschner. – Kniend von links: Berrel, Heine I, Oberhauser. (Bild: 50 Jahre FC Nordstern. Robert Sexauer)

Kürschner war auch Teil des Trainerteams jener Schweizer Nationalmannschaft, die an den Olympischen Spielen 1924 in Paris sensationell Silber gewann und nach der nach dem 0:3-Finalniederlage gegen Uruguay als inoffizieller Europameister galt. Dazu gehörten die beiden Nordstern-Fussballer August Oberhauser und Karl Ehrenbolger im Turnier zur Schweizer Stammformation.

Kürschner zog später weiter, wurde mit den Grasshoppers dreimal Meister sowie viermal Cupsieger und revolutionierte später den Fussball in Brasilien. Doch auch die Erfolge Nordsterns blieben: 1927 und 1928 holte man abermals den Zentralschweizer Meistertitel und musste sich im Final um die Schweizer Meisterschaft zweimal nur von Kürschners GC bezwingen lassen. Nordstern war damals die Nummer 1 in der Stadt Basel – deutlich vor dem FCB.

Immer wieder interne Querelen

Die Geschichte von Nordstern war aber stets geprägt von Phasen der Unruhe, inneren Konflikten und finanzieller Schwierigkeiten. Das war schon in den Jahren 1931 und 1932 so, als sich im Zuge der Diskussionen um die Methoden des deutschen Trainers Walter Hollstein innerhalb des Clubs zwei Parteien bildeten, die sich immer stärker zerstritten.

«Einst gute Freunde mutierten zu unversöhnlichen Gegnern», heisst es im 100-Jahr-Jubiläumsbuch des FC Nordstern. Die Fronten verhärteten sich dermassen, dass eine Gruppe um das verdiente Ehrenmitglied Max Sexauer dem Club den Rücken zuwandte und eine grosse Lücke hinterliess.



1936 konnten die Nordsterne sogar als Fussballbildli einer Zigarrenfirma gesammelt werden.

1936 konnten die Nordsterne sogar als Fussballbildli einer Zigarrenfirma gesammelt werden. (Bild: Sportmuseum Schweiz)

Selbst wenn der Verein 1935 und 1939 sogar zweimal im Schweizer Cupfinal stand – beide gingen gegen Lausanne-Sports verloren, der erste gar mit 0:10 –, war spürbar, dass die interne Krise noch tiefgreifendere Folgen haben würde und das Ende der erfolgreichen Periode bevor stand.

1943, während des Zweiten Weltkriegs, war es soweit. Nordstern musste seinen Platz in der Nationalliga, wie die oberste Spielklasse seit der Saison 1933/34 hiess, abgeben.

Damals, am 20. Juni 1943, stand der Abstieg schon fest, als man im letzten Heimspiel gegen die Young Fellows noch mit 4:2 gewinnen konnte. Nach insgesamt 32 Jahren ununterbrochener Zugehörigkeit verliess Nordstern die oberste Schweizer Spielklasse – und musste noch länger warten, um wieder dahin zurückzukehren.

Das Betreibungsamt an der Kasse

Es dauerte 35 lange Jahre, ehe sich der FC Nordstern wieder erholte – nur um mit dem sportlichen Erfolg, der Rückkehr in die Nationalliga A im Sommer 1978, in seine nächste grosse Krise zu rutschen. Bis 1980 hatten sich bereits 680’000 Franken Schulden angehäuft, 1983 musste Nachlass-Stundung beantragt werden, um insgesamt 1,4 Millionen Franken Verbindlichkeiten mindestens teilweise loszuwerden. Nordstern war in jenen Jahren derart klamm, dass selbst das Betreibungsamt bei Heimspielen vorbeischaute und die Matcheinnahmen pfändete.

Und wie immer in solchen Situationen melden sich vermeintliche Heilsbringer. Wie etwa Werner Hofstetter, der als Präsident des SC Zug Bekanntheit erlangte, als er in der Kabine auf seinen Trainer, einen gewissen Ottmar Hitzfeld, losging.

Hofstetter kam (zum Glück…) nie auf den Rankhof, stattdessen brachte der Plaza-Club ein paar Einnahmen. Für die Dressreklame dieses Nachtclubs musste beim Verband eine Spezialbewilligung eingeholt werden.

Der Werbeträger war so etwas wie der Vorbote für die folgenden Jahre. Der einst hell leuchtende Nordstern versank in der dunklen Anonymität. Unter den Trainern Ivo Guidantoni und Walter Grimm gab es später noch einmal Versuche, mindestens an der regionalen Spitze mitzuwirken, doch heute ist Nordstern nurmehr ein Amateurclub in der 3. Liga.

Quellen

Quelle und Zitate u.a.: Fussballclub Nordstern Basel 1901-2001, 100 Jahre Idealismus, Glück und Pech; Redaktion: Hans Hunziker.

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